Andere Probleme als die Frage wer Bundeshorst wird

… waren bei mir am heutigen Tag auf der Agenda. Abgesehen davon, dass pünktlich zum Start der Tour durch verschiedene Projekte im Friedrichshain mein Vorderrad den Geist aufgab (morgen ist es zum Glück repariert), hatte ich den Eindruck, dass die Frage wer den Posten des Bundespräsidenten bekommt, die Menschen im Lande nicht wirklich bewegt.

Doch fangen wir einmal damit an. Der Posten des Bundespräsidenten ist eigentlich überflüssig, aber auch darauf kommt es im Moment ja nicht an. Nun hat die Union einen Niedersachsen vorgeschlagen und SPD und Grüne Joachim Gauck. Schade, kann ich da nur sagen, denn ich hätte es gern gesehen, wenn SPD, Grüne und LINKE einen gemeinsamen Kandidaten gefunden hätten. Der Kollege Volker Beck hat nun getwittert, Joachim Gauck sei ein Angebot an Konservative und FDP. Bitte, Herr Beck übernehmen sie und suchen dort Mehrheiten. Warum Gauck aus meiner Sicht nicht geht? Ich habe allerhöchsten Respekt und Hochachtung vor seiner Haltung in der DDR. Diese war kein Rechtsstaat, was ich mehrfach erwähnt habe. Aber wer eine Prager Erklärung unterschreibt, in der ein Europäischer Gedenktag für die Opfer das Stalinismus und des Nationalsozialismus (in einem Atemzug!!!) fordert, ist für mich nicht wählbar. Ich bin vielleicht keine Kommunistin, aber ich habe etwas gegen vereinfachenden und verdummenden Antikommunismus.

Doch sei es drum, viel spannender als diese Debatten waren die Besuche bei Projekten und Initiativen im Friedrichshain.

Zuerst ging es zu integral, in die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Aus dem Umfeld des Neuen Forums entstanden wurde bereits 1991 die erste Freizeit- und Begegnungsstätte für Menschen mit Behinderungen geschaffen und seit 1993 gibt es die Werkstatt. Schnell kam auch das Thema DDR und Umgang mit Menschen mit Behinderungen zur Sprache. Mein Eindruck wurde bestätigt. Menschen mit Behinderungen waren in der DDR fast nicht öffentlich sichtbar. Vielleicht war Berlin noch eine Ausnahme, im Regelfall jedoch wurden Menschen mit Behinderungen meist in kirchlichen Einrichtungen isoliert. Eine Schande für eine Gesellschaft, die sich selbst humanistisch nennt.  Interessant auch, dass das Wort „barrierefrei“ zwar schnell über die Lippen kommt, in der Umsetzung aber nicht ganz problemlos ist. Während für Menschen im Rollstuhl das Absenken von Bordsteinen wichtig ist, wirft dies für Menschen mit Sehbehinderungen oder blinde Menschen durchaus Probleme auf. Und die Idee der Inklusion ist richtig und wichtig – nur ohne die nötigen materiellen Voraussetzungen läuft die Idee leer.

Danach ging es zum Projekt Afrikaherz, welches sich insbesondere der Prävention von HIV und AIDS widmet. Das Projekt, welches über den Paritätischen Wohlfahrtsverband durch den Senat gefördert wird, leistet ganz praktische Hilfe (Begleitung, Beratung) und ganz drastisch fällt hier auf, was die dringend abzuschaffende Residenzpflicht bedeutet.  Eine junge afrikanische Frau lebt in Frankfurt und ist Hochschwanger, der Lebensgefährte und Vater lebt in Berlin. Sie würde gern in Berlin entbinden – doch um dorthin zu kommen braucht sie eine Erlaubnis. Ich hoffe hier kann es durch rot-rot in Berlin und Brandenburg mindestens eine Lockerung geben.

