Commonsdebatte führen, Profil gewinnen

DIE LINKE streitet zu Recht für einen gesetzlichen Mindestlohn, gegen die Rente mit 67, für die Überwindung von Hartz IV, gegen Kriegseinsätze und den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten. Das ist gut so und soll auch so bleiben.

Dennoch sollte DIE LINKE ihr Profil erweitern. Diese Erweiterung kann DIE LINKE vielleicht auch dadurch erreichen, dass sie die Debatte um Commons, also Gemeingüter, aufnimmt und sie um eigene Fragen und Antworten bereichert. DIE LINKE könnte versuchen, über die Debatte um die Gemeingüter ein Profil zu entwickeln, das den ökologischen Umbau mit antikolonialer Politik und den sozial gerechten Zugang zu Gemeingütern mit demokratische Kontrolle verbindet. Und vielleicht kann sie sogar die Grenzen nationalstaatlicher Politik thematisieren.

Die Debatte um die Commons ist vielfältig und nicht alle Begriffe sind eindeutig. Am Ende dürfte es bei der Debatte um die Commons um die Frage gehen, was alles zu den Gemeingütern zählt. Was also sollte nicht monopolisiert werden oder Privaten gehören. Damit stellt, wer nach den Commons fragt, eben auch die Eigentumsfrage. Die Debatte um die Commons hinterfragt aber auch, ob die staatliche Verfügungsgewalt über Gemeingüter immer das passende Mittel ist. Es geht darum zu hinterfragen, ob nicht Gemeinschaften selbstbestimmt nach selbstgesetzten Regeln über den Umgang mit den Gemeingütern entscheiden sollen. Das können regional oder örtlich beschränkte Gemeinschaften sein oder eben auch eher unübersichtlich große Gemeinschaften. Gemeingüter dürften dabei u.a. Boden, Wasser, Energie und Wald sein, ebenso Wissen und zum Teil auf Wissen basierende Erkenntnisse und Entwicklungen (zum Beispiel Medikamente). Wenn der Zugang zu und der Nutzen von Gemeingütern sozial gerecht und demokratisch kontrolliert stattfinden soll, führt dies unweigerlich zur Frage, ob der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der Zugang zu Wissen überhaupt über den Markt und damit das Prinzip Gewinnmaximierung gestaltet werden kann. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, ob eine staatliche Steuerung die Alternative sein kann, insbesondere dann, wenn natürliche Ressourcen keine Rücksicht auf staatliche Grenzen nehmen. Wer beidem skeptisch gegenüber steht, muss sich fragen, ob gemeinschaftlicher Besitz und gemeinschaftliche Nutzung auf Grund gemeinschaftlich verfasster Regeln eine Alternative sein können. Nähert man sich dieser Sichtweise an, stellt man nicht nur herrschende Nutzen- und damit Gewinnmaximierung in Frage, sondern bekommt auch einen kritischen Blick auf die sog. Entwicklungszusammenarbeit. Werden hier nicht zu sehr die Normen des Nordens dem Süden aufgezwungen?  Gibt es nicht genügend Beispiele, wo ehemals gemeinschaftliches Land Privaten übertragen und dann beispielsweise durch patentiertes Saatgut neue Abhängigkeiten geschaffen werden?

Wer sich der Debatte um die Commons nähert, muss aber auch Fragen stellen. Gibt es Grenzen des Modells der Commons und wo sind diese? So sympathisch der Ansatz ist, dass Menschen zum Beispiel über Wissen, natürliche Lebensgrundlagen, Energie- und Wasserversorgung, die materielle Produktion oder gar Stadtplanung selbst entscheiden und sich selbst Regeln setzen, wie soll dies in einem größeren Zusammenhang praktisch organisiert werden? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang dann Staat und parlamentarische Demokratie? Wie wird ein kapitalistischer Wettbewerb der Gemeinschaften untereinander verhindert und wie die Okkupation der Commons durch unternehmerische Interessen?

Die Commonsdebatte ist spannend. Sie stellt viele Fragen und kann dennoch ein Ausweg aus der kapitalistischen Verwertungslogik aufzeigen. Es gibt in vielen Bereichen Beispiele für den Versuch, Gemeingüter gemeinschaftlich nach selbstgesetzten Regeln zu verwalten und zu nutzen. DIE LINKE sollte sich umschauen in der Welt, Beispiele aufnehmen und ganz spezifisch linke Beiträge in die Commonsdebatte einbringen.

4 Replies to “Commonsdebatte führen, Profil gewinnen”

  1. Ja, Profil gewinnen! Aber so einfach ist die Sache mit den Commons nicht. Zum Beispiel kann man nicht bestimmen, welche Ressourcen Commons „sind“ oder nicht, sondern sie müssen dazu _gemacht_ werden. Commons sind also als soziales Verhältnis beim Umgang mit Ressourcen zu begreifen. Die Ressourcen selbst (Boden, Wasser, Energie, Wald, Wissen, Software, …) werden daher auch als Commons-Ressourcen (common pool resources) bezeichnet.

    Viel mehr dazu im neuen Commons-Buch 🙂

  2. Natürlich muss die Linke bezüglich der Gemeingüter nicht das Rad neu erfinden. Denn es gibt ja die Landesverfassungen und das Grundgesetz, in denen und dem Aussagen über die Gemeingüter und der Daseinsvorsorge bereits getroffen wurden. Die Refeudalisierung der Gesellschaft (Privatisierung genannt) durch Union und FDP seit den 1970ern ist ja sattsam bekannt. Später kamen da noch die SPD und die Grünen hinzu und steigerten dies sogar noch. Dazu aus den vielen möglichen Artikeln nur zwei Übersichtsartikel: http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2010/februar/die-pluenderung-des-staates und http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=2070 . Man muss also auch hier eine Verfassungsdebatte und eine Debatte über politische Ökonomie führen. Und eine Debatte über die Täter, mit denen man parlamentarisch zusammenarbeiten kann und muss, aber nur, wenn man genau weiß, was von ihnen zu erwarten ist.

  3. @Uwe: Welche Aussagen über Gemeingüter in Landesverfassungen und Grundgesetz meinst du?

    Doch, ich denke, dass die LINKE _für_sich_ das Rad der Commons neu finden muss. Nicht erfinden, aber finden. Halina hat das im Artikel ganz gut begründet.

  4. @ STEFANMZ 22. MAI 2012 UM 15:57

    Hallo Stefan,
    abstrakt aber auch sehr konkret kann man aus meiner Sicht die Aussagen über die Gemeingüter aus den Grundrechten, dem Sozialstaatsgebot, dem Umweltschutz und den Volksentscheiden, die in Landesverfassungen und Grundgesetz verankert sind, ableiten.

    Art 2 (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

    Art 14 (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.

    Art 15 Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz … in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

    Art 20a
    Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

    Art 28 (2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres
    gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.

    Hier und nicht nur hier trifft zu, was Max Reimann sagte: „Wir [Kommunisten] unterschreiben [das Grundgesetz] nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“

    Deshalb ist es gut, sich der Geschichte zu erinnern und aus ihr zu lernen, damit man sie nicht wiederholen muss.

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