Kleines Lehrstück über einen Fake und Paranoia

Samstag früh werde ich nacht Stuttgart fahren. Nicht mit dem Bus, sondern mit dem Zug. Die Tickets dafür habe ich vor über einer Woche gebucht. Es geht zur Sitzung der BAG FIP. Bevor ich zur BAG FIP etwas sage, will ich noch kurz erwähnen, dass ich ca. 5 Stunden hin fahren werde, 4 Stunden an einer inhaltlichen Debatte teilnehme und dann ca. 5 Stunden wieder zurück fahre. Bezahlen tut mir das keiner, will ich auch nicht, dass mir das jemand bezahlt.  (Bei der Gelegenheit allerdings will ich auf das Problme hinweisen, dass mittels dieser Art von Sitzung nur die Gutverdienenden an der ehrenamtlichen Arbeit teilnehmen können!).  Abstimmungen  über Anträge und Wahlen wird es während meiner Anwesenheit nicht geben.

Die BAG FIP ist eine Bundesarbeitsgemeinschaft der Partei DIE LINKE. Die Bundesarbeitsgemeinschaften sollen wie die Zusammenschlüsse die inhaltiche Arbeit der Partei unterstützen. Soll heißen, in ihnen arbeiten die Experten/innen und solche die es werden wollen auf speziellen Gebieten. Die BAG FIP gibt es seit vielen Jahren, zunächst in der Vorgängerpartei PDS. In ihr gibt es viele Arbeitskreise, die zu speziellen Themen arbeiten. So zum Beispiel Lateinamerika oder Afrika.

Seit Gründung der neuen Partei jedoch ist die BAG FIP ein Feld, welches von den Strömungen heftig umkämpft ist. Inhaltliche Arbeit findet nur sehr eingegrenzt statt, man versucht über Termin- und Ortsfragen Mehrheiten zu organisieren. Erinnert sei nur an eine legendäre Versammlung der Landesarbeitsgemeinschaft Berlin, bei welcher der Konferenzraum I im Karl-Liebknecht-Haus völlig überfüllt war und lauter Menschen erschienen waren, die zuvor und danach nicht wieder gesehen wurden. Worin der eigentliche inhaltliche Konflikt besteht, wird nur sehr mariginal erkennbar. Vielleicht ja darin, dass man nur „klassiche linke Themen“ bearbeitet und andere anstehende Fragen (Reform der UNO um ein Beispiel zu nennen) konsequent ausgespart bleiben. Die Arbeitskreise sind im Sprecherinnenrat nicht vertreten.

Soweit so gut oder eben nicht. Bei dem Treffen in Stuttgart stehen am Sonntag Wahlen an. Also geht die Mobilisierungsmaschinerie los. Alles muss nach Stuttgart. Dies wissend, habe ich -schon länger in meinem Kopf als Idee herumschwirrend- am Dienstag „versehentlich“ (wer glaubt eigentlich ernsthaft, das ich so bekloppt bin und nicht merke, dass ich den falschen Verteiler bediene, wenn ich 3 x klicken muss?)  eine Mail an einen großen Verteiler geschickt,. Ich wies darauf hin, dass ein Bus nach Stuttgart schon voll sei, damit die Refinanzierung sicher gestellt wurde und für den zweiten noch ein paar Plätze frei seien. Dies nur um wenige Minuten später hinterherzuschicken, dass ich leider den falschen Verteiler benutzt habe.

Ich würde ja skeptisch werden, wenn so eine Mail kommt, zumal -facebookleser wissen mehr!- ich mich schon beschwerte, dass die Zugfahrt so lang ist und Aufwand und Nutzen für die Veranstaltung in keinem Verhältnis stehen. Aber Skepsis kommt nicht vor wenn die Paranoia zuschlägt. Und sie schlug zu – fast wie erwartet setzte sich eine Lawine in Bewegung. Erst Mails und dann ein Anruf. Auf die Frage warum das so kurzfristig mitgeteilt wurde, teilte ich mit, dass es doch klar sei, es ginge schließlich um Mehrheiten auf der Versammlung.

Die für ihre unglaublich „seriöse“  Berichterstattung bekannte Tageszeitung junge welt kürte mich dann heute  gleich zur „Mobilmacherin“ des Tages. Spätestens als ich das las, kam ich aus dem Lachen nicht mehr heraus.  Aber immerhin hat der Autor in Satz 2 („Botschaften dieser Art sind eine Garantie, um bei bis dahin gleichmütigen Insassen des politischen Intrigantenstadls ungefähr die Aktivität eines aufgescheuchten Wespenschwarms auszulösen.“) erkennen lassen, das er eigentlich wissen müsste wozu solche Fakes gut sind. Und er war wohl auch nicht ganz überzeugt, dass es sich um eine wahre Mobilmachung handelt, wie die Formulierung “ vermeintliche“ nahelegt.  Die junge welt bemühte sich sogar in meinem Blog nachzulesen und meinen letzten Buchtip einzuarbeiten. Natürlich so, dass es ideologisch passt, etwas anderes wäre unter der Würde der jungen welt.  🙂

Die Paranoia treibt also so weit Blüten, dass ein Fake nicht mehr als solcher erkannt wird und gleichzeitig noch die Presse informiert wird. Warum auch immer. Vielleicht um „unmoralisches Verhalten“ zu geißeln, vielleicht um selbst Mehrheiten zu schaffen, es wird im Dunkeln bleiben.

Tut mir leid Genossen/innen, es gibt keine Busse, es gab keine Busse und ich habe auch keine Mehrheiten organisiert. Tut mir leid, wenn ich Euch organisatorischen Stress bereitet habe. Ich fahre zur FIP um mir die inhaltliche Debatte anzutun. Aber ich bin euch sehr dankbar dafür, dass ihr mir gezeigt habt, mit welch leichten Mitteln eure Paranoia bedient werden kann.

PS: Nur für die junge welt: Ich lese jetzt Joseph Fischers Biografie.

Blumen in Quito

One Reply to “Kleines Lehrstück über einen Fake und Paranoia”

  1. Die AG´s sind keine Expertenräte und sollen auch keine werden, sondern meiner Menung nach möglichst vielen Parteimitgliedern die Beteiligung an Debatten zu internationalen Themen ermöglichen.
    …und wenn´s nur ein Fake war, hätt´s ja wohl kein Dementi gebraucht. Oder ich versteh diese Art Humor nicht. Oder es ist keiner.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert