Es tagt

… das Bundesverfassungsgericht. Heute zur Frage, ob der Regelsatz für Kinder bei Hartz IV verfassungswidrig ist. Viel ist darüber geredet worden und auch geschrieben. Der Regelsatz für Erwachsene -an dessen rechtmäßigem Zustandekommen es durchaus auch Zweifel gibt- wurde einfach mal pauschal gekürzt. Welch Absurdität? Und welche Absurdität, dass die Bundesregierung immer noch behauptet, der Regelsatz sei ausreichend. Wer sich das Zustandekommen der Regelsätze ansieht, wer die pauschalen Kürzungen berücksichtigt, der/die kann sich ob solcher Argumentationen nur an den Kopf fassen.  Bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht eine weise Entscheidung fällt, die wenigstens ein klein wenig mehr an Gerechtigkeit ermöglicht. Gerechtigkeit an sich ist wohl nur mit Überwindung des Systems Hartz IV zu erreichen, mit einer sanktionsfreien Mindestsicherung.

Nicht direkt mit der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu tun hat folgender Veranstaltungshinweis: http://www.rosalux.de/cms/?id=19793 Gerade im Wahlkreis 84 ein wichtiges Thema, wo es nach vernünftigen und radikalden Gegenstrategien schreit.

2 Replies to “Es tagt”

  1. es ist erstaunlich, dass gerade eine juristin den begriff „gerechtigkeit“ verwendet. meines wissens kommt der nämlich in der rechtssprechung (auch nicht im zusammenhang mit hartz IV) gar nicht vor. in den gesetzestexten ist (stattdessen?) lediglich von „recht“ die rede. das problem ist nämlich: wollte man den begriff „gerechtigkeit“ in den juristischen sprachgebrauch übernehmen/einführen, müsste man ihn (zunächst einmal) definieren, was angesichts des schwammigen und inflationären gebrauchs in der alltagssprache schwierig sein dürfte (und welcher politiker oder jurist möchte sich diese zusätzliche arbeit (des definierens) schon aufhalsen? die betreiberin dieses blogs mal ausgenommen), ganz abgesehen von der über 2000-jährigen philosophiegeschichte (man beachte allein die länge des wikipedia-beitrags über gerechtigkeit), die ja allein schon von fast jedem sogenannten „arbeitsvermittler“ ignoriert wird. apropos arbeitsvermittler… deren ziel ist ja ganz offiziell, jeden arbeitslosen mehr oder weniger in arbeit zu kriegen. doch zu welchem preis? wenn jeder arbeitslose arbeit hat, sind die arbeitsvermittler bzw. sämtliche beschäftigten der arbeitsagentur arbeitslos. und das können die nicht wollen. die brauchen arbeitslose. jeder machthaber braucht untergebene, die seine macht legitimieren. wenn aber alle an der macht teilhaben, gibt es keine macht(haber) mehr. so einfach ist das.

  2. Guten Tag,

    am 20. Oktober 2009 wurde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene (!) und Kinder (!) verhandelt. Ich bin, mit meiner Familie, einer der Kläger gegen die Hartz-IV-Regelsätze insgesamt, möchte kurz über den Termin informieren, einige Medieninfos dazu tun, darauf hinweisen, was man/frau nun als Betroffene/r weiter tun kann – und ich möchte Mut machen, sich zu wehren!

    Es war ein interessantes Erlebnis, und, was selten ist, ich durfte dort, einschließlich Schlußwort, auch selbst vortragen – und die hohen Bundesverfassungsrichter haben mir mit Interesse zugehört, und oft die von mir aufgeworfenen Fragen dann, oft sehr spitz formuliert, an die Vertreter der Bundesregierung gestellt, die meistenteils nicht antworten konnten und sich in Wortblasen ergingen… 😉

    Folgendes wäre wichtig zu wissen für jene LeserInnen hier, die selbst Hartz-IV beziehen:

    1. Laut Präsident des BVerfG, Prof. Dr. Dr. H.-J. Papier, der den Vorsitz der Verhandlung innehatte, geht es ganz klar und eindeutig und, wie er sagte, „entgegen einigen Pressemitteilungen“ sowohl um die Regelsätze für Erwachsene und somit auch den gesamten Hartz-IV-Eckregelsatz (§ 20 Absätze 1,2,3 SGB II), als auch um die Regelsätze für Kinder § 28 SGB II).

    2. Das BVerfG – auch dies wurde gleich zu Anfang gesagt – sieht durch Hartz-IV die Menschenwürde gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verletzt. Das ist schwerwiegend.

    3. Die Bundesregierung, die mit 28 Ministerialbeamten und deren Mitarbeitern, insgesamt rund 40 Leuten, angereist war, war nicht nur nicht in der Lage, dem BVerfG die rechtskonforme Bemessung der Hartz-IV-Regelsätze nachzuweisen, sondern blamierte sich, zusammen mit dem Bundesstatistikamt, dessen Vertreter dort auch vortrugen, bis auf die Knochen, weil man versuchte, die Richter des BVerfG durch vollmundiges langes Vortragen (das Magazin DER SPIEGEL nannte es „Geschwurbel“) zu täuschen – und die Richter liessen das nicht mit sich machen, und liessen dies die Vertreter der Bundesregierung auch deutlich mit regelrechtem, zwar höflichen, dafür aber umso schärferem Spott spüren.