Von dort ging es zum Kinder- und Familienzentrum „Das Haus“, welches bereits seit 1992 Angebot für Kinder und seit 2008 auch für Familien unterbreitet. Das Angebot ist vielfältig und die vielen unterschiedlichen Kreativ-Räume ließen erahnen, welche Betriebsamkeit am Nachmittag dort herrscht. Auch hier spielte die große Politik eine Rolle, nämlich bei der Frage wie das Elterngeld genutzt wird und das erhebliche Probleme bestehen, wenn das Elterngeld ausläuft. Es gibt zu wenig Kita-Plätze und leicht kommt man (ich benutze mal bewusst die männliche Schreibweise 🙂 ) in die Situation wo sich alles nur im Kreis bewegt. Job nur wenn es einen Kita-Platz gibt, Kita-Platz nur wenn es einen Job gibt. Auch das gegliederte Schulsystem spielte mit seinen negativen Auswirkungen eine Rolle. Das Haus bietet in der 6. Klasse sog. Abschiedsprojekte an. Häufig werden nämlich in der 6. Klasse Freundschaften auf die Probe gestellt, weil die Kinder sich gegenseitig vorhalten, wer auf welche Schule gehen darf….  Und das Thema Bürokratie kam zur Sprache, neue Förderanträge usw. Mir scheint, hier wird ein grundsätzliches Thema angesprochen, welches bei aller Projektförderung auftritt (Entwicklungszusammenarbeit, Jugend, Soziales, Sport). Die großen Träger“konzerne“ sind besser informiert, sie haben genügend Mitarbeiter und Verbindungen und bekommen deshalb immer das größte Stück vom Kuchen ab, die kleineren Projekte müssen immer einmal mehr kämpfen als andere um auch an Fördermöglichkeiten zu kommen.

Auf dem Weg Richtung Warschauer Straße ging es dann zur Tagespflege der Volkssolidarität an der Ecke Warschauer Str./Grünberger Str. Hier wurde die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt gelobt und berichtet, dass seit 1994 mit ca. 18 Plätzen (das schwankt immer ein wenig) die Betreuung von v.a. älteren Menschen übernommen wird. In der Zeit von 7.00-18.00 Uhr werden hier Therapien, Beschäftigung und die Begleitung zu Arztbesuchen angeboten. Das Thema Rentenangleichung Ost und West wurde hier angeschnitten, ebenso die Frage weshalb es unterschiedliche Bezahlungen für die gleichen Jobs gibt.

Von dort ging es zum Stadteilbüro Friedrichshain zur Betroffenenvertretung Warschauer Straße. Die Betroffenenvertretung gibt es seit 1994, sie arbeitet vor allem im Bereich Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung. Ihr Ziel ist es vor allem die verschiedenen Initiativen zu vernetzen. Heftig kritisiert wurde hier die ständige Abschmelzung der Mittel für Bürgerbeteiligung, von einstmals 60.000 EUR auf nunmehr 13.200 EUR. Nächstes Jahr läuft die Förderung für das Sanierungsgebiet aus und dann fallen auch die Mittel für die Miete des Stadteilbüros weg. Erinnert wurde daran, dass Bürgermeister Schulz seit Anfang des Jahres einen Vorschlag zur Verteilung der Mittel für Bürgerbeteiligung und für Bürgerbeteiligung an sich machen wollte – bis heute liegt aber nichts vor. Das Bezirksamt wurde kritisiert, es nutzt das Stadteilbüro nicht wirklich für Informationen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen müssen sich schon selbst um Informationen kümmern, was so nicht gedacht war. Das Stadteilbüro Friedrichshain ist im übrigen direkt von der vorläufigen Haushaltswirtschaft betroffen und findet das gar nicht lustig. Alles was derzeit im Rahmen der Bürgerbeteiligung läuft sei pure Selbstausbeutung, so wurde eine große Veranstaltung im Januar quasi erst mal aus eigener Tasche bezahlt.

