Macht- und Hilflosigkeit

Wenige Meter von meinem Büro entfernt protestieren erneut Flüchtlinge. Vor ca. einem Jahr hat sich Frau Böhmer noch mit den Flüchtlingen getroffen, jetzt werden sie ignoriert.

Fast täglich schaue ich bei den Flüchtlingen vorbei, aber richtig helfen kann ich nicht. Ich fühle micht macht- und hilflos. Ich kann nur dazu aufzurufen notwendige Dinge vorbeizubringen. Ich kann vor Ort signalisieren, dass ich die Forderungen teile. Aber mehr kann ich nicht tun. Ich muss zusehen, wie Menschen mittlerweile ihr Leben durch einen trockenen Hungerstreik (die Flüchtlinge trinken auch nicht mehr) aufs Spiel setzen.

Wer dort nunmehr in eine trockenen Hungerstreik getreten ist, dass kann man hier gut nachlesen.  In ihrem 2. Statement haben die Flüchtlinge darauf hingewiesen, dass sie die zweite Stufe ihres Protestes einleiten werden. Sie beklagen noch haben wir keine Vertretung der Regierung gesehen, welche bereit ist Position zu beziehen“. Möglicherweise wäre eine Gespräch der erste Schritt um den Hungerstreik wenigstens auszusetzen. Doch statt einen solchen Schritt zu gehen wird in meiner Timeline auf Twitter darüber diskutiert, ob der trockene Hungerstreik das angemessene Mittel ist.

Sorry, was das legitime Mittel ist, das müssen allein die Flüchtlinge entscheiden. Wir, also Menschen mit festem Aufenthaltsstatus oder Staatsbürgerschaft, haben nicht zu bewerten was legitim ist und was nicht. Denn wir befinden uns nicht in einer vergleichbaren Situation. Denken all jene, die die Flüchtlinge jetzt auf Grund ihrer Kampfmittel kritisieren auch nur eine Sekunde darüber nach, wie verzweifelt Menschen sein müssen, dass sie ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen?

Fakten über Asylbewerber/innen sind hier ganz gut zusammengetragen. Vielleicht beschäftigt sich der eine oder die andere Schlaumeier/in einfach mal mit der Situation von Asyluchenden und den Möglichkeiten überhaupt Asyl zu bekommen. Vielleicht beschäftigt sich der eine oder die andere mal mit den Fluchtursachen. Wissen die, die jetzt so schlau die Kampfmittel kritisieren, dass Asylverfahren eine Ewigkeit dauern? Wissen die, die jetzt so schlau die Kampfmittel kritisieren, dass die Residenzpflicht immer noch gilt, auch wenn es möglich ist sich innerhalb eines Landes zu bewegen (außer in Bayern und in Sachsen)? Wissen die, die jetzt so schlau die Kampfmittel kritisieren, wo Asylbewerber/innen wohnen und das sie nicht arbeiten dürfen? Wissen die, die jetzt so schlau die Kampfmittel kritisieren auf welche Art das Asylrecht 1993 beschnitten wurde? Und wenn ja, warum machen sie sich dann nicht stark für eine Änderung all dessen?

Selbst wenn mann/frau das alles nicht wissen will oder sogar richtig findet, ist es nicht einfach ein Gebot der Menschlichkeit mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen? Ist es zuviel verlangt ein Gespräch zu suchen, als einen möglichen erster Schritt sich des Problems der Flüchtlinge anzunehmen und damit möglicherweise auch den Hungerstreick zu beenden?

Andere Schritte sind nötig. Sicherlich. Da wäre die vollständige Aufhebung der Residenzpflicht zu nennen. Oder die Aufhebung der Dublin II-Verordnung, mit welcher das deutsche Asylsystem der sog. sicheren Drittstaaten auf Europa übertragen wurde. Auch das Asylrecht muss geändert werden. Es muss gelten: Offene Grenzen für Menschen in Not.

Doch das sind die nächsten Schritte. Der erste Schritt wäre, zu den zu Flüchtlingen gehen und mit ihnen reden. Es sind Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen. Mir scheint, dass wird leichtfertig vergessen.

