Erneut Wahlrechtsreform

Während der gemeinsame Gesetzentwurf von FDP, LINKEN und Grünen zur Reform des Wahlrechts nicht zur Entscheidung kommt, macht ein Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU nun Furore. Brinkhaus hat einen Notfallmechanismus vorgeschlagen, mit dem die Größe des Bundestages auf 750 Mandate gedeckelt werden soll. Konkret sieht sein Vorschlag vor: „Danach soll im Wechsel jeweils ein Überhangmandat nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert und ein Direktmandat gestrichen werden – bis man bei der Höchstzahl von 750 Sitzen angelangt ist. Die Direktmandate sollen in den Wahlkreisen mit den schwächsten Erststimmergebnissen nicht zugeteilt werden.“ Aus meiner Sicht ist dies ein schlechter Vorschlag, denn er stellt das Continue Reading →

Der Gesetzgeber ist gefragt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Verhältnis von Personenstandsgesetz (PStG) und Transsexuellengesetz (TSG) in einer Grundsatzentscheidung beleuchtet. Dabei bestätigt er die zumindest in meinen Augen bedauerlicherweise biologistisch determinierte Entscheidung zur Anwendung des PStG. Im Leitsatz 1 heißt es: „Der Anwendungsbereich der §§ 45 b, 22 Abs. 3 PStG ist auf Personen beschränkt, die körperlich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sind. Personen mit lediglich empfundener Intersexualität sind hiervon nicht erfasst.„ Personen mit „lediglich empfundener Intersexualität“ werden im Hinblick auf eine Änderung der Geschlechtsangabe im Geburtenregister auf das TSG verwiesen. Der vom BGH dafür als Rechtsgrundlage angenommene § 8 Abs. Continue Reading →

Eine Kontrolle die geheim bleibt

In der vergangenen Woche hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die strategische Auslandstelekommunikationsüberwachung des BND entschieden. Eine Betrachtung, die allein bei den Leitsätzen stehen bleibt, könnte dieses Urteil als Erfolg werten. Wer sich jedoch die Mühe macht und in die Details geht, könnte zu der Einschätzung gelangen, das Ausspähen ziemlich okay ist und die Kontrolle als Placebo stattfindet, im Kern also das eine Placebo (Parlamentarisches Kontrollgremium und G10-Kommission) durch ein neues Placebo ersetzt wird. Doch der Reihe nach. Am Anfang stehen ein paar interessante Aussagen des BVerfG, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten: „Die Grundrechte des Grundgesetzes binden den Bundesnachrichtendienst und Continue Reading →

Mechanismen der Krise II und die Sache mit der Logik

Als ich am 7. April 2020 hier über die Mechanismen der Krise schrieb, ging es mir um die Darstellung eines Mechanismus, der im Rahmen der Corona-Bekämpfung aus meiner Sicht zu unverhältnismäßige Maßnahmen führte. Ein wenig grundsätzlicher wird das ganze Thema auch hier behandelt. Bei der Beschreibung der Mechanismen der Krise war mir wichtig darauf hinzuweisen, dass ein Mechanismus des „lieber zuviel als zu wenig“ an Maßnahmen ganz wesentlich geprägt war und ist von einer öffentliche Erwartungshaltung. Es gab den öffentlichen Druck endlich etwas Effektives zu tun. Politiker*innen standen und stehen insoweit nicht nur unter dem Erwartungsdruck der Bürger*innen, sondern auch Continue Reading →

Es gibt kein Übergrundrecht Gesundheitsschutz

In der Debatte um die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus, insbesondere im Hinblick auf Kontakt- und Ausgangssperren scheint eine Meinung vorzuherrschen, nach der es ein Supergrundrecht Gesundheitsschutz gibt. Das Recht auf Leben und körperliche Gesundheit wird als ein absolutes Grundrecht gehandelt, quasi ein „Übergrundrecht“. Die Folge eines Supergrundrechts ist, dass eine Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechten, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahmen, nicht mehr stattfindet, weil das Übergrundrecht alles überwiegt. Dies wird aber dem Ansatz des Grundgesetzes und der Rechtsprechung nicht gerecht. Vorbemerkung Die nachfolgenden Ausführungen nehmen ausdrücklich den herrschenden Diskurs zur Frage der Gefährlichkeit und des Schnelligkeit der Ausbreitung des Corona-Virus zum Continue Reading →