Den Abschluss der Projektetour bildete ein Besuch beim RAW Tempel. Besucht hatte ich das Objekt ja schon häufiger, jetzt blieb Zeit für die Information über neuste Entwicklungen. Der RAW Tempfel benötigt vor allem Spenden und Fördermittel um die geplante Sanierung der genutzten vier Häuser voranzutreiben. Hier wurde ich auf eine Studie aufmerksam gemacht, die ich dann bei Gelegenheit auch mal lesen werde.Vom RAW Tempel habe ich auch jede Menge anderer Hausaufgaben mitbekommen und um diese jetzt zumindest aufzuschreiben und dann am Montag oder Dienstag anzugehen, höre ich jetzt mit dem Schreiben hier und heute auf.

9 Replies to “Andere Probleme als die Frage wer Bundeshorst wird”

  1. „SPD, Grüne und LINKE einen gemeinsamen Kandidaten gefunden hätten“

    Why would two solid democratic parties like the SPD and the Greens propose a joint candidate with a party that is observed by the Bundesamt für Verfassungsschutz and categorized as extremist by federal authorities (http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsschutz-alle-linken-abgeordneten-unter-beobachtung-1.28486 ), that is the successor party to the criminal GDR regime, and that repeatedly nominates communist criminals and Stasi informers as representatives, and that has never distanced itself from communist crimes and totalitarianism? That’s like suggesting the CDU should propose a joint candidate with some NSDAP successor party.

    The SPD and the Greens in Germany have proposed an excellent candidate this year – the best President Germany will never have. His biography speaks for itself:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Joachim_Gauck

  2. Pingback: Die linke K-Frage | Lafontaines Linke

  3. womit du ja nicht gesagt hast,wen du denn am 30.6 als mitglied der bundesversammlung wählst.
    oder ob du gar,als vertreterin von mehr direkter demokratie auf bundesebene dieses mandat nutzt,um neben einem möglichen offiziellen vorschlag der linken kandidaten vorzuschlagen(und das können bislang ja leider nur mitglieder der bundesversammlung),die aus der bewegung für volksentscheide oder bedingungsloses grundeinkommen stammen.
    werde hierzu auch mal katja kipping kontaktieren.

    oder vielleicht nutzt du ja gar deinen einfluss als stellvertretende parteichefin und setzt dich dafür ein,das in der 14.bundesversammlung , gemäß artikel 54gg ein großteil der landtagsabgeordneten von euch auf ihr mandat verzichtet,zugunsten einfacher bürgerinnen und bürger(und nicht nur für sportler und schauspieler)?was meinst du?

    das es die menschen im lande nicht groß bewegt,wer neuer präsident wird,sehe ich anders.im internet wird zahlreich diskutiert.so gibt es zum beispiel auf facebook die überparteiliche seite:direktwahl de bundespräsidenten durch das volk.

  4. sorry, mister but you are wrong.... since 1989 we debate our history and distanced ourself from the crime that was doing in the name of communism or socialism.... it is wrong to say nsdap and gdr are the same.

  5. Well, the fact remains that Die Linke is under observation by federal authorities (Bundesamt für Verfassungsschutz), which categorizes the party as extremist. Which should in any case make it an unlikely candidate for ANY cooperation with a democratic party.

    I think the nomination of Joachim Gauck by the SPD and the Greens is a very good demonstration of the big difference between Die Linke and SPD/Greens in regard to communism/GDR.

    Here: http://www.verfassungsschutz.de/de/publikationen/verfassungsschutzbericht/vsbericht_2008/ (page 167 ff.)

    Ambivalentes Erscheinungsbild der Partei (Verfassungsschutzbericht 2008 p. 169)

    „Die Partei „DIE LINKE.“ bietet auch weiterhin ein ambivalentes Erscheinungsbild. Einerseits setzt die Partei in ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit darauf, als reformorientierte, neue linke Kraft wahrgenommen zu werden. Andererseits liegen weiterhin zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen der Partei vor. So verfolgen durchaus namhafte Teile der Partei eine politische Umgestaltung der Bundesrepublik Deutschland, die mit entscheidenden Merkmalen eines freiheitlichen demokratischen Staates im Sinne des Grundgesetzes unvereinbar ist. Darüber hinaus lassen Verlautbarungen der Partei insgesamt sowie ihrer offen extremistischen Zusammenschlüsse eine nach den Maßstäben des Grundgesetzes erforderliche Distanzierung von der ehemaligen DDR und der Republik Kuba vermissen und streiten stattdessen für eine Solidarisierung. Eine Analyse der Unterlagen über die praktische Arbeit der Partei ergibt ferner Hinweise für fortbestehende Kontakte zu extremistischen Organisationen im In- und Ausland bzw. deren politische Unterstützung.“