11 Replies to “Macht- und Hilflosigkeit”

  1. Macht- und Hilflos fühlt man sich häufig in vielen verschiedenen Situationen, man lernt, dies auszuhalten, ohne dabei menschenverachtend zu werden, aber auch, ohne sich für das Elend auf der Welt in eine moralische Haft nehmen zu lassen, denn vor allem das macht einen hilflos und das soll es auch. Die katholische Kirche nutzt das von ihr bei den Menschen erzeugte schlechte Gewissen bereits seit fast 2000 Jahren sehr erfolgreich. Dieses Muster wird daher mittlerweile auch von anderen genutzt und ausgenutzt.

    In der FAZ heißt es u.a. deshalb:

    „Mehr Flüchtlinge bei uns? Wie viele sind genug? Ab welcher Anzahl lassen die Schuldgefühle nach? Aus einem afrikanischen Land ist nicht bekannt, dass dort staatliche Trauerfeiern für die Ertrunkenen stattfanden.“.

    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/debatte-ueber-fluechtlingspolitik-die-toten-von-lampedusa-12615300.html

    Es scheint nun notwendig zu sein, sich einzeln vor Augen zu halten, was da alles miteinander vermischt wird.

    Die Gründe für Exil, Emigration und Flucht sind vielfältig. Und vor allem in den Ländern zu suchen, aus denen die Menschen wegwollen.

    In der TAZ heißt es dazu:

    „Die ärmsten Menschen der Welt können gar nicht wandern, sie haben weder die Mittel noch die Kraft, auch nur 50 Kilometer weit zu kommen“, sagt Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn. „Es ist vor allem die untere Mittelschicht, die emigriert. Ihre Motivation ist eine ganz andere als bei den Ärmsten. Sie wollen ihr Glück woanders suchen, suchen für sich und ihre Kinder eine bessere Zukunft.“

    http://taz.de/Fluechtlingsunglueck-vor-Lampedusa/!125292/

    Harald Martenstein schreib u. a. im TSP:

    „… Ihr Traum [der, der Afrikaner] ist es, eine Arbeit in Europa zu finden, eine Existenz zu gründen, mit Wohnung, vielleicht mit Auto, mit all dem, was für einen durchschnittlichen Deutschen […]“

    vergisst aber die notwendige Ergänzung:

    bis in die 1980er und lange vor der Agenda 2010, den Niedrigst- und Hungerlöhnen, den ‚Tafeln‘ und ‚Suppenküchen‘ selbstverständlich war.

    http://www.tagesspiegel.de/meinung/fluechtlinge-aus-afrika-wir-wuerden-es-genauso-machen/8925288.html

    Stefan Klein schreibt u.a. in der SZ:

    „… Aber es sind natürlich auch die Unbequemen und die Rebellischen [Afrikaner, die in Booten nach Europa übersetzen], und die sehen Afrikas Herrschende nur zu gerne ziehen. …“

    http://www.sueddeutsche.de/politik/afrikanische-fluechtlinge-und-europa-lehren-aus-lampedusa-1.1793290

    Helon Habila aus Nigeria schreibt u.a. im Freitag:

    „… Die Afrikanische Union hat nicht erklärt, was sie zu tun gedenkt, um den Opfern zu helfen oder solchen Katastrophen entgegenzuwirken. … Wie auch immer, solche Fernsehbilder sind nicht die Art von Erzählung, mit der sich Afrika gerade befassen möchte. Politiker, Geschäftsleute, aufstrebende Mittelschicht und junge Hoffnungsträger wollen lieber über Afrikas Wirtschaftswachstum reden, derzeit das rasanteste in der Welt, und darüber, wie sich Investoren anlocken lassen. … Oder über die steigende Zahl von Milliardären – allein in Nigeria gibt es schon über 20. …“