    4. Mehrere Sozialverbände und der Deutschen Sozialgerichtstag zogen nach der Mittagspause in der Verhandlung ihre bisherige Zustimmung zu den Hartz-IV-Regelsätzen zurück und begründeten, daß der vor der Mittagspause von der Bundesregierung geäußerte Sachverhalt bei den Verbänden und dem Deutschen Sozialgerichtstag für schwere Bedenken betreffend die Verfassungskonformität und Rechtmäßigkeit der Bemessung der Hartz-IV-Regelsätze gesorgt habe.

    5. Meine Wenigkeit und meine hiesigen Mitstreiter gehen nach der Verhandlung beim BVerfG am 20. Oktober 2009 felsenfest überzeugt davon aus, daß das Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Regelsätze insgesamt, also sowohl für Kinder, wie auch für Erwachsene, in einigen Monaten für verfassungswidrig erklären wird wegen nicht erfolgter Bemessung der Regelsätze und wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde eben dieser Regelsätze und deren Einführung durch die Bundesregierung.

    6. Wir hier (Erwerbsloseninitiative ARCA Soziales Netzwerk e.V., deren 1. Vorsitzender ich bin) empfehlen dringend, vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die hier bereits genannten Überprüfungsanträge gemäß § 44 SGB X zu stellen, die es an mehreren Orten im Internet und auch bei uns gibt (bitte per eMail anfragen). Nochmal: bis zum Urteil des BVerfG kann jede/r Betroffene/ einen Überprüfungsantrag stellen, um sich Nachzahlungen zu sichern. Ebenso haben die Kollegen von Tacheles http://www.tacheles-sozialhilfe.de entsprechende Infos parat.

    Also: wehrt Euch, Leute, nur Mut, denn es lohnt sich!

    Eine sehr sachliche Stellungnahme zum Termin am 20. Oktober 2009, verfasst von Erwin Denzler, der viel bei Tacheles aktiv ist, findet sich hier:

    Erwin Denzler
    http://www.400-euro.de/bverfg.html

    In den Medien – durchweg positiv – gab es auch einiges:

    DIE ZEIT:
    http://www.zeit.de/politik/2009-10/hartz-IV-gericht?page=1

    Süddeutsche Zeitung:
    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/372/491736/text/
    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/358/491722/text/

    DER SPIEGEL:
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,656402,00.html
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,656118,00.html

    NEUES DEUTSCHLAND:
    http://www.neues-deutschland.de/artikel/157789.ein-menschwuerdiges-dasein.html

    FTD:
    http://www.ftd.de/politik/deutschland/:milliardenrisiko-karlsruhe-ruettelt-an-hartz-iv-saetzen/50026197.html

    stern:
    http://www.stern.de/wirtschaft/news/maerkte/hartz-iv-vor-dem-bundesverfassungsgericht-359-euro-grob-geschaetzt-1515856.html

    TELEPOLIS:
    http://www.heise.de/tp/blogs/5/146396

    TACHELES Harald Thomé:
    http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/HartzIV_Verfassungsgericht.aspx

    FAZ:
    http://faz-community.faz.net/blogs/wort/archive/2009/10/20/dauerbaustelle-hartz-iv.aspx

    Stuttgarter Zeitung:
    http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2246244_0_9223_-hartz-iv-karlsruhe-fragt-nach-der-menschenwuerde.html

    Rheinpfalz.de:
    http://www.rheinpfalz.de/cgi-bin/cms2/cms.pl?cmd=showMsg&tpl=rhpMsg_thickbox.html&path=/rhp/welt/thema&id=HINTERGRUND091020152123.3p8zdqog

    TAGESSCHAU.de:
    http://www.tagesschau.de/inland/interviewmoellerhartziv100.html

    Tagesspiegel:
    http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Hartz-IV-Existenzminimum;art122,2928683

    TLZ:
    http://www.tlz.de/tlz/tlz.wirtschaft.volltext.php?zulieferer=afp&redaktion=afp&dateiname=Z719AKF271768.csv&kategorie=&catchline=%2Fspezial%2Farbeit_ausbildung&other=&dbserver=1

    Falls nun jemand fragt, warum es in den regulären Medien keine Interviews von mir gibt, ist die Antwort ganz einfach: ich habe in Karlsruhe und auch davor und danach sämtliche Medieninterviews verweigert, denn es geht nicht um mich als Person, sondern um Millionen von Hartz-IV-BezieherInnen und deren Kindern. Meine Person ist da völlig irrelevant.

    Ich habe mich lediglich hier geäußert (PDF-Dateien):
    http://www.hartz4-plattform.de/images/Interview_09.10.09.pdf
    http://www.hartz4-plattform.de/images/Interview_BVerfG_14.10.09.pdf

    Liebe Leute, als auch von Hartz-IV Betroffener kann ich Euch nur empfehlen: haltet den Kopf oben, wehrt Euch – und haltet zusammen, denn gemeinsam geht vieles besser!

    Beste Grüße
    Thomas Kallay,
    einer der Kläger gegen Hartz-IV
    vor dem Bundesverfassungsgericht
    am 20. Oktober 2009

    c/o
    ARCA Soziales Netzwerk e.V.
    An den Anlagen 8a
    37269 Eschwege
    Tel.: 05651-754706
    eMail: arca.sozial-eschwege@gmx.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert