Eigentlich geht es doch gar nicht um den Veggie Day

Ich habe schon immer wenig Fleisch gegessen. Nur an Hackepeter konnte ich nicht vorbeikommen. Vor ca. 2 Jahren las ich dann ein ziemlich krasses Buch (Titel habe ich schon wieder vergessen) über Massentierhaltung und all das chemische Zeugs was so täglich mitverspeist wird. Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf Fleisch danach.  Es waren am Ende wohl eher diese Gründe, die mich zum Verzicht auf Fleisch beim Essen bewogen haben.

Ich trinke so gut wie keinen Alkohol. Wenn es hoch kommt, bekomme ich auf ein Jahr gerechnet auf 1.5 Flaschen Rotwein und eine halbe Flasche Eierlikör. Das war in meiner Jugend natürlich anders. Da habe ich auch mal ordentlich tief ins Glas geschaut. Aber die alkoholfreien Getränke schmecken dann doch besser und der Magen bedankt sich auch.

Ich habe kein Auto mehr und fahre im Regelfall Fahrrad. Die Abschaffung des Autos war eine finanzielle Frage, denn im Verhältnis Aufwand und Nutzen wurde der Aufwand zu teuer. Der Versicherungsbeitrag war mir einfach zu hoch. Mal abgesehen davon, dass die Parkplatzsuche ein ewiges Elend war und ich mit dem Rad deutlich schneller bin. Wenn ich für irgendwelche Dinge doch ein Auto benötige, miete ich mir ein Auto oder werde von Freunden/innen unterstützt.

All das sind meine persönlichen Entscheidungen. Ich würde nie auf die Idee kommen anderen vorzuschreiben, was sie zu essen oder zu trinken und wie sie sich fortzubewegen haben. Mal ehrlich, natürlich würde ein Veggie Day in öffentlichen Kantinen, also ein Tag wo es nur fleischloses Essen im Angebot gibt, weder ein Verbot des Fleischessens noch sonst den „Untergang des Abendlandes“ bedeuten. Insoweit sollte die Kirche im Dorf gelassen werden.

Bei der Kritik am Veggie Day geht es zumindest mir um etwas anderes. Es geht -wie so oft- um die Frage der Türöffnerfunktion. Es gibt richtige, nachvollziehbare und berechtigte Gründe auf die Folgen des Fleischverbrauchs hinzuweisen und die Folgen von Massentierhaltung. Es gibt aber eben auch richtige, nachvollziehbare und berechtigte Gründen auf die Gefahren bei Alkohol hinzuweisen oder die Folgen des individuellen KfZ-Gebrauchs. Es gibt richtige, nachvollziehbar und berechtigte Gründe auf die Folgen des Genusses von Cola hinzuweisen. Es gibt richtige, nachvollziehbare und berechtigte Gründe auf den Bevölkerungszuwachs in der Welt zu verweisen.

Aber was folgt daraus? In der Logik des Veggie Day müsste der Konsum von Alkohol -jedenfalls ab einer bestimmten Menge- verboten oder mindestens eingeschränkt werden. Selbiges müsste im übrigen auch für das Rauchen gelten.  In der Logik des Veggie Day müssten Autos aus Innenstädten verbannt und alle Straßen zu Fahrradstraßen umgewidmet werden. In der Logik des Veggie Day müsste ein Tag ohne Cola in öffentlichen Kantinen gefordert werden. Und in der Logik  des Veggie Day  müssten es auch Vorschriften hinsichtlich der Mindestanzahl der zu zeugenden und gebärenden Kinder oder eben der Untersagung des Kinderbekommens geben.  Die entscheidende Frage ist doch, bis zu welchem Punkt darf der Staat sich mit Vorschriften in die private Lebensgestaltung einmischen und wann ist Schluss. Mein Problem mit dem Veggie Day ist einzig und allein, dass um der guten Sache willen -Sensibilisierung für die mit dem Fleischverbrauch verbundenen Probleme- zu Mitteln gegriffen wird, die sehr schnell missbraucht werden können.  Emanzipatorische, aufklärerische linke Politik sollte mit so wenig wie möglich Vorschriften und Vorgaben auskommen. Emanzipatorische, aufklärerische linke Politik sollte auf Überzeugung, Argumente und wegen mir auch Vorbildwirkung setzen, nicht aber auf den „Zwang zum Glück„.

