Senioren, Kindertagesstätten und das Urheberrecht

Zumindest in den sozialen Netzwerken spielt dieser Artikel über Senioren/innen und Urheberrecht eine größere Rolle. In dem Artikel geht es um Senioren/innen, die sich in einem Cafè treffen und Volkslieder singen. Doch dann passiert laut Artikel das: „Ende April teilte die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) der Betreiberin des kleinen Kulturcafés, in dem sich die Senioren treffen,  mit, dass sie für das Musizieren  zahlen müsse. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die zum Teil dementen Damen mit ihrem Gesang Urheberrechte verletzten.“ Das Singen soll nun nicht mehr stattfinden.

Ja, richtig gelesen. Das Cafè solle zahlen, weil die Senioren/innen Volkslieder singen und dies Urheberrechte verletze. Nach Ansicht der GEMA falle dies unter den Tarif mit dem Tarifmerkmal U-V II +II 2a, was wohl Einzelveranstaltung mit Live-Musik umfasst. Soweit so gut. Aber Volksmusik? Das Urheberrecht gilt doch nur, wenn der Urheber/die Urheberin noch nicht mehr als 70 Jahre tot ist. Das ergibt sich aus dem § 64 UrhG. Dort heißt es klar und eindeutig: „Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.“ Kann das mal bitte jemand klären?

Das Urheberrecht ist durchaus ein Problem, nicht nur für Senioren/innen. Auch Kindertagesstätten sind davon betroffen. Es geschieht wohl mehr oder weniger regelmäßig, dass die GEMA -gern auch vor Weihnachten-Kindertagesbetreuungseinrichtungen (KITA) anschreibt um ein Angebot zum Abschluss von Lizenzverträgen für das Kopieren und Verteilen von Lieder- und Notenzetteln anzubieten. Die LINKE hatte dazu in der letzten Wahlperiode des Bundestages einen Vorschlag unterbreitet. Dieser sah vor die Schrankenregelungen der §§ 52, 53 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) für das Urheberrecht um Ausnahmen für Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und für Einrichtungen zur Betreuung von Schülerinnen und Schülern nach Schulschluss zu erweitern. Schrankenregelung? Das Urheberrecht funktioniert so: Nach dem § 15 UrhG hat der Urheber „das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten“ und „das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben„. Die in den §§ 44a-63a UrhG aufgeschrieben Schranken erlauben nun, dieses Recht einzuschränken.

Der Artikel weist aber noch auf ein anderes Problem hin. Die GEMA als Verwertungsgesellschaft. Nach dem Artikel liest irgendjemand dort Meldungen wo welche Veranstaltungen stattfinden und dann wird versucht zu kassieren. Was es da alles gibt, ist sehr gut im GEMA-Handbuch 2015 nachzulesen. Die Senioren/innen sollen unter den Tarif mit dem Tarifmerkmal U-V II +II 2a fallen. Wenn ich das aber richtig sehe, dann müssten Volkslieder unter Unterhaltungs- und Tanzmusik fallen. Gut zu wissen. Und das Seniorensingen von Volksliedern ist nach diesem Tarif wohl als „Einzelaufführung mit Musikern mit Veranstaltungscharakter“ zu bewerten. Aha.

Die Verwertungsgesellschaften hatte DIE LINKE in einem Antrag in der 17. Wahlperiode bereits versucht zu thematisieren. Wir haben darin vorgeschlagen, den Verwertungsgesellschaften grundlegende demokratische Binnenstrukturen verpflichtend vorzuschreiben und im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz festzuschreiben, dass eine regelmäßige, unabhängige Überprüfung des wahrgenommenen Repertoires einzelner Verwertungsgesellschaften in Form von repräsentativen Stichproben nach Genres erfolgt. Die sog. GEMA-Vermutung soll dann zur Anwendung gelangen, wenn mehr als 95 Prozent der Werke eines Genres durch eine Verwertungsgesellschaft vermarktet werden und diese damit ein Verwertungsmonopol für sich in Anspruch nehmen kann, während im Falle der Aufführung von Mischrepertoires Lizenzabrechnungen an die unterschiedlichen Wahrnehmungsberechtigten zeitnah erfolgen sollen.

In dieser Legislaturperiode hat DIE LINKE noch nichts konkretes in den Bundestag eingebracht. Das macht auch Sinn, denn auf europäischer Ebene wird über das Urheberrecht debattiert. Eine gute Grundlage hat übrigens Juli Reda in ihrem Entwurf eines Berichtes vorgelegt.  Sollte es zu einer EU-Verordnung kommen, dann entfaltet diese unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten. Kommt es zu einer EU-Richtlinie, dann muss diese in nationales Recht umgesetzt werden und dann kann die Debatte im Bundestag noch einmal richtig Fahrt aufnehmen. Schlauer werden wir wohl im Herbst sein, denn dann soll ein europäischer Vorschlag vorliegen.

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