Die spinnen, die Bayern – VVN-BdA Teil II

Ich habe hier bereits über die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA geschrieben. Die Sache hat mich nicht losgelassen und so habe ich noch einmal nachrecherchiert. Meine Empörung ist noch mal gestiegen.

Hintergrund der Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist eine wohl auf § 51 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) gestützte Entscheidung. Danach setzt eine Steuervergünstigung voraus, „dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“ Das diese Norm absurd ist, habe ich bereits an anderer Stelle ausgeführt, sie sollte schleunigst geändert werden.

Ich habe mir nun den Verfassungsschutzbericht des Landes Bayern von 2016 angeschaut, der nach den öffentlichen Berichten die Grundlage für die Entscheidung des Finanzamtes war, der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Und da bleibt mir dann die Spucke weg und ich komme nicht umhin zu sagen: Die spinnen die Bayern! Das die abstrusen Thesen eines solchen Berichtes wegen des § 51 Abs. 3 AO solche Wirkung haben ist schlichtweg nicht hinnehmbar.

Der Bayrische Verfassungsschutz erwähnt unter dem Punkt Linksextremismus auf S. 202 die VVN-BdA. Auf S. 224 erhält die VVN-BdA ein ganz kurzes Kapitel u.a. mit folgender Aussage:

Da fällt mir echt nichts mehr ein. Das inkriminierte Zitat lautet übrigens:

„Die Kunst der Bündnisarbeit ist es, eine möglichst breite Zusammenarbeit zu entwickeln, die allen Teilnehmenden ausreichend Raum für eigenständiges Handeln im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung gibt. Das bedeutet zum Beispiel, dass Blockadeaktionen gegen Naziaufmärsche oder andere direkte Aktionen durchaus legitime Mittel sind, selbst wenn nicht alle Kräfte im Bündnis sich dieser Aktion anschließen können.“

Das gefährdet natürlich voll die FDGO. Nicht. Wer wissen will, vor welchem Hintergrund die Bayern zu solchen Auffassung kommen, der kann sich im Bericht die S. 212/213 ansehen:

„Linksextremisten nutzen den breiten gesellschaftlichen Konsens gegen den Rechtsextremismus für ihre politischen Ziele, die allerdings weit über die Bekämpfung des Rechtsextremismus hinaus reichen. Antifaschismus im linksextremistischen Sinn beinhaltet auch die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Ursprünglich bezog sich der Begriff Antifaschismus auf die inneritalienische Opposition gegen die Herrschaft Mussolinis. Die Wurzeln des deutschen Antifaschismus liegen im Widerstand gegen die Diktatur des >Dritten Reichs<. Neben dem bürgerlich-liberal geprägten Antifaschismus, der für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintrat, entwickelte sich ein kommunistisch orientierter, als linksextremistisch einzustufender Antifaschismus. Der linksextremistische Antifaschismus wertet alle nichtmarxistischen Systeme als potenziell faschistisch oder als eine Vorstufe zum Faschismus. Linksextremisten sehen also die eigentliche Ursache von Faschismus und Rechtsextremismus in einer bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die auf Kapitalismus, Parlamentarismus und Rechtsstaatsprinzipien aufbaut. (…) Linksextremistische Parteien und Organisationen streben über eine gezielte Einflussnahme die Übernahme von Leitungs- und Steuerungsfunktionen in antifaschistischen Initiativen an. Der Kampf gegen Hitler und die Verfolgung von Kommunisten zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus dienen aus der kommunistischen Bewegung entstandenen Organisationen als Legitimation für ihren Führungsanspruch im antifaschistischen Spektrum. Antifaschismus ist nicht generell linksextremistisch. Es kommt vielmehr darauf an, was die jeweiligen Antifaschisten konkret unter >Faschismus< verstehen und welche Forderungen sich aus ihrem Selbstverständnis als >Antifaschisten< ergeben. Die zentrale Frage dabei lautet: Richtet sich die Ablehnung nur gegen Rechtsextremismus oder richtet sich die Ablehnung gegen die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaats?“

Konkret zur VVN-BdA wird neben dem obigen Zitat noch ausgeführt, dass der Ehrenvorsitzende Prof. Fink sich gegen seine Nennung in Verfassungsschutzberichten als IM mit einer Klage wehrte und die bayrische VVN-BdA gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht ebenfalls Klage erhoben habe.

Kurz gesagt: Das Bayrische Amt für Verfassungsschutz vertritt die These, Antifaschismus sei irgendwie gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und die bürgerliche Gesellschaft. Es gibt zwar auch ein paar Ausnahmen, aber eigentlich bedroht Antifaschimsus die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung. Die Bayern sagen, Antifa im Allgemeinen und VVN-BdA im Besonderen verstoßen gegen § 4 BVerfSchG. Belege habe wir keine, aber wir schreiben das mal so auf. Kannste Dir nicht ausdenken, so ein Quatsch.

