Öffentliche Anhörung der Sachverständigen zum Thema bezahlbare Mieten im Rechtsausschuss

Gastbeitrag von Vincent Bergner, Praktikant im Bundestagsbüro

Nachdem die Bundesregierung mit ihrer Mietrechtsänderung den Mietwucher in Deutschland per Gesetz freie Bahn gab, fand am 26. Juni 2013 gemäß den Anträgen der Opposition ein Rechtsausschuss zum Thema „Bezahlbare Mieten“ statt. Geladen waren dazu diverse Sachverständige, deren Stellungnahmen ich nachfolgend zusammenfassen möchte. Ich beziehe mich vor allem auf Frau Siegmunds, denn diese ist Vorsitzende Richterin am Landgericht Berlin, entscheidet also auch über konkrete Mietrechtsfälle.

Nach Auffassung von Frau Siegmund  sind Modernisierungsmaßnahmen wie etwa Wärmedämmung, die Installierung von Balkonen oder der Einbau von Aufzügen oft eine wesentliche Ursache für Mieterhöhungen. Solche Investitionen könnten sogar eine Verdoppelung der Miete verursachen und somit dazu führen, dass viele MieterInnen ihre Wohnung aufgeben müssen.

Zudem könne die private Lebensführung von Mietern und Mieterinnen im Zuge energetischer Modernisierungen stark beeinträchtigt werden. Dies hätte eine Doppelbelastung der MieterInnen zur Folge und sei deshalb mit dem geltenden Vertragsrecht unvereinbar, da es sich hierbei um eine Verletzung des Äquivalenzprinzips handele. Hinzu komme, dass die im Zuge von energetischer Modernisierung potenziellen Energieeinsparungen für die MieterInnen – wenn überhaupt-  erst stark zeitlich versetzt wahrnehmbar seien. Somit hätten sie keinen selbstbestimmten Einfluss mehr auf die Entscheidung zur Aufgabe oder Beibehaltung der Wohnung.

Frau Siegmund spricht sich deshalb für eine Reduzierung der umlagefähigen Kosten von 11 auf 9 Prozent aus, so wie es etwa auch die SPD-Fraktion fordert. In meinen Augen ist dies jedoch nur ein halbherziger Ansatz. Ich halte die Auffassung der LINKEN, dass sich die Modernisierungsumlage an der Betriebskostenersparnis für die MieterInnen orientieren muss und höchstens 5 Prozent betragen darf als weitreichender. Im Gegensatz zur SPD fordern die LINKE zudem eine zeitliche Begrenzung der Umlage. Sobald die Investitionen des Vermieters durch die Umlage refinanziert sind, soll diese Form der Mieterhöhung wieder abgeschafft werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt in den Ausführungen Frau Sigmunds betrifft das Problem der Schonfristzahlung.  So hält Frau Siegmund „die Ausdehnung der Möglichkeit der Schonfristzahlung auf die fristgemäße Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB als wünschenswert.“ Nach aktueller Gesetzeslage entstehe „die widersprüchliche Situation, dass die – eine schwer wiegende Vertragsverletzung voraussetzende – fristlose Kündigung durch eine Schonfristzahlung sehr häufig unwirksam wird, die in aller Regel zugleich ausgesprochene fristgemäße Kündigung jedoch greift und zu einer Beendigung des Mietverhältnisses führt. Damit treffe das Gesetz MieterInnen, die etwa von einer verspäteten Lohnzahlung betroffen sind oder Hartz 4 Betroffene, die ihren Antrag verspätet eingereicht haben.

Als bedenklich erachtet Frau Siegmund die durch das Mietrechtsänderungsgesetz eingeführte Möglichkeit der Räumung von Wohnraum im Wege der einstweiligen Verfügung. Im Hinblick auf den Grundsatz des „Schutzes der Wohnung als Lebensmittelpunkt“ im  Grundgesetz sei diese Regelung problematisch. Mit dieser Scheußlichkeit will die Koalition v.a. gegen sog. „Mietnomaden“ vorgehen. Frau Siegmund macht jedoch deutlich, dass das „Phänomen des Mietnomadentums“  in der gerichtlichen Praxis nicht nennenswert ins Gewicht“ falle. Abgesehen davon warten Mietnomaden nicht auf den Räumungsbeschied, sonder verlassen in der Regel die Wohnung und verschleiern ihren neuen Aufenthaltsort.

Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang betrifft die Regelung der Sicherungsanordnung. Mit der in der Zivilprozessordnung normierten Sicherungsanordnung soll es möglich sein, dass der Kläger mit der Klageeinreichung verlangen kann, dass ein Geldbetrag hinterlegt wird. Passiert das nicht kann Ordnungshaft verhängt werden. Speziell für das Mietrecht bedeutet dies, dass der Vermieter beispielsweise die ab Klageeinreichung fällige Miete verlangen kann, die als Sicherheitsleistung hinterlegt werden soll. Geschieht dies nicht, kann aber nicht nur Ordnungsgeld und Ordnungshaft angeordnet werden, sondern auch die Räumung der Wohnung.

Nach Meinung der LINKEN ist eine solche Regelung extrem rechtswidrig. In einem kurzen Absatz kommt Axel von Goldbeck (Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland) zu dem Schluss, dass es sich hierbei um eine interessengerechte Regelung handele und Korrekturen nicht erforderlich seien. Hallo, wo sieht der Mann hier Gerechtigkeit? Geht es hier um eine sachlich-objektive Einschätzung oder um die Verteidigung eines Gesetzes der Bundesregierung? Abgesehen davon Neutralität in der politischen Beratung? –eher Fehlanzeige…

Auch bei den Ausführungen Hans-Joachim Becks, Immobilienverband Deutschland IVD sowie Dr. Kai H. Warneckes vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e. V erhält man ebenfalls den Eindruck, dass es sich bei diesen beiden Herren weniger um Sachverständige handelt als mehr um Lobbyisten der privaten Wohnungswirtschaft. Beide SVs waren angetreten, um etwa dem „Mythos der Mieten-Explosion“ entgegenzutreten.

So konstatierte Beck beispielsweise für Berlin einen „Nachholeffekt„, da sich in dieser Stadt die Mieten in den vergangenen 20 Jahren nur sehr moderat erhöht hätten. Grundsätzlich brauche man keine weitere Regulierung des Mietmarkts und keine Deckelung  bei Mieten, da solche Maßnahmen die Investitionsbereitschaft verringerten. Diese absurde Ansicht vertritt auch Dr. Warnecke. Ihm zu Folge widerlegen die Fakten die These von einer allgemeinen  Mietpreisexplosion. Mietpreisbremsen würden „enteignend“ wirken, die Renditen auf dem Wohnungsmarkt seien schon jetzt sehr niedrig, meinte der Vertreter des Zentralverbands der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer.

Dazu ein kleiner Faktencheck: im Durchschnitt müssen Mieterinnen und Mieter bereits mehr als ein Drittel (34,1 Prozent) ihres Haushaltsnettoeinkommens für Miete und Energie bezahlen (Mieterbund). Vor allem Neuvertragsmieten steigen exorbitant, gleichzeitig sind seit 2005 die Strompreise um 44 Prozent, die Heizkosten zwischen 31 und 62 Prozent gestiegen (Mieterbund). Angesichts dieser Zahlen fordert die LINKE, dass die Miete ohne maßgebliche Wohnwertverbesserungen nur im Rahmen des Inflationsausgleiches erhöht werden darf. Mieterhöhungen allein auf Grund von Neuvermietung müssen unzulässig werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass -abgesehen von den geladenen „Lobbyisten“-  auf Seiten der SVs durchaus Kritikpunkte am Gesetz existieren. Stellvertretend dafür steht etwa die Ausführung Frau Siegmunds. Dennoch geht auch ihr Ansatz nicht weit genug. Wir müssen also dafür Sorge tragen, dass das Thema eine erhebliche Rolle in der Öffentlichkeit einnimmt. Mit Bürgerinitiativen und Druck von der Straße kann es möglich sein, die beschlossenen Scheußlichkeiten im Mietrecht auf die politische Agenda zu setzen und für diesbezügliche Veränderungen in der nächsten Legislaturperiode zu sorgen. Dabei kann dann auch auf das Protokoll dieser Anhörung zurückgegriffen werden, denn in dieser Legislaturperiode passiert ja nichts mehr. Denn die Koalitionsfraktionen haben dafür gesorgt, dass die Anhörung nach der letzten Sitzung des Rechtsausschusses stattfand.

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