    http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/afrika-schweigt

    Damit man hier nicht zu kurz springt und damit schnell über das von den Medien hingehaltene Stöckchen des westlichen Kolonialismus und „unserer Verantwortung“ [wie eine immerwährende moralische Erbschuld und Sippenhaft], muss man jeweils in die Geschichte der Länder zurückgehen. Dort wird man vor allem bezüglich Afrika über die jahrtausendalte und bis in die Gegenwart stattfindende Versklavung von afrikanischen Menschen durch afrikanische und arabische Menschen und den Islam etwas lernen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Sklaverei#Sklaverei_in_Afrika

    http://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_im_Islam

    Wer es unter den veränderten Bedingungen auf der Welt zu uns nach Deutschland geschafft hat, kann zumindest politisches Asyl beantragen. Und demgemäß hier bei uns ihm eingeräumte bestimmte Rechte wahrnehmen, was ihm bezüglich seiner Rechte in seiner Heimat ja verwehrt wird. Die Unterbringung von Flüchtlingen war in der ganzen Welt nie besonders gut, auch in Deutschland nicht, wovon die ältere Generation berichten kann. Man kann aber nicht sagen, dass hier nichts getan wird und deshalb die helfende Hand zurückweisen oder gar nach ihr schlagen. Und dann auch noch unangemessene Forderungen stellen und etwas erzwingen wollen. Meist mit moralischem Druck verbunden. Wer so etwas tut, weiß ganz genau, was er tut.

    Zur Residenzpflicht der Asylsuchenden mag man mal den für Deutsche geltenden und bei Wohnungslosen aber auch und insbesondere bei den unter das Kuratel des SGB II Gestellten [die sich bei Androhung von Strafte ohne vorherige behördliche Genehmigung nicht aus dem Tagespendelbereich bewegen dürfen] praktisch angewandten Artikel 11 des GG lesen:

    „Art 11

    (1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
    (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.“

    Und natürlich lassen sich die Behörden nicht erpressen, von niemandem. Und das aus gutem Grund. Denn das allein hält eine staatliche Ordnung aufrecht. Wer das infrage stellte, stellt das Grundgesetz infrage. Insbesondere den Artikel 20

    „Art 20

    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

    Wer die staatliche Ordnung in Deutschland infrage stellt, gucke sich mal die Länder an, in denen es keine staatliche Ordnung gibt und aus denen die Menschen deshalb fliehen. Wer als Asylsuchender in Deutschland die staatliche Ordnung infrage stellt, muss sich fragen lassen, warum er gerade zu uns gekommen ist.

  2. ich sehe vieles anders, glaube aber nicht, dass wir mit einer debatte weiterkommen

  3. Uwe, Uwe, … „Und natürlich lassen sich die Behörden nicht erpressen, von niemandem.“
    Es macht mich nachdenklich, dass du hier von juristischen Personen, den Behörden, sprichst, während wir uns um natürliche Personen, die Flüchtlinge, kümmern sollten. Und mit wir meine ich sowohl natürliche als auch juristische Personen Deutschlands. Da hungern Menschen, falls du es nicht mitbekommen haben solltest.

    Woher nimmst du das mit der Erpressung?
    Versuche doch mal den Hungerstreik der Flüchtlinge als Hilfeschrei zu sehen. Als verzweifelten, letzten Versuch menschlich behandelt zu werden. Vielleicht hatten sie die Hoffnung, dass sie hier als Menschen wahrgenommen werden, weil sie in ihren Heimatländern nicht (frei) leben können … diese Leute sind nicht so dümmliche „Goodbye Germany-„Auswanderer, die zu blöde sind die Sprache ihres Ziellandes zu lernen, sondern Flüchtlinge! Siehe Duden: Flüchtling = Person, die aus politischen, religiösen, wirtschaftlichen oder ethnischen Gründen ihre Heimat eilig verlassen hat oder verlassen musste und dabei ihren Besitz zurückgelassen hat. Nur mal, um dir das vielleicht ins Gedächtnis zu rufen.

    „Wer die staatliche Ordnung in Deutschland infrage stellt, gucke sich mal die Länder an, in denen es keine staatliche Ordnung gibt und aus denen die Menschen deshalb fliehen. Wer als Asylsuchender in Deutschland die staatliche Ordnung infrage stellt, muss sich fragen lassen, warum er gerade zu uns gekommen ist.“
    Als Asylsuchender und Flüchtling hast du vor deiner (eiligen!) Abreise aus deinem Heimatland sicher die Zeit und Möglichkeit dich über die staatliche Ordnung potenzieller Zielländer zu informieren, wa? Mitnichten. Wenn du dann voller Hoffnung endlich in Deutschland ankommst (und das ist ja schon ein weiter Weg bis Deutschland, vielleicht warst du in anderen Ländern auch schon nicht willkommen und bist schnell weiter gezogen!), wirst du weiterhin getriezt. Die erhoffte Menschlichkeit gibt es auch in Deutschland nicht, weil Behörden über dich und deinen Aufenthaltsstatus entscheiden und sie dich mit zahllosen anderen Flüchtlingen in Heime stecken. Hoffnung? Menschlichkeit? Akzeptanz? Ein besseres Leben? Mitnichten.

    Lieber Uwe, kannst du dir vorstellen zu hungern? Kannst du dir vorstellen so lange zu hungern, dass dein Kreislauf zusammen bricht? Kannst du dir vorstellen, dass all das niemanden interessiert? Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn die Behörden laut Aussagen der Bürger des Landes genau das Richtige tun?

    Ach und Uwe, sprich bitte nicht von Erpressung. Wieder mal auf den Duden verweisend: Erpressung = von Drohungen oder Gewaltmaßnahmen begleitete oder damit durchgesetzte Forderung.
    Die Flüchtlinge drohen nicht, nein, sie hungern tatsächlich bis zur körperlichen Erschöpfung … aber Hauptsache die Behörden lassen sich nicht „erpressen“ …

    Und, weil du ja so viele Links in deinem Kommentar hast, ich hab auch noch einen für dich:
    http://www.tagesspiegel.de/berlin/asylbewerber-aus-palaestina-ich-gehe-nicht-nach-hellersdorf-zurueck/8688272.html

  4. Pingback: Blog von Halina Wawzyniak, MdB, DIE LINKE

  5. @JUKE 19. OKTOBER 2013 UM 20:51

    Jedem Menschen, der hier in Deutschland öffentlichkeitswirksam mit Selbstmord (z.B. mittels „Sprung von der Brücke“ oder eben „Hungerstreik“) droht, muss geholfen werden. Damit erpresst er die zur Hilfe verpflichteten (siehe Unterlassene Hilfeleistung) Behördenvertreter nicht nur zur Hilfe, sondern oft zu Gesprächen mit Presse, Parlamentariern oder Regierungsmitgliedern, die sonst so oder gar nicht mit ihm geführt werden würden.

    Die Berliner Senatorin Dilek Kolat und der SPD Bundestagsabgeordnete Rüdiger Veit sicherten den hungerstreikenden Asylsuchenden gar zu, dass ihre politischen Forderungen Gegenstand der Koalitionsverhandlungen werden würden.

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/protest-am-brandenburger-tor-fluechtlinge-brechen-hungerstreik-ab/8957934.html

    Dass ein Hungerstreik und andere Formen des Widerstands etwas bewirken können, zeigte im positiven Sinne Mahatma Gandhi. „Gandhi war der politische und geistige Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung im 20. Jahrhundert, die 1947 mit gewaltfreiem Widerstand, zivilem Ungehorsam und Hungerstreiks das Ende der britischen Kolonialherrschaft über Indien herbeiführte.“ (Wikipedia)

    Es geht um die Macht der Bilder, die häufig darbende und ausgemergelte Kinder und alte Menschen zeigen, nicht aber junge und kräftige Asylsuchende, die sich hier in Deutschland „ihren Platz“ schlicht und ergreifend erzwingen wollen, auch gegen den Widerstand der angestammten Bevölkerung, die durchaus begreift, was da sich vor ihren Augen abspielt.

    http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-aus-afrika-lampedusa-koennte-zu-einem-weckruf-in-letzter-minute-werden/8955526.html