Ich kann es aber noch zuspitzen, das Bayrische Landesamt für Verfassungsschutz ist der Annahme, die VVN-BdA verfolgt durch „politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen“ Bestrebungen gegen

  • das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen;
  • die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht;
  • das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition;
  • die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung;
  • die Unabhängigkeit der Gerichte;
  • den Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
  • die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Das ist so absurd und infam, da fasse ich mir nur noch an den Kopf. Wer bitte kommt auf sowas? Woraus bitte soll sich das ergeben? Doch nicht aus diesen dürftigen Zeilen zur VVN-BdA.

Im Rahmen des § 51 AO ist es nun leider so, dass aus der Aufzählung im „Verfassungsschutzbericht eines (!! – sic!) Landes“ folgt, dass eigentlich keine Gemeinnützigkeit anerkannt wird, es sei denn, die Betroffenen können die durch die Erfassung im Verfassungsschutzbericht aufgestellte Vermutung widerlegen. Dazu braucht es nun aber keine zwei Minuten und es ist mir völlig unverständlich, warum das Finanzamt das nicht gesehen hat. Es gibt nämlich das Internet. Und da kann mann oder frau sich zum Beispiel die Ziele des VVN-BdA ansehen. Dort findet sich unter anderem, dass sich VVN-BdA stark macht für:

  • Die Vergangenheit vor Ort dem Vergessen entreißen
  • Neonazis, Rassisten und Antisemiten offen entgegentreten
  • Zivilcourage zeigen, nicht schweigen, sondern einschreiten
  • in Schulen und Universitäten Projektgruppen bilden, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Autorinnen und Autoren einladen, Geschichte erforschen
  • antifaschistische Ziele lautstark formulieren, zum Beispiel das Verbot aller faschistischen Organisationen
  • aktive Solidarität mit Migrantinnenen und Migranten üben
  • gemeinsam diskutieren, feiern und Freundschaft erleben

Das gefährdet voll die FDGO, den Rechtsstaat und die Demokratie. Ist ja offensichtlich. *Zynismus aus*

Der/Die Sachbearbeiter*in hätte auch einen kurzen Blick in den Online-Shop werfen können, um festzustellen, dass nichts aber auch gar nichts der Voraussetzungen des § 4 BVerfSchG erfüllt ist. Selbst ein Blick in die Satzung des Landesverbandes Bayern von VVN-BdA gibt nichts aber auch gar nichts her für einen Verstoß gegen § 4 BVerfSchG.

Gegen den Bescheid zum Entzug der Gemeinnützigkeit, soweit medial nachvollziehbar am 4. November 2019 zugestellt, kann Einspruch nach § 347 AO eingelegt werden, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe (§ 355 AO). Ich hoffe die über den Einspruch entscheidende Stelle sieht die Absurdität des Vorgangs und schafft das Problem schnell aus der Welt. Sie könnnte dazu auch einmal in Kommentare schauen, daraus ergibt sich, dass die Anwendung des § 51 Abs. 3 AO verlangt, dass jemand aufgrund der Satzung oder aufgrund der tatsächlichen Geschäftsführung Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt (vgl. Klein, AO, § 51, Rdn. 11). Um die Arbeitsfähigkeit der VVN-BdA nicht (noch mehr) zu gefährenden könnte übrigens eine Stundung der Nachzahlungsforderung nach § 222 AO erlaubt werden, mindestens bis endgültig rechtskräftig über den Entzug der Gemeinnützigkeit entschieden worden ist. Mindestens soweit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht entsprochen wird (§ 361 AO), was aber eigentlich angesichts des ganzen Sachverhalts eigentlich noch viel sinnvoller wäre.

Noch ein letzter Hinweis: Die Senatsverwaltung für Finanzen ist die oberste Behörde für die Finanzverwaltung in Berlin nach § 2 FVG. Diese leitet nach § 3 Abs. 2 S. 1 FVG die Landesfinanzverwaltung, zu der als örtliche Behörden (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4) die Finanzämter gehören (so auch Geschäftsverteilung des Berliner Senats, Punkt IV. 39). „Übergeordnete Behörden können nachgeordneten Stellen zur Durchführung ihrer Aufgaben allgemein oder für den Einzelfall Anweisungen erteilen.“ (Claus Weber, Creifelds kompakt, Rechtswörterbuch, Weisungsrecht).

Disclaimer: Ich habe gerade den Antrag auf Mitgliedschaft bei VVN-BdA ausgefüllt.

 

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