Die Sache mit dem Grabenwahlrecht

Unmittelbar nach Weihnachten überraschten einige Unionsabgeordnete mit einem Vorschlag für ein neues Wahlrecht. Ein  sogenanntes Grabenwahlsystem soll es richten. Ein alter Vorschlag, der auf den ersten Blick ganz überzeugend wirkt. 299 Direktgewählte Abgeordnete und 299 Listenabgeordnete, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, der Bundestag wird also – anders als nach der Wahl 2017 –  nicht größer. Der Vorschlag ist nicht neu, er ist vor allem aber nicht überzeugend. Aus faktischen Gründen, aus demokratietheoretischen Gründen und aus verfassungsrechtlichen Grünen. 1. Das Grabenwahlsystem in Fakten  Wäre das Grabenwahlsystem bei der Bundestagswahl 2017 angewendet worden, sähe der Bundestag zunächst heute Continue Reading →

VVN-BdA – Problem sind Verfassungsschutz und Abgabenordnung

Dem Bundesverband der VVN-BdA wurde durch Beschluss des Finanzamtes für Körperschaften I des Landes Berlin am 4. November 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen. Das ist ohne wenn und ohne aber ein Skandal. Offensichtlich beruft sich das Finanzamt drauf, dass VVN-BdA im Verfassungsschutzbericht des Landes Bayern als „linksextremistisch beeinflusst“ eingestuft wird. Das zeugt zunächst erst einmal davon, dass der Verfassungsschutz ein Problem ist und irgendwie nicht begriffen zu haben scheint, wo die Gefahr für die Demokratie liegt. Doch das Problem liegt nicht allein beim Verfassungsschutz, es liegt auch beim Gesetz. Ganz konkret beim § 51 Abs. 3 AO (Abgabenordnung). Dieser setzt für Continue Reading →

Auf der Suche nach validen Zahlen – Mietendeckel und Genossenschaften

In meinem Blog habe ich mich bereits mit der juristischen Debatte um den Mietendeckel und auch mit der politischen Debatte beschäftigt. Im Beitrag zur politischen Debatte formulierte ich unter anderem: „Bei der Durchsicht der zur Verfügung stehenden Geschäftsberichte fällt auf, dass bis auf Reinickes Hof alle Wohnungsbaugenossenschaften einen Überschuss von mehr als 1 Mio. € zu verzeichnen hatten. Möglicherweise haben Wohnungsbaugenossenschaften durch den Mietendeckel für die 5 Jahre seiner Dauer weniger große Überschüsse, dass sie den Mietendeckel nicht stemmen können, sehe ich nicht. Wenn es diesbezüglich ein valides Argument gibt, setze ich mich gern mit diesem auseinander.“ Nun las ich, Continue Reading →

Das BVerfG zu Sanktionen bei Hartz IV

Was wie eine Erfolg aussieht, ist am Ende eine Niederlage. So würde ich  kurz das Urteil des BVerfG zu Sanktionen bei Hartz IV umschreiben. Mit dem Urteil hat das BVerfG Regelungen, nach denen Sanktionen wegen Pflichtverletzungen 30% des Regelsatzes übersteigen, als mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Damit hat es aber auch gesagt: Es darf weiter sanktioniert werden. Und zwar bis der Gesetzgeber eine neue Regelung geschaffen hat. Das ist ziemlich bitter. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, nach dem der im Jahr 2014 über 25 Jahre alte Kläger eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich Lager/Logistik hatte. Ab Juli 2005 Continue Reading →

Lesematerial für eine linke Kritik an der DDR

30 Jahre friedliche Revolution auf allen Kanälen. Es gibt eine herrschende Sichtweise, bei der vor allem jene zu Wort kommen, die damals nicht dabei waren. Weil zu jung oder im Westen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR, dem Stalinismus, zählt zu meiner grundlegenden politischen Sozialisation. Es gibt nur wenige Themen, die mich auch emotional so berühren und bei denen mir eine klare, kompromisslose Position wichtig ist. Was meine Position ist, kann zum Beispiel hier oder hier nachgelesen werden. Gerade deshalb war mir in meiner Bundestagszeit das Thema SED-Opferrente so wichtig. Was in der Debatte um 30 Jahre friedliche Revolution Continue Reading →