    Die durch jahrzehntelange Erfahrung mit Immigranten und Asylsuchenden geprägte Intelligenz der Bürger ist hier offensichtlich höher als die mancher Journalisten.

    http://www.freitag.de/autoren/martincalsow/emotion-ohne-grenzen-vom-hass-auf-die-masse

    Einerseits werden manche der Flüchtlinge, dank weltweit verbreiteter drahtloser Kommunikation, mittels abenteuerlicher Verheißungen auf den Weg in den europäischen Norden gelockt andererseits gibt es im Zuge der weltweiten Migration bereits Anlaufpunkte in den Zielländern.

    http://www.zeit.de/2013/43/portraet-fluechtling-aus-algerien/komplettansicht

    Von den bisher im Mittelmeer Gestorbenen und auch von den in Europa Gescheiterten wird in Afrika und anderen Ländern natürlich nicht berichtet.

    http://www.tagesspiegel.de/meinung/fluechtlinge-in-europa-eine-welt-in-bewegung/8955768.html

    „… In den USA, das erfährt jeder Besucher, braucht ein Taxifahrer nicht die Straßennamen zu kennen, um arbeiten zu dürfen. Das Land bietet Einwanderern nicht viel. Hunderttausende arbeiten ohne Sozial- oder Krankenversicherung, viele scheitern, viele schaffen es. Dort kann man noch ertrinken, wenn man das Land längst erreicht hat.

    Niemand denkt daran, Europa in ähnlicher Weise zu liberalisieren, einen Niedriglohnsektor zu etablieren, der Einwanderern, die kein Deutsch sprechen und unqualifiziert sind, Lohn und Brot geben könnte. …“

    http://www.tagesspiegel.de/meinung/fluechtlinge-in-europa-eine-welt-in-bewegung/8955768.html

    Das aber ist nur die Hälfte der Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, dass die Laissez-faire-Wirtschaftsliberalen (sogenannte „Neoliberale“) sehr gut mit einer Welt ohne nationale Grenzen und ohne den aus ihrer Sicht zu beseitigenden staatlichen Einfluss leben können. Nach ihren Vorstellungen ist ein internationaler Wettbewerb des Jeder gegen Jeden ja nur wünschenswert. Eine diesen Wettbewerb des Jeder gegen Jeden befördernde Migrationspolitik, wie sie auch von den hungerstreikenden Asylsuchenden gefordert wird, passt ihnen gerade so richtig ins Konzept. Deshalb wundert es auch nicht, dass ständig und pausenlos auf die Menschen eingeredet und von den „Potenzialen“ der Immigration geschwärmt wird.

    http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/579296/Wir-verschwenden-Potenzial

  6. Hach ja, Uwe, die bösen Ausländer nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg. Ist doch das, was du sagen willst, oder? Aber was bei dieser dümmlichen Aussage ganz und gar nicht beachtet wird, sind die tatsächlichen wirtschaftlichen Aspekte:

    „Es ist eine Tatsache, dass sich viele offene Stellen nicht ausreichend mit Deutschen besetzen lassen. Vielfach handelt es sich um körperlich sehr belastende, schmutzige oder gefährliche Arbeiten, die Deutsche nicht mehr übernehmen wollen – z.B. in Reinigungsfirmen, auf dem Bau oder bei der Müllentsorgung. Die Bezahlung ist zu schlecht oder die Arbeitszeit zu lang – wie beispielsweise im Pflegebereich. Vor allem neue Zuwanderer, die – wenn sie denn eine Arbeitserlaubnis bekommen – auf jeden Job angewiesen sind, füllen diese Lücken. Ohne sie könnte ein Großteil der Produktions- und Dienstleistungsbranchen überhaupt nicht existieren.
    (…)
    Und nicht zuletzt zahlen Ausländer ebenso wie Deutsche Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Bei den Renten sind sie sogar Nettoeinzahler: Auf Grund ihrer günstigeren Altersstruktur und weil viele von ihnen im Alter Deutschland wieder verlassen und damit auf 30% der ihnen zustehenden Rente verzichten, zahlen sie im Durchschnitt mehr Rentenbeiträge ein, als sie an Renten ausbezahlt bekommen. Geld, von dem deutsche Rentner mitfinanziert werden (Quelle: Website des Bundesministeriums für Wirtschaft).“
    http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/das-maerchen-mit-den-auslaendern-und-der-arbeitsplatzwegnahme

