Gemeinnützigkeit

Die Gemeinnützigkeit ist in aller Munde. Dabei geht es zum einen um den Entzug der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA und zum anderen um die von Attac und Campact. Rechtlich beruht dies auf verschiedenen Regelungen in der Abgabenordnung. Bei der VVN-BdA geht es um § 51 Abs. 3 S. 2 Abgabenordnung (AO), bei Attac und Campact geht es um § 52 AO.

Was hat es nun  mit der Gemeinnützigkeit und insbesondere mit der Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung auf sich? Im Jahr 2006 gab es ein Gutachten zum Thema abgabenrechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zwecke beim Bundesministerium für Finanzen. Dort heißt es unter anderem:

„Ein wesentliches Organisationsmerkmal der Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinn ist der Verzicht auf eigennützige Gewinnverwendung. Diese Selbstverpflichtung, durch die sich die gemeinnützigen Körperschaften vor allem von der gewinnorientierten Privatwirtschaft unterscheiden, ist nach der Abgabenordnung das wesentliche Kriterium für die Gewährung bedeutender steuerlicher Privilegien.“ 

Es wird darauf hingewiesen, dass der § 52 Abs. 2 AO eine nicht abschließende Aufzählung beinhaltet (S. 10).  Demnach dürfte es ja eigentlich keine Probleme mit der Gemeinnützigkeit von z.B. Attac und Campact geben. Doch das sah der Bundesfinanzhof anders. Dazu gleich mehr.

Überraschend kommt das Urteil des Bundesfinianzhofes allerdings nicht. Im Anwendungserlass zur Abgabenordnung aus dem Jahr 2014 (soweit ich recherchieren konnte, gibt es keinen neueren Anwendungserlass in Bezug auf die hier zu betrachtenden Paragrafen), steht ähnliches. Zum § 52 Abgabenordnung (AO), der die Gemeinnützigkeit allgemein definiert, heißt es dort:

Die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft setzt voraus, dass ihre Tätigkeit der Allgemeinheit zugute kommt (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO). Dies ist nicht gegeben, wenn der Kreis der geförderten Personen infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO).“

Nach der Ziffer 2 des Anwendungserlasses soll es sich bei Abs. 2 des § 52 AO „grundsätzlich um eine abschließende Aufzählung gemeinnütziger Zwecke“ handeln. In Ziffer 2.6. wird klargestellt, dass der Absatz 2 die Möglichkeit eröffnet Zwecke auch dann als gemeinnützig anzuerkennen, wenn sie nicht unter den Katalog des Absatz 2 Satz 1 fallen. Insoweit ist aber eine bundeseinheitliche Abstimmung erforderlich. Hinsichtlich der Debatte um Organisationen wie Attac oder Campact ist die Ziffer 8 des Anwendungserlasses interessant:

„Eine steuerbegünstigte allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist nur dann gegeben, wenn sich die Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt. Ist hingegen Zweck der Körperschaft die politische Bildung, der es auf der Grundlage der Normen und Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie um die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins geht, liegt Volksbildung vor. Diese muss nicht nur in theoretischer Unterweisung bestehen, sie kann auch durch den Aufruf zu konkreter Handlung ergänzt werden. Keine politische Bildung ist demgegenüber die einseitige Agitation, die unkritische Indoktrination oder die parteipolitisch motivierte Einflussnahme (BFH-Urteil vom 23.9.1999, XI R 63/98, BStBl 2000 II S. 200).

Noch deutlicher wird es in Ziffer 15 des Anwendungserlasses:
Politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien u. dgl.) zählen grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken i.S.d. § 52 AO.“

Genau hier scheint mir das grundsätzliche Problem zu liegen. Wenn ich das demokratische Staatswesen fördere oder politische Bildung mache, kannn ich gar nicht anders, als einseitig agitieren. Oder wie soll sonst gegen Demokratiefeinde, die Zerstörung der Umwelt oder Ungerechte Wirtschaftsweisen aufgeklärt werden? Wie bereits geschrieben, wurde diese Linie vom Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Januar 2019 noch einmal bestätigt. Konkreter sogar verschärft:

„Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO.“

Der BFH sagt damit nichts anderes, als dass die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung nicht steuerbegünstigt ist und damit nicht gemeinnützig. Dieses Verdikt ist demokratietheoretisch höchst bedenklich. Dieses Verdikt legt nämlich Verfolgung politischer Interessen in die Hände von Parteien und in die Hände derjenigen, die es sich leisten können. Bürger*innen, die sich engagieren, einen Verein gründen und Spenden einsammeln, werden benachteiligt, da die Spenden steuerlich nicht absetzbar sind.

Aus meiner Sicht scheint die vom Bundesfinanzhof getroffene Entscheidung eine Einengung des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG zu sein. Da heißt es nämlich, die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit, nicht:  Den Parteien obliegt -allein- die Mitwirkung an der politischen Willensbildung. Die Parteien haben ausdrücklich keine Monopolstellung bei der politischen Willensbildung (vgl. BeckOK, GG, Art. 21). Das Bundesverfassungsgericht formulierte konkret im Hinblick auf Parteien:

„Zwar haben sie kein Monopol, die Willensbildung des Volkes zu beeinflussen. Neben ihnen wirken auch die einzelnen Bürger sowie Verbände, Gruppen und Vereinigungen auf den Prozeß der Meinungs- und Willensbildung ein.“ (BVerfGE 85, 264/284) 

Aber es geht noch weiter. Im Hinblick auf die Förderung der Bildung kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass sich bei Förderung der Volksbildung „die Einflussnhame auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken hat„. Hinsichtlich der politischen Bildung wird darauf verwiesen, dass dies sich in geistiger Offenheit vollzieht und nicht förderbar ist, „wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen„.

Der BFH verfolgt demnach -zumindest finanzpolitisch- ein Verständnis von Politik, dass sich allein auf Parteien und finanzwirksame Akteuere stützt, zivilgesellschaftliches Engagement aber de facto unmöglich macht. Tatsächlich bezieht sich der BFH in Randnummer 8 auch zur Abgrenzung auf § 1 Parteiengesetz. § 1 Parteiengesetz wiederum basiert auf Art. 21 GG und kann diesen nicht einschränken. Im Gegenteil, der § 1 Abs. 2 Parteiengesetz spezifiziert die Aufgaben, die den Parteien obliegen.
Wenn nun derzeit über eine Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts in der Abgabenordnung -by the way: ich konnte den entsprechenden Gesetzes- oder Referentenentwurf nirgendwo finden- gesprochen wird, wäre neben der notwendigen Änderung des § 51 AO auch bei § 52 AO eigentlich nur notwendig eine Ergänzung vorzunehmen und schon wäre das Problem erledigt. Einfach eine Nr. 26 einfügen:
die Mitwirkung an der politischen Willensbildung ohne Förderung einer politischen Partei durch Beförderung des politischen Engagements
Damit wäre zweifelsfrei festgestellt, dass die Mitwirkung an der politischen Willensbildung durch Beförderung des politischen Engagements gemeinnützig ist. Was denn sonst? Und es wird ausgeschlossen, dass die Mitwirkung an der politischen Willensbildung durch Beförderung politischen Engagements dann nicht gemeinnützig ist, wenn sie eine politische Partei fördert. Damit wird ausgeschlossen, dass die strengen Regelungen des Parteiengesetzes umgangen werden.

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