Parteivorstandssitzung 10/II

Nach einer langen Sitzungswoche und vor einer langen Sitzungswoche tagte am Wochenende nach langer Sommerpause der Parteivorstand. Also er sollte am Wochenende tagen und tagte nur am Samstag. Das wiederum gibt mir die Möglichkeit am Sonntag in aller Ruhe dem Berliner Marathon vor dem Fernseher zuzuschauen.

Am Anfang stand der beliebte Punkt Aktuelles. Dabei ging es -wie nicht anders zu erwarten- um das Thema Geflüchtete. Dazu lag eine Vorlage vor. Nun halte ich wenig davon in jedem Parteivorstand unumstrittene allgemeine Positionen -auch zum Thema Geflüchtete- erneut zu beschließen. Und auch das Argument es gehe darum den Mitgliedern Argumentationsmaterial an die Hand zu geben, überzeugte mich nicht. Die Menschen lernen doch keine Parteivorstandsbeschlüsse auswendig. Wenn Argumentationsmaterial gebraucht wird -warum liegt das eigentlich bis jetzt nicht vor?- dann macht man ein Flugblatt zum Download. Und im Hinblick auf die Bekämpfung von Fluchtursachen wäre es dann schon sinnvoll gewesen wenigstens kurz auf die geplanten Sustainable Development Goals der UN  einzugehen. Wenn es nach mir gegangen wäre hätte der Parteivorstand kurz und knapp fünf Punkte beschlossen: (1) Herzlichen Dank für das ehrenamtliche Engagement, wir hoffen es geht weiter. (2) Herzlichen Dank denjenigen, die „besorgten Bürger/innen“ widersprechen, wir setzen darauf, dass dies weiter geht. (3) Wir unterstützen all jene, die als sog. private Fluchthelfer/innen unterwegs sind. (4) Eine Bewertung des Ergebnisses der Vereinbarung der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin. Im Hinblick auf diese wäre aus meiner Sicht anzumerken gewesen, dass es gut ist, dass der Bund die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung einer Gesundheitskarte schaffen und die Länder und Kommunen beim Neubau von Wohnungen und bei der Ausweitung des Bestands an Sozialwohnungen unterstützen will. Es ist auch gut, wenn auch nicht ausreichend, die den Ländern zugewiesenen Kompensationsmittel in den Jahren 2016 bis 2019 um jeweils 500 Mio. EUR zu erhöhen. Auch die jährlichen Leistungen des Bundes zur Finanzierung der Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Höhe von 350 Mio. EUR sind zu begrüßen, wenn auch ebenfalls nicht ausreichend. Ebenfalls gut, wenn auch nicht ausreichend, ist die Kostentragung des Bundes für den Zeitraum von der Registrierung bis zur Erteilung des Bescheides in Höhe von 670 EUR pro Geflüchtetem. ABER all das reicht mir für eine Zustimmung, könnte ich abstimmen, nicht aus. Dabei erkenne ich durchaus an, dass vor dem Hintergrund der unterirdischen Vorschläge der Union richtig was rausverhandelt wurde. Die Bestimmung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sicherere Herkunftsstaaten ist aber für mich nicht akzeptabel. Auch wenn wohl für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten neue Wege zur legalen Arbeitsmigration nach Deutschland geschaffen werden sollen und wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag „mit tarifvertraglichen Bedingungen“ vorweisen kann, hier arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen darf. Das ist nicht nichts. Aber was ist mit denjenigen, die zum Beispiel als Sinti & Roma kein Asyl bekommen, aber auch keinen  Arbeits- und Ausbildungsvertrag haben? Da kann nur gehofft werden, dass die alle zwei Jahre durchzuführende Überprüfung -auch das ein Fortschritt- der sichern Herkunftsstaaten bald zu einer Streichung derselben führt. Die Verpflichtungsmöglichkeit gegenüber Asylsuchenden bis zu sechs Monaten und gegenüber Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss des Verfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben, ist nicht integrationsfördernd. Schließlich halte ich auch die Vereinbarung, dass das „Taschengeld“ künftig, sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, in Erstaufnahmeeinrichtungen in Form von Sachleistungen erbracht werden kann, für falsch. Wenn es allerdings nach der Union gegangen wäre, auch das gehört zur Wahrheit, wären die Sachleistungen wohl verpflichtend gewesen. Ebenfalls zu den negativen Ergebnissen gehört, dass Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, ein Beschäftigungsverbot erhalten. Im Rahmen der Debatte lag auch eine Ideenskizze für ein linkes Einwanderungsgesetz vor. In dieser werden grundsätzlich vier Wege für Einwanderung vorgesehen: (1) Kriegsflucht und politisches Asyl, (2) Legale Zuwanderung und Einbürgerung, (3) Einwanderung zur Arbeitsaufnahme und (4) Familiennachzug. Enthalten ist die Forderung nach Wiederherstellung des Asylrechtes in der Fassung wie sie vor dem Asylkompromiss galt. Die Staatsbürgerschaft soll von jeder Person erlangt werden können, die das Grundgesetz anerkennt und die Amtssprache beherrscht. Weitere Voraussetzungen gibt es nicht, insbesondere keine Verpflichtung zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts. Für die Einwanderung zur Arbeitsaufnahme soll ein Arbeitsvertrag oder ein sonstiger Nachweis über den Antritt einer Arbeitsstelle reichen. Der Familiennachzug soll auch für Patchwork-Familien und andere Angehörige gelten. Ich finde das einen guten Debattenaufschlag (5), gerade weil nicht auf sog. Nützlichkeitserwägungen abgestellt wird.

Daneben gab es auch noch eine Debatte zur Situation in Griechenland. Diese gebe ich aber nicht wieder. Weil eine Debatte, die wiederholt was alle schon immer gesagt haben, eine Debatte in der Wahlergebnisse je nach schon immer vertretener Position interpretiert werden, sind wenig zielführend und müssen hier nicht auch noch breit getreten werden.

Der nächste Punkt lautete Parteitage. Es ging um Vergangenes und Zukünftiges. Der Termin für die 1. Tagung des 5. Parteitages wurde auf den 28./29. Mai in Magdeburg festgelegt.

Der Antrag des fds vom Bielefelder Parteitag: „Es geht um unser Land -es geht um Europa“ wurde vom Parteivorstand mit 10:15 abgelehnt. Als Argument fiel unter anderem, der Antrag lese sich wie ein „Gegenantrag“ zum Leitantrag des Parteivorstandes. Ebenfalls wurde argumentiert, der Antrag sei zeitlich überholt. Das ist sehr lustig, denn der Antrag war ja für den Bielefelder Parteitag gestellt und wurde an den Parteivorstand überwiesen. Außerdem, so ein Teilnehmer der Parteivorstandssitzung, stimme nicht was im Antrag steht, wir würden Mitglieder verlieren weil wir nicht regieren. Hä? Die Passage heißt: „Seit einigen Jahren verzeichnen wir sinkende Mitgliedszahlen und wir sind von unserem Ziel, 100.000 Menschen in diesem Land Genossinnen und Genossen zu nennen, weiter entfernt, als je zuvor. Insgesamt engagieren sich in der Bundesrepublik immer weniger Menschen in Parteien, (…). Das zurückgehende Engagement in Parteien ist nicht allein unser Problem, aber eben auch. Und diesem Phänomen ist daher auch nicht zuerst mit `Organizing` zu begegnen, da die Gründe und Ursachen für diesen Prozess in der Hauptsache nicht in einem Mangel an Maßnahmen und Strukturen zur Gewinnung von Mitgliedern liegen. Es geht vielmehr darum, unseren Anspruch praktischer Veränderung der Gesellschaft auch in unserer eigenen politischen Praxis wirksam zu machen. Die Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche, die wir anstreben, muss Richtmaß der beständigen Selbstveränderung der LINKEN sein. Verstärkter innerparteilicher und gesellschaftlicher politischer Diskurs, spannende und ausstrahlenden Debatten mit offenem Ergebnis und solidarischer Streit gehören dazu. So, wie im ‚Erfurter Programm‘ beschrieben, wollen wir eine `Lernende Partei` sein. Eine Partei, die sich nicht in Parteisoldaten, Parteioffiziere und Parteigenerale unterscheidet, sondern in der alle Mitglieder auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Abschließende Gewissheiten sind linker Politik wesensfremd, die politische Stärke einer Partei wächst aus dem immer wieder neuen Suchen als lernende Organisation. Eingedenk unseres historisch-politischen Erbes darf avantgardistische Überheblichkeit kein Element der innerparteilichen Kultur und des parteilichen Selbstverständnisses sein. Unter den Bedingungen einer parlamentarischen Demokratie beweist sich eine politische Partei in den Erwartungen vieler Menschen an ihrer Fähigkeit zur politisch-symbolischen Repräsentation und zur machtpolitischen Durchsetzung ihrer Ziele im politischen System. Dazu gehören die Formulierung alternativer Ansätze, die Erprobung neuer Konzepte jenseits des neoliberalen Mainstreams, die Beteiligung an alternativen gesellschaftlichen Koalitionen sowie die Herausbildung einer kritischen Gegenöffentlichkeit und realer Partizipation. Im Wettbewerb des Parteiensystems geht es zudem um Regierungsfähigkeit, um ­Koalitionen, um Erfolg und Misserfolg institutioneller Politik.“ Daraus zu ziehen, im Antrag stehe wir verlieren Mitglieder weil wir nicht regieren ist schon bizarr. Und das ist jetzt freundlich ausgedrückt.

