Wochenendgrübelei

Das Selbstverständliche ist nicht selbstverständlich. Ein Teil der Gesellschaft hat es ein Leben lang als selbstverständlich angesehen, ein Teil der Gesellschaft nur ein halbes Leben lang. Demokratie. Verbesserungsbedürftig, erweiterungsbedürftig, nicht vollkommen. Aber immerhin Demokratie. Freie Meinungsäußerung, freie Wahlen, freie Presse, die Möglichkeit, dass aus der Opposition die Regierung wird und aus der Regierung die Opposition.

Zur Demokratie gehört der Kompromiss. Doch der Kompromiss wird lächerlich gemacht. Zur Demokratie gehört, seine Meinung ändern zu können, weil Argumente überzeugend waren oder weil sich grundlegende Bedingungen geändert haben. Zur Demokratie gehört auch, Meinungen beizubehalten, weil die Argumente nicht überzeugend waren oder weil die Bedingungen gleich geblieben sind. Demokratie verlangt Respekt voreinander.

Demokraten*innen gehen verbal häufig aufeinander los und vergessen dabei, dass es Demokratieverächter*innen gibt, die es eigentlich gemeinsam zu bekämpfen gilt. Eigentlich müsste es Demokraten*innen doch darum gehen, die Demokratie zu verteidigen.

Soweit abstrakt. Und konkret? Mir scheint, in Deutschland wird nicht wahrgenommen, was an Demokratiegefährdung droht. Es wird so weiter gemacht wie die vergangenen Jahrzehnte. Häme und Spott für die Einen, Selbstvergewisserung bei den Anderen.  Und währenddessen fordern die Antidemokraten national befreite Zonen oder bauen eine Propagandaabteilung auf. Mit Steuermitteln und aus meiner Sicht unter Verstoß gegen § 50 Abs. 4 Abgeordnetengesetz, aber das wird der Bundesrechnungshof zu prüfen haben.

Vielleicht wäre es gut, vom „business as usual“ Abstand zu nehmen. Vielleicht wäre es gut, wissend um wesentliche Unterschiede unter den Demokraten*innen das Gemeinsame bei der Verteidigung der Demokratie zu betonen. Denn andernfalls könnte es passieren, dass die Unterschiede der Demokraten*innen im demokratischen Wettstreit nicht mehr ausgefochten werden können. Weil da nichts mehr ist mit der Selbstverständlichkeit der Demokratie.

 

One Reply to “Wochenendgrübelei”

  1. Pingback: Warum gute Inhalte nicht mit Identitätspolitik verknüpft werden sollten – Blog von Halina Wawzyniak

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