12 Replies to “Eigentlich geht es doch gar nicht um den Veggie Day”

  1. Ein gut geschriebener Blog. Wie sagt man immer so schön? Was dem Einen sein Glück,ist dem Anderen sein Leid.
    Ich denke mal einfach diese Thematik sorgt für viel Wirbel,weil es eben wieder mal um Bevormundung aus der Politik geht. Und in diesen Fall,denke ich, ist die Fraktionsseite egal.
    Allerdings sollte man auch die wirtschaftlichen Folgen beachten. Ein Pächter einer Kantine in einen von körperlich schwer arbeitenden Betriebsteam, würde an so einen Tag wahrscheinlich seine Küche dicht lassen können. Die Einnahmen könnte er also auch vergessen. Ich bin Koch und ich gebe zu,Fleisch ist mein Gemüse. Wir kaufen aber nicht den unbedingt billigsten Ramsch,und wenn möglich von Bio Bauern denen wir vertrauen. Selbes gilt auch bei mir zu Hause.
    Der Mensch ist und bleibt biologisch nunmal ein Allesfresser . Ich habe Hochachtung vor Menschen die es schaffen glücklich und satt mit ständigen vegetarischen Essen zu leben , aber wie auch die meisten Menschen habe ich ein Problem mit Bevormundungen wenn’s um private Sachlagen geht.
    Darüber sollte die Politik mal sinnieren. Statt neuen ,unwichtigen Staub aufzuwirbeln,einfach mal erst die wichtigen Probleme lösen.

    Mit lieben Grüßen
    Mirko

  2. In der Logik des Veggie Day müssten einige Straßen einmal in der Woche für den Autoverkehr gesperrt werden. Vielleicht müsste es sogar sowas wie „autofreie Sonntage“ ein paar Mal im Jahr geben. Und das Rauchen in Kneipen müsste verboten werden. Und die Abgabe von (hartem) Alkohol an Jugendliche. Ist schon so? Ach was.

  3. alles richtig, till. das ist ja genau mein problem. wo fängt es an, wo hört es auf? was kommt als nächstes?
    überzeugen, werben aber nicht verordnen.

  4. Fleisch essen ist keine private Angelegenheit, weil andere Lebewesen dafür sterben müssen.

  5. Hallo Lindemann,
    dann wäre Blumen pflücken oder Bücher kaufen auch keine private Angelegenheit.

  6. Jetzt bleibt mal bitte schön beim Ausgangsbeitrag! Daran liegt der Blogbetreiberin sehr viel.

  7. Danke für den interessanten Beitrag. Ich kann diesen auch nachvollziehen und in vielerlei Hinsicht zustimmen. Nur am Ende würde ich es weniger zuspitzen: Der Weg von einem freiwilligen Veggie Day zum Verbot bzw. der Pflicht auf Kinderkriegen ist doch ein sehr, sehr langer. Im Endeffekt geht es in der Politik ja immer um die Abwägung von Rechten, die gegeneinander konkurrieren.

    Ich finde einen freweilligen Veggie Tag (und darum geht es ja, es ist ja eine „soll“-variante und per Gesetz verbieten kann man dies ja eh kaum), der von der Politik gefördert wird, durchaus keine schlechte Sache. Es geht ja eben darum, dass Bewusstsein geschaffen wird. Sie, Frau Wawzyniak, sind sicherlich ein politischer Mensch und haben daher wahrscheinlich proaktiv und „einfach so“ nach einem Buch über Fleischproduktion gegriffen und sich dann dagegen entschieden. Ich denke aber, dass die weit überwiegende Mehrheit nicht so proaktiv vorgeht, daher finde ich solche Denkanstöße nicht unbedingt verkehrt. Alleine durch die Diskussion jetzt ist doch ein gewisses Bewusstsein entstanden, dass Fleischessen eigentlich Luxus ist.

    Ich finde, dass zu einer emanzipatorischen linken Politik auch gehört, die Leute dort abzuholen, wo sie stehen. Und da bringt es halt wenig, mit einem 500-seitigen wissenschaftlichen Werk über die Folgen des Fleischkonsums zu wedeln, sondern eher mit einer kurzen, praktischen Aktion, die auch einfach vermittelt: Auch fleischloses Essen kann lecker sein.