    Wenn ich schon lese, dass die Probleme in afrikanischen Ländern „hausgemacht“ sind, wie in dem von dir verlinkten Tagesspiegel-Artikel …
    Bin ich jetzt auch Schuld daran, dass Deutschland Waffen exportiert und vielleicht irgendwann mal Terroristen mit unseren Waffen Deutschland angreifen? Ist doch auch ein hausgemachtes Problem! Aber da kann ich doch nichts für, wenn die Regierung so ’ne Scheiße beschließt und durchzieht. Ich hab die nicht gewählt und identifiziere mich folglich auch nicht mit deren Politik!
    Und was können die jungen Leute aus Uganda dafür, dass es keine Arbeitsplätze in ihrem Land gibt und die Regierung nicht in der Lage ist, das Bevölkerungswachstum (u.a. durch Aufklärung) zu regulieren? Was können die jungen Leute dafür, dass es in ihrem Land angesehen ist, viele Kinder zu haben und es folglich (zu) viele junge Menschen in ihrem Land gibt? Was können die jungen Leute dafür, dass sie aus Verzweiflung ihr Land verlassen in der Hoffnung, in Europa einen Job zu finden? Wenn du diesen Leuten keine Chance in Deutschland geben willst, was willst du dann machen? Nichts? Machst es so wie Frau Merkel und sitzt alles aus …
    Unsere Regierung interessiert doch die Überalterung unserer Gesellschaft auch nicht wirklich, stattdessen sollen die Alten noch länger arbeiten und müssen ihre Rente aufstocken, weil sie vorne und hinten nicht ausreicht, während die Jungen noch länger arbeiten sollen, mehr zahlen müssen und so weiter. Wenn man es jetzt nach dem Prinzip des Zeitungsartikels und der Flüchtlingspolitik bewertet: Daran sind wohl du, Halina und ich Schuld, also müssen wir das auch aushalten. Wir dürfen unser Land nicht verlassen und auch nicht woanders auf Misstände aufmerksam machen. Nachher meint noch jemand, dass wir zu ängstlich seien die hausgemachten Probleme in Deutschland zu klären, dagegen anzukämpfen oder sie auszuhalten. Außerdem wollen wir unsere Rente mit 60 Jahren haben statt mit 67 oder 75 … sorry, aber das ist echt absurd.

    Lass die Menschen doch herkommen, sich einbringen und uns hier alle gemeinsam leben. Was ist denn daran das Problem?

    Dass der gemeine Deutsche Angst vor Ausländern hat?
    Dass der gemeine Deutsche sich einredet oder einreden lässt, dass Ausländer ihm seinen Job wegnehmen?
    Welcher türkischstämmige Mensch nimmt einem Deutschen seinen Job weg, wenn er sich selbstständig macht und eine Dönerbude eröffnet? Oder welcher Arbeitsplatz ist in Gefahr, wenn ein Asiate ein Asia-Restaurant eröffnet?
    Regt sich der gemeine Deutsche eigentlich auch auf, dass der Spargel auf deutschen Äckern von polnischen Gastarbeitern und nicht von Deutschen gestochen wird? Ist mir irgendwie nicht bekannt. Die Bauern sind zudem froh, dass sie die Polen haben, die können nämlich im Gegensatz zu den Deutschen wirklich hart arbeiten (und dazu für einen Hungerlohn von 4-5 Euro die Stunde – aber in Polen bekommen die Leute mehr für das bisschen Geld als in Deutschland, deswegen ziehen sie auch nicht nach D, sondern kommen nur zum Arbeiten her) …

    Das Problem ist doch, dass Deutschland und Europa nicht in der Lage sind Ausländer in die Gesellschaft(en) zu integrieren, aber genau darauf machen die Flüchtlinge ja auch aufmerksam. Übrigens schon mit ihrem Protestmarsch nach Berlin, der aber keine Änderung brachte. Eine Diskussion ja, aber in der deutschen und europäischen Politik wird ja gern viel geredet und am Ende nichts gemacht. Das ist den Flüchtlingen nicht genug, also protestieren sie weiter. Irgendwie nicht ganz unverständlich, oder?