    „In der Partei werden weiterhin Zusammenschlüsse auch dann akzeptiert und unterstützt, wenn sich deren Ziele als offen extremistisch darstellen.[…] Offen extremistische Kräfte sind in wichtigen Gremien der Partei vertreten, entsenden als bundesweit anerkannte Zusammenschlüsse nach einem festen Schlüssel Delegierte zu Parteitagen und werden gemäß der Finanzplanung der Partei fi-
    nanziell unterstützt.“

  6. my dear green scotsman, the bundesamt für verfassungsschutz is writing and saying some stupid thinks. if you believe in what they are saying, is your problem, not my.

  7. I’m just explaining why the SPD and the Greens will never nominate a joint presidential candidate with Die Linke, at least as long as the party hasn’t reformed sufficiently. If you are not a communist, you should do more to reform your party. Federal authorities and SPD/Greens (which you are keen to cooperate with) seem to be of the opinion that the party needs to distance itself from the communist regime and contemporary „extremists“ more clearly.

  8. @ Green Scotsman:

    I agree it is necessary for Die Linke to distance itself from crimes by the GDR regime. But the point is this has been done on many occasions, wheres other parties in Germany, like CDU/CSU and FDP who are currently in government, swallowed their east German counterparts that were out-and-out undemocratic organizations as well, but never faced the past of these parties as Die Linke did and still has to face the past of it’s predecessor. Plus the current program of Die Linke is in complete accordance with the German constitution.

    I think a neutral Bundesamt für Verfassungsschutz would have had many reasons to observe CDU/CSU in the past because of hate speeches against minorities, especially foreigners, by high rankled members like several governors (Edmund Stoiber, Roland Koch, Jürgen Rüttgers), even when refugee camps where burning in Germany in the nineties. The SPD by the way helped to cripple the asylum law in the constitution as a reaction which made them ineligible ever since for me.

    Also the Catholic Church would have to be not only observed but dismantled immediately alone for the blunt discrimination of women which is clearly in contradiction to the German constitution (Grundgesetz), as well as for causing deaths by AIDS because of propaganda against condoms – the right to the integrity of one’s life, body and health is also part of the Grundgesetz.

    I admit though that not everything is perfect within Die Linke, like the viewpoint of some of their members towards the juridical treatment of the shootings on the FRG/GDR border. But this viewpoint, while I think it is wrong, is also held by many if not the majority of west German legal scholars.

    As a west German I say Die Linke played an important role as a lobbyist for the interests of the east German people after the unification, one of them being that a persecution of minor opportunism like having loose contacts with the omnipresent Stasi should not go on forever. I think Joachim Gauck was quite a feared person by many who were no criminals, but were seduced into loose service for the Stasi, perhaps at young age, and so I understand that Die Linke would alienate these followers if they elected Gauck.

    A Bundespräsident must be an integrating character, so I think Gauck, whereas I see his merits, is a wrong choice as a candidate. And I think it was one more strategically stupid affront of SPD and Greens against Die Linke whom they need to get in power after nearly every election and who obviously could not agree to this candidate. SPD and Greens did not even communicate to Die Linke beforehand to enable a mutual decision over a candidate that would have had the chance to be elected against the CDU/CSU/FDP candidate.

    I assume especially the SPD suffers from a loss of reality by still thinking they could regain power in confrontation to Die Linke, which only exists because of severe mistakes the SPD made in the recent past by moving to the right wing, leaving a vacuum in the political spectrum that was conquered and is now firmly held by Die Linke.

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