Die RKI-Krisenstabsprotokolle und was sich daraus für emanzipatorische Aufarbeitung ergibt

Es ist ja nicht so, dass ich nicht in der Zeit wo Corona noch wahrnehmbar war, keine Kritik an Maßnahmen und der Corona-Politik geäußert habe (vgl. hier bereits am 14. April 2020, grundlegender hier im September 2020, im Dezember 2020 hier und im November 2021 hier). Daneben gab es noch weitere Beiträge hier auf diesem Blog. In der Zeit, wo Corona noch wahrnehmbar war, habe ich mit vielen engen Freund*innen gestritten. Weil wir unterschiedlicher Ansicht waren, was wie angemessen an Reaktion ist. Trotz unterschiedlicher Ansichten hat unsere Freundschaft nicht gelitten (würde ich mal so einschätzen). Im August 2020 fasste, auch Continue Reading →

Debatte um AfD-Verbot – juristische und politikwissenschaftliche Debatte läuft

Der Verfassungsblog hat glücklicherweise eine seriöse Debatte zum Thema Parteienverbot in Deutschland und Europa eröffnet. Glücklicherweise deshalb, weil mir scheint, dass eine seriöse Debatte im Hinblick auf ein Verbot der AfD nötig ist, die nicht nur auf Morgen, sondern auch auf Übermorgen und Überübermorgen abzielt. Eine seriöse Debatte ist meines Erachtens nötig, weil mir viel zu häufig eine Vorfestlegung zu existieren scheint, die in der Forderung nach Prüfung auftritt, aber die plausibel erscheinende Lösung Verbot meint. Eine Verbotsdebatte muss aber juristische Pro- und Contra-Erwägungen ebenso berücksichtigen, wie Pro- und Contra- Erwägungen der Politikwissenschaft. An dieser Stelle habe ich mit dem Continue Reading →

Trägervielfalt vs. Chancengleichheit beim Kita-Zugang (Teil II)

Bereits hier habe ich etwas zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Frage Trägervielfalt und Zuzahlungen in Kitas in Berlin geschrieben. Nunmehr liegen die Urteilsgründe vor. Sie überzeugen mich nicht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) urteilte: „Die mit der Regelung im Land Berlin (Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich i. V. m. § 7 der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen vom 25. Mai 2018) verbundene Ungleichbehandlung ist unangemessen, weil sie das Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktreten lässt und nicht berücksichtigt, ob der jeweilige freie Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen ist, die er durch Continue Reading →

Entscheidung des BVerfG zur Sperrklausel bei der Europawahl

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 6. Februar 2024 die Sperrklausel bei der Europawahl gebilligt. Im Hinblick auf die von Mehr Demokratie e.V. eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen die 5%-Sperrklausel im Bundeswahlgesetz ist interessant, ob sich der Beschluss des BVerfG auf diese auswirken könnte. Die auf Grund einer nationalen Regelung existierende 5%-Sperrklausel bei der Europawahl wurde vom BVerfG im November 2011 (BVerfGE 129,300) gekippt, die daraufhin geschaffene 3%-Sperrklausel ebenfalls (BVerfGE 135, 259). In der Entscheidung des BVerfG ging es nunmehr um eine europäische Regelung. Das Europäische Parlament unterbreitete im Jahr 2015 dem Rat der Europäischen Union einen Vorschlag zur Änderung des Continue Reading →

Beschränkung Kleiner Anfragen

Wenn es um die Rechte von Gruppen und die Kleinen Anfragen geht, muss zunächst bei den Rechten von Abgeordneten angesetzt werden. Dazu ist am besten die sog. Wüppesahl-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 80, 188) heranzuziehen. In der grundlegenden Entscheidung wurde in Rz. 109 festgehalten: „Demgemäß ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen, teilzunehmen. Dem Bundestag selbst obliegt es, in dem von der Verfassung vorgezeichneten Rahmen seine Arbeit und die Erledigung seiner Aufgaben auf der Grundlage des Prinzips der Beteiligung aller zu organisieren (…). Zu den sich so ergebenden Befugnissen des Abgeordneten rechnen vor allem das Continue Reading →