    Ich lehne ihre Sichtweise aber gar nicht ab, sondern möchte dies nur als Ergänzung verstanden haben. Ich denke durchaus, dass ihre Sicht der Dinge mit weniger Zwang und mehr Aufklärung eine valide Ansicht ist. Vielleicht gäbe es auch effizentere und bessere Mittel, die Menschen davon zu überzeugen, als einen Veggie Day – Dann sollte man dies auch tun. Momentan würde ich aber sagen, dass ein freiwilliger Veggie Day der effizienteste Weg ist, um Menschen aufzuklären und ein bewusstsein zu schaffen.

  8. lieber dirk,

    danke für deinen kommentar. tatsächlich war es so, dass das buch eine empfehlung gewesen ist. was die aufklärung angeht, hast du sicherlich recht, ich erinnere mich an einene ziemlich krassen tatort der in einer schlachterei -zum teil jedenfalls- spielte. das empfand ich als richtig gute aufklärung.

    unsere vermutlich einzige differenz besteht wohl darin, dass ich die grünen durch das „sollte“ so verstanden habe, dass es gerade nicht um freiwillig geht, sondern das dies in öffentlichen kantinen so sein soll. im juristendeutsch heißt das, es müssen besondere gründe für eine ausnahme vorgetragen werden. sinnvoller wäre aus meiner sicht zum festzulegen, dass es in öffentlichen kantinen mindestens ein vegetarisches/veganes gericht gibt. also anreize statt verknappung :-). was ich mir auch vorstellen könnte wäre, dass die kantinennutzer/innen selbst entscheiden, ob sie einen solchen tag haben wollen.

  9. Dass so sein oberlehrerhafter „Vorschlag“ nach einem zwingenden Gemüsetag pro Woche von den Grünen kommt, ist nicht verwunderlich. Sie bleiben ihrer besitzbürgerlichen Herkunft treu: Wasser predigen und in der Toskana Wein saufen. Schließlich sitzen die Grünen an den prallgefüllten Fleischtrögen des Parlamentarismus und des öffentlichen Dienstes. Darin gleichen sie übrigens den katholischen Pfaffen, die einst einen „fleischlosen“ Tag einführten und dann an diesem Tag Fisch aßen, weshalb in katholischen Gegenden bis heute freitags ein Fischtag ist.

    Die Massentierhaltung und -verwertung geht in den industrialisierten Ländern mit der Zunahme der Bevölkerung einher. Das ist schon lange ein Problem, wie Upton Sinclair in seiner Reportage von 1906 über die Verhältnisse an den Chicagoer Schlachthöfen schrieb.

    In den 1970ern veröffentlichte Frances Moore Lappe ihre Bücher „Die Öko-Diät“ und „Vom Mythos des Hungers“ , worin sie die Ursachen des Hungers darlegt und Alternativen aufzeigt.

    Bei all dem muss man allerdings auf dem Teppich bleiben. Schließlich werden wir von den Essgewohnheiten unserer Vorfahren biologisch geprägt, das heißt, mehr oder weniger festgelegt. Das schüttelt man nicht so einfach ab, ohne sich große gesundheitliche Probleme einzuhandeln. Darüber schreibt der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer schon seit Jahren. Gesund ist, was einem bekommt.

    http://www.zeit.de/lebensart/essen-trinken/2013-06/ernaehrung-diaeten/komplettansicht

    Leider gibt es heute keine guten und preiswerten populärwissenschaftlichen Zeitschriften mehr, wie früher die „Wissenschaft und Fortschritt“ wo Mythen systematisch widerlegt und zerlegt wurden. Das war wirkliche Aufklärung.

  10. Generell wirken die bestgemeinten Vorsätze kontraproduktiv, wenn sie oberlehrerhaft und umerziehend vorgetragen werden.
    Mal angenommen, die Grünen kämen an die Regierung (in welcher Koalition auch immer) und würden dann Dinge umsetzen wie z.B. ein bundesweites totales Rauchverbot in der Öffentlichkeit und saftige Preissteigerungen für die Solarstromulage (bedeutet jetzt schon Hiobsbotschaften für die Verbraucher: http://tinyurl.com/m2nuhy9 ).
    2017 könnte in der Bevölkerung eine extreme Anti-Öko-Stimmung herrschen…

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