    Uwe, hältst du eigentlich Demonstrationen und sonstige Proteste (auch Petitionen) generell für Erpressung? Oder ist es in Ordnung gegen Atomkraft zu demonstrieren, aber nicht für ein menschliches Asylrecht oder eine humane Integrationspolitik?

    Ich hätte als Antwort auf die Fragen übrigens gern mal deine Meinung ausformuliert … und nicht die von Journalisten 😉

  7. @JUKE 20. OKTOBER 2013 UM 21:46

    Auf die Unterstellungen gehe ich jetzt nicht ein und über die hingehaltenen Stöckchen springe ich auch nicht.

    Meinen Beiträgen ist zumindest zu entnehmen, dass ich lieber in einer gesetzlich geordneten Gesellschaft mit ihren Regeln lebe als in einer ungeordneten, sich auflösenden oder gar verwahrlosenden mit vielen „sozialen Brennpunkten“. Und natürlich liegt mir daran, dass ich als Staatsbürger auch das Gemeinwesen mitbestimmen kann und weder von Parlamentariern, Regierungsmitgliedern noch von irgendwelchen Aktivisten und Lobbygruppen eingeredet bekomme, was angeblich für „Deutschland“ und damit auch für mich gut sei. Dass man hier eigene Interessen haben kann, soll man gar rechtfertigen. Oder sich dafür schämen.

    Die Behauptungen, dass Einwanderung notwendig sei, weil „die Deutschen“ bestimmte Arbeiten nicht machen wollen oder ähnliches mehr, ist beste unternehmerische Propaganda und ihrer politischen Helfershelfer seit den 1950ern. Sie dient dem Teile und Herrsche. In den Betrieben hatte man sich dagegen einst einerseits gewerkschaftlich organisiert und andererseits auch auf handfestere Weise gegen Akkordbrecher gewehrt. Einwanderer dagegen waren stets billig, willig und unterwürfig, oder konnten und können aufgrund mangelnder Sprach- und Rechtskenntnisse gefügig gemacht, unterworfen und ausgebeutet werden und sind bei den Unternehmern deshalb immer willkommen.

    Ebenso ist es beste unternehmerische Propaganda, dass die deutsche Gesellschaft „überaltert“ sei. Bei näherem Hinsehen kann man das sehr leicht zerpflücken und widerlegen, nachlesbar bei Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten. Zudem liegt da eine ziemlich rassistische Überlegung zugrunde, dass man junge ausländische Menschen anwirbt, um den Deutschen ihren Lebensstandard zu sichern. Was aber macht man, wenn die Angeworbenen selbst alt werden und hier bleiben?

    Abgesehen davon, ist das Ganze eine recht unhistorische Betrachtung. Vergleicht man die Behauptungen mit der Wirklichkeit, hält das einer Prüfung nicht stand. Vieles von dem, was hier in Deutschland geschaffen wurde, haben unsere weit entfernten Vorfahren dann unsere Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, wir selbst als auch unsere Kinder und Enkel erarbeitet und die noch Lebenden erarbeiten es ja weiterhin. Der Anteil der Migranten an den geschaffenen Werten, wenn man schon absieht von den vor Jahrhunderten geschaffenen Städten, Bauwerken und vielem anderen sowie von dem, was vor den 1950ern als auch danach geschaffen wurde, wird ins Groteske übersteigert: So, als würde die Migranten Deutschland gegründet und aufgebaut haben, indem sie wie einst Dagobert Duck am Klondike-River 24 Stunden tags und 24 Stunden nachts gearbeitet hätten.

