The Circle – doch eine Leseempfehlung

Eigentlich wolle ich David Eggers „The Circle“ nicht lesen. Und das liegt nicht daran, dass ich noch nie eine Freundin von Science Fiction war. Aber das ist schon die erste Frage, ist „The Circle“ wirklich Science Fiction? Oder ist es noch Science Fiction?

Ich wollte „The Circle“ nicht lesen, weil die Kritik überwiegend vernichtend war. Die Zeit fand, „The Circle“ ist kein gutes Buch. Und Spiegel-Online sprach sogar vom „Google-Hasser-Buch„. Nachdem ich das Buch nun ausgelesen habe, halte ich es eher mit Juli Zeh, die von einem „großen aufklärerischen Aktspricht.

Kurz zusammengefasst könnte „The Circle“ so beschrieben werden: Eine große Firma (ja, das Buch spielt in den USA, aber das ist eigentlich auch egal), hat einen Account für alles entwickelt, TruYou. Hinzu kommen daumengroße Kameras (SeeChange), die sich natürlich vernetzen lassen. Begründet wird das alles mit -Überraschung- Menschenrechten. Schließlich müsse alles was passiert bekannt sein. Das jedenfalls ist die Philosophie bei „The Circle“. Da wird über Ideen nachgedacht, wie die Entführung von Kindern durch technische Mittel verhindert werden kann. Es gibt Ideen das erste Date zu vereinfachen und wer nicht sozial aktiv ist, muss sich rechtfertigen. Sozial aktiv meint allerdings vor allem digital aktiv. Für eine „Gesundheit für alle“ gibt es Wearables, die Daten (Herzfrequenz, Blutdruck, Cholesterin u.a.) werden alle -natürlich für den Fortschritt- verwendet. Es geht um „ultimative Transparenz“ und die Frage, ob es „gute Geheimnisse“ geben kann. Wie heißt es im Buch: „Alles Private ist Diebstahl„. Und so gibt es ein Schülerranking und das Complete Health Data Program (CHAD). Zur absoluten Transparanz wird bis auf WC-Besuche und die Nächte im eigenen Zimmer eine Kamera getragen. Die Technik schreitet voran und die Ideen sind unbegrenzt. Es wird schließlich hoch politisch, denn es geht auch um die Frage von Wahlpflicht und ob nicht eine private Firma am Ende den Staat ersetzen kann. Mit DemoVis besteht schließlich die Möglichkeit der Klick-Demokratie. Über PastPerfect geht es zu SoulSearch.

Die ethischen Fragen kommen nicht mit dem Holzhammer, nicht in Form von Agitation. Eggers stellt sie in Form von Fragen. „Was wäre, wenn wir alle uns so verhielten, als ob wir beobachtet würden? Das hätte einen moralischeren Lebenswandel zur Folge“. Aber Normierung, Gleichheit als Zukunft? Eine erzwungener moralischer Lebenswandel (was das ist entscheidet vermutlich die Mehrheit) als Ideal? Nein! Macht nicht eigentlich die Vielfältigkeit der Charaktere, die Ungewissheit und die Neugier das Leben aus? Was ist eine Demokratie wert, der mensch sich nicht verweigern kann?

Ja, David Eggers „The Circle“ ist klassisch aufgebaut. Ein wenig vergleichbar mit „Die Welle“. Begeisterung, der Wille etwas für eine „gute Sache“ zu tun, kurze Zweifel ob das eine oder andere nicht ein wenig zu weit geht, Verdrängung der Zweifel, Anstöße von außen die ignoriert werden, immer tiefer in die Scheiße reiten bis es Opfer gibt. Opfer die alles im Frage stellen, oder eben auch nicht. Fast wie im richtigen Leben. Der Vorteil von „The Circle“ ist, dass es Sensibilisierend auf all jene Menschen wirken könnte,  die sich nicht täglich aus beruflichen oder politischen Gründen mit den Chancen und Risiken des technischen Fortschritts, der Digitalisierung beschäftigen. Ja, auch hier gibt es kein Schwarz-Weiß. Digitalisierung hat Chancen und Risiken, eines von beiden nicht zu sehen führt zu einem schiefen Bild. Das Buch ist eben keine Aufklärungskampagne, die scharf am Alltagserleben vorbei geht. Es gibt keine/n abgehobenene/n Oberlehrer/in  die bzw. der den Zeigefinger erhebt und erklärt warum wir auf mehr Datenschutz achten müssen. Es wird einfach und verständlich dort angesetzt, wo zunächst einleuchtend ist, warum auch noch dieses und jenes Datum eingeholt werden soll.

Das Buch stellt die Frage, wie selbstbestimmt wir eigentlich leben und wie selbstbestimmt wir leben wollen. Sollte wirklich alles was technisch möglich ist auch eingeführt und umgesetzt werden? Wo und wann ist die kritische Grenze überschritten? Ist das Problem -so erschien es mir beim Lesen- erst da, wenn der Circle droht zum Ersatzstaat zu werden? Ist alles vorher unproblematisch? Kann der Gesetzgeber regulierend eingreifen oder muss nicht an einigen Stellen eine gesellschaftliche Verweigerungshaltung die Regulierung übernehmen?

Sicher kann kritisiert werden, die Zukunft werde von Eggers zu schwarz gemalt. Aber wenn die totale Überwachung nicht gewollt ist, dann muss jetzt Sensibilität geschaffen werden. Sensibilität über den Kreis der Netzpolitiker/innen und Datenschützer/innen hinaus. Dafür ist dieses Buch geeignet und sinnvoll.

 

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