Ein zentraler Auseinandersetzungspunkt war ein Antrag, der vom Betriebsrates der MdB-Mitarbeiterinnen, unterstützt wurde. Der Antrag beabsichtigt, einen gemeinsamen Betriebsrat aller 64 MdB zu schaffen. Konkret wurde beantragt: „Die Fraktionen und die Mandatsträger/innen auf Bundes- und Landesebene, sowie alle weiteren Organisationseinheiten unserer Partei werden aufgefordert, verbindliche umfassende Voraussetzungen für eine betriebliche Mitbestimmung gemäß BetrVG für alle Beschäftigten der Fraktionen und der Abgeordneten der LINKEN zu schaffen. Das heißt insbesondere, für alle MdB´s oder MdL`s persönlich beschäftigte Mitarbeiter/innen büroübergreifende betriebliche Mitbestimmung zu ermöglichen, so dass es für die Beschäftigten in wichtigen betrieblichen Angelegenheiten gleiche Bedingungen und Regelungen gibt. Betriebsräte in den einzelnen Abgeordnetenbüros können dies nicht gewährleisten.“ Es wurde -das dürfte rechtswidrig sein- sogar gefordert, dass zukünftig Kandidierende sich vor der Kandidatur bereit erklären müssen, einer Arbeitgebergemeinschaft der Abgeordneten beizutreten. In meinem Büro gibt es einen Betriebsrat. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass meine Mitarbeiter/innen entscheiden, wie sie sich organisieren wollen. Das der Arbeitgeber (in meinem Fall also ich) bestimmt, wie Interessenvertretung von Arbeitnehmer/innen organisiert wird, ist mit meinem Verständnis von Mitarbeitermitbestimmung nicht vereinbar. Deshalb habe ich diesem Antrag nicht zugestimmt.

Der Parteivorstand nahm zur Kenntnis, dass seitens der Bundesgeschäftsstelle nach einer Entscheidung der Bundesschiedskommission der § 5 Abs. 3 der Bundessatzung so auslegt wird, dass § 5 Absatz 3 den Zusammenschlüssen die Möglichkeit gibt, Regelungen zur Übertragung von Mitgliederrechten auf Nichtmitglieder als Gastmitglieder grundsätzlich und über einzelnen Versammlungen hinaus in ihrer Satzung festzulegen. Allerdings können die Einschränkungen aus § 5 Absatz 2, also welche Rechte nicht auf Nichtmitglieder übertragen werden können, auch in einem solchen Fall nicht abgeändert werden.

Nach Zukunft und Vergangenheit ging es um  Feminismus und Genderpolitik. Dazu lag der dritte Gleichstellungsbericht und der Bericht der Feministischen Offensive vor. Der Frauenanteil lag bei den Neueintritten von 2010 zu 2011 bei durchschnittlich 40%, ist aber 2014 auf 31% gefallen. In drei Landesvorständen (alte Bundesländer)  gibt es keinen quotierten Landesvorstand. Bei den Landräten/innen ist der Frauenanteil von 50% (2011) auf 80% (2014) gestiegen. Der Frauenanteil an den Beschäftigten in der Partei beträgt fast 50%. In der obersten Gehaltsgruppe ist der Frauenanteil von 60% (2011) auf 46% (2014) gesunken, in den Landesverbänden von 66,7% (2011) auf 0% (2014). Leider wurde der mündlich von Steffen Bockhahn eingebrachte Beschlussvorschlag, der GfPV soll gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat einen Maßnahmekatalog vorlegen, um den Trend (in Bezug auf die oberste Gehaltsgruppe) zu stoppen, deutlich abgelehnt. Angesichts der vielen Worte zur Vorbildwirkung bei der Frage des Betriebsrates für alle MdB-Mitarbeiter/innen ist die Ablehnung nicht wirklich nachvollziehbar.

Nachdem auch das geklärt war wurde unter dem Punkt Finanzen ein Nachtragshaushalt behandelt und beschlossen. Hinzu kam noch eine Vorlage zur Weiterentwicklung des MGLweb, also des Mitgliederprogramms. Es geht dabei um dringend notwendige Aktualisierungen der Sicherheitskomponenten und Mittel zur Absicherung der weiteren Verfügbarkeit. Der Vorlage wurde im Grundsatz beschlossen.

Am Sonntagvormittag sollte ein Konzept zur Erbschaftsteuer debattiert werden. Das Thema wurde aber verschoben. Im Punkt Behandlung weiterer Vorlagen ging es unter anderem um einen Bericht vom Seniorentag 2015.

Feierabend. Wochenende.

 

 

 

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