    Bezüglich mancher Länder, frage sich einfach mal, woher die Kriegsherren und -fürsten, die bewaffneten Banden und Islamisten all das Geld für die in aller Welt besorgten Waffen haben, mit denen sie ihre eigenen Leute abmetzeln oder vertreiben. Zumindest scheint dafür ja genug Geld da zu sein. Von den Milliardären und Multimillionären in solchen „armen“ Länder wird hier übrigens geschwiegen.

    Die Diskussion darüber, ob und wie wir hier in Deutschland Einwanderung haben wollen und wie das von uns eingeräumte Recht auf politisches Asyl wahrgenommen werden kann, wird ja mit einem Konvolut von Vorwürfen und Unterstellungen bedeckt und unmöglich gemacht. Wo das nicht hilft, wird derjenige, der sich all dem nicht beugen will, einfach schnell in die rechte Ecke gestellt. Sehr bequem.

  8. Schade, dass du keine Fragen beantworten willst. Es kann ja keine sinnvolle Konversation zustande kommen, wenn Fragen mit Vorwürfen vermischt werden. Aufgrund deiner eigenartigen Zitate und verlinkten Texte, habe ich mir eben ein Bild von dir/deiner Meinung/deiner Intention gemacht. Wenn dir das nicht gefällt, musst du vielleicht deine Art und Weise zu kommunizieren überdenken.

    Ich zitiere dich:
    „Einwanderer dagegen waren stets billig, willig und unterwürfig, oder konnten und können aufgrund mangelnder Sprach- und Rechtskenntnisse gefügig gemacht, unterworfen und ausgebeutet werden und sind bei den Unternehmern deshalb immer willkommen.“

    Ich zitiere mich:
    „Lass die Menschen doch herkommen, sich einbringen und uns hier alle gemeinsam leben.
    (…)
    Die Bauern sind zudem froh, dass sie die Polen haben, die können nämlich im Gegensatz zu den Deutschen wirklich hart arbeiten (und dazu für einen Hungerlohn von 4-5 Euro die Stunde – aber in Polen bekommen die Leute mehr für das bisschen Geld als in Deutschland, deswegen ziehen sie auch nicht nach D, sondern kommen nur zum Arbeiten her) …“
    Und ergänze:
    Du wirfst den Bauern (und anderen Unternehmern) also nun vor, dass sie sich zu fein sind, um deutsche Arbeitskräfte einzustellen. Wo Bedarf ist, wird eingestellt. Die Konditionen regeln sich entweder über den Markt oder die Politik. Korruption ist ja, wie du (im folgenden zitiert) richtig erkannt hast, Standard. Schwarze Schafe wird es wohl immer geben, also die, die es ausnutzen, wenn Menschen in einer Notsituation zu uns kommen und billige Arbeitskräfte darstellen. Über Mindestlohn und Ähnliches kann das aber abgefangen werden – es sei denn, man ist Fan neoliberaler Wirtschaftstheorien.

    Du schreibst:
    „Bezüglich mancher Länder, frage sich einfach mal, woher die Kriegsherren und -fürsten, die bewaffneten Banden und Islamisten all das Geld für die in aller Welt besorgten Waffen haben, mit denen sie ihre eigenen Leute abmetzeln oder vertreiben. Zumindest scheint dafür ja genug Geld da zu sein. Von den Milliardären und Multimillionären in solchen “armen” Länder wird hier übrigens geschwiegen.“

    Ich schrieb:
    „Bin ich jetzt auch Schuld daran, dass Deutschland Waffen exportiert und vielleicht irgendwann mal Terroristen mit unseren Waffen Deutschland angreifen? Ist doch auch ein hausgemachtes Problem! Aber da kann ich doch nichts für, wenn die Regierung so ‘ne Scheiße beschließt und durchzieht. Ich hab die nicht gewählt und identifiziere mich folglich auch nicht mit deren Politik!“
    … und ergänze:
    Was können die Einwohner verschiedener „armer“ Länder dafür, dass der Reichtum des Landes sich in einigen, wenigen Händen ballt? Hm, wenn ich den Satz so lese, ist Deutschland ja auch ganz schön arm …

  9. Uwe, wo liegt denn das Problem zu beantworten, ob Demonstrationen und Petitionen auch Erpressung sind?

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