Darauf Ausgehen (Parteienverbot) – Potentialität = Darauf Ausgerichtet (Entzug der Parteienfinanzierung)

Mit der Entscheidung vom 23. Januar 2024 hat das BVerfG zunächst erst einmal klargestellt, dass die Änderung des Grundgesetzes aus dem Jahr 2017, mit der ein Entzug der staatlichen Teilfinanzierung von Parteien ermöglicht wurde, der Verfassung entspricht. Über die konkrete Entscheidung hinaus, hat das Urteil weitere Implikationen: Absoluter Bestandsschutz für Menschenwürde und Staatsstrukturprinzipien Der Ls. 2 stellt klar, dass die „von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Inhalte (…) absoluten Bestandsschutz (genießen). Hieraus folgt, dass Art. 79 Abs. 3 GG im Vergleich zu anderen Verfassungsnormen als übergeordnet anzusehen ist und Verfassungsänderungen, welche die von Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen nicht beachten, sich als >verfassungswidriges Continue Reading →

BVerwG sieht Trägerpluralität vor Chancengleichheit

Laut der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) vom 26. Oktober 2023 ist es einem Bundesland untersagt, eine Obergrenze (oder einen Deckel) für monatliche Zuzahlungen der Eltern für zusätzliche Leistungen freier Träger von Kindertagesstätten einzuführen. Dies, so das BVerwG, „ist mit dem Anspruch der freien Jugendhilfeträger auf gleichheitsgerechte Beteiligung am staatlichen System der Kindertagesstättenfinanzierung unvereinbar (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG – in Verbindung mit den §§ 3 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII).“ Offensichtlich vereinbar ist es aber nach Ansicht des BVerwG eine soziale Segregation vorzunehmen, je nachdem in welchem Umfang Eltern für die Betreuung in einer Kindertagesstätte in der Lage sind, finanzielle Mittel Continue Reading →

Die Grenze verläuft nicht zwischen Ost und West

Mal wieder ein 3. Oktober. An diesem Tag überschlagen sich dann (fast) alle, um auf die Ungleichheit zwischen Ost und West hinzuweisen. Es wird dann auf die Unterschiede bei den Gehältern hingewiesen und beim Erben. Auch die fehlende Besetzung von Führungspositionen wird erwähnt. Nach dem Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2023 gibt es strukturelle Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland. Im Bericht wird darauf verwiesen (S. 23), dass fast 82% der Führungskräfte in Westdeutschland ohne Berlin geboren sind. Das ist viel. Aber was sagt das aus? Ohne eine Altersangabe meines Erachtens nichts. Weil, wer wie ich beispielsweise im Continue Reading →

Wenn wir irgendwann auf 2023 zurückblicken – Teil II

An dieser Stelle habe ich geschrieben, dass wenn wir irgendwann auf 2023 zurückblicken (können), wir 2023 als das Jahr ansehen werden, indem die Gesellschaft gekippt ist. Damals bezog ich das vor allem auf die Frage des Kampfes gegen den Klimawandel. Das ist und bleibt aktuell. Auch deshalb, weil sich viele über Protestformen aufregen, nicht aber über die Missachtung von Klimazielen oder die fehlende Regulierung zu Erreichung von Klimazielen. Wer die Krise nicht spürt, der glaubt auch nicht das sie kommen könnte. Da lässt sich dann leicht davon träumen, Wohlstand und Lebensweise einfach so fortführen zu können. Nach uns die Sintflut. Continue Reading →

Identitätspolitik-Rant

Einer der mehr oder weniger neuen Begriffe im politischen Raum ist Identitätspolitik. Der Begriff wird häufig abwertend genutzt. Aber was ist diese Identitätspolitik eigentlich? Offensichtlich verstehen verschiedene Menschen verschiedene Dinge unter Identitätspolitik. Robert Misik weist in diesem Beitrag dankenswerterweise darauf hin, dass es bereits bei Marx hieß, dass „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“. Dies zu Grund gelegt wäre Identitätspolitik eine Politik für gleiche Rechte für alle Menschen, für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung. Das wäre dann aber einfach Gerechtigkeitspolitik und keine Identitätspolitik. Es wäre eine Politik im Sinne von Artikel 1 und 2 Continue Reading →