Worüber sich Reden lohnen würde

Über meine Erfahrung mit dem Pegida-Ableger in Berlin habe ich ja bereits hier berichtet. Die Debatte darüber, ob es einen Dialog mit Pegida oder Legida geben darf ist bis heute nicht abgeschlossen. Bis auf wenige Ausnahmen ist mittlerweile klar, dass mit den Organisatoren dieser kruden Bewegungen der Dialog nicht gesucht werden sollte. Doch die Debatte, ob mit den Mitläufer/innen das Gespräch gesucht werden sollte reißt nicht ab. Es heißt zuweilen, diejenigen die dort mitlaufen, lehnen die herrschende Politik ab und deshalb lohne sich ein Gespräch.

Es ist ja nicht so, dass wenn Mitläufer/innen solcher kruden Bewegungen in mein Büro kommen würden, ich sie sofort wieder rausschmeißen würde. Es ist auch nicht so, dass wenn Mitläufer/innen solcher kruden Bewegungen in einer Veranstaltung das Wort ergreifen würden, ich ihnen sofort das Wort verbieten oder sie sofort des Saales verweisen würde. Sie müssten mit einer harten Auseinandersetzung rechnen. Vermutlich -so meine Erfahrung- gibt es aber wenig Interesse an den Fakten, die das Kartenhaus von Pegida oder Legida zusammenbrechen lassen würde. Das Problem bei Forderungen nach einem Dialog liegt aber neben dem Ignorieren von Fakten noch an ganz anderer Stelle. Es wird zum einen so getan, als gäbe es Gespräche mit Mitläufer/innen der Pegida oder Legida nicht. Ich habe genug Debatten mit Leuten die ähnlich ticken, wie es in den Papieren von Pegida oder Legida steht. Ein Dialog, wie er derzeit gefordert wird, wäre aber zweitens auch etwas Institutionelles. Da werden Gruppen gebildet die sich dann irgendwo institutionell treffen. Und das ist neben der Tatsache, dass Fakten nicht zur Kenntnis genommen werden mein größtes Problem. Zu einem meiner Grundsätze gehört, dass ich nationalistischen, demokratiefeindlichen und rassistischen Positionen kein öffentliches Podium gebe. Genau das würde aber passieren, wenn es institutionalisierte Dialoge geben würde.

Ich bin der festen Überzeugung, Menschen gehen nicht einfach auf die Straße weil ihnen langweilig ist. Sie schauen sich schon an, was die Forderungen sind, für die sie durch die Straßen ziehen. Pegida nun mobilisiert mit einem 6-Punkte-Programm, welches das ursprüngliche 19-Punkte-Progamm zusammenfasst. Und was steht da? Zum Beispiel die Forderung nach einem Zuwanderungsgesetz, welches die „momentan gängige, unkontrollierte quantitative Zuwanderung“ stopt. Um es klar und deutlich zu sagen, ich bin dafür dass jede/r frei entscheiden kann wo er/sie lebt und den Wohnsitz nehmen möchte. Aber selbst wenn mensch nicht meiner Auffassung ist, ist das was hier zitiert wurde Quatsch. Da scheinen einige sich mit dem Zuwanderungsgesetz nicht beschäftigt zu haben. Bestandteil dieses Gesetzes ist das Aufenthaltsgesetz und dessen § 1 Abs.1 S.1 bis 3 lauten: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland.“ Zu meinem großen Missfallen richtet sich die Zuwanderung nach Deutschland bereits jetzt nach wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Bereits jetzt werden also bedauerlicherweise Menschen nach ihrer Nützlichkeit sortiert. Wird die Forderung von Pegida ernst genommen, so kann sie ja nur darin bestehen, den Satz mit der humanitären Verpflichtung zu streichen.  Pegida fordert aber neben einem Recht auf Integration auch eine „Pflicht zur Integration“. Pegida glaubt,  diese Pflicht  „beseitigt, (…) viele der Ängste der Menschen zum Thema Islamisierung, Überfremdung und Verlust unserer Kultur völlig automatisch.“ Was hier unter Integration verstanden wird ist Anpassung. Ziemlich deutlich wird, dass andere Kulturen nicht als Bereicherung angesehen werden sondern als Gefahr. Die Schlagworte Islamisierung, Überfremdung und Verlust der Kultur werden immer wieder genannt, aber nie untersetzt. Vielleicht weil das gar nicht geht? Ein Blick in den Migrationsbericht 2013 macht das deutlich. Im Jahr 2013 kamen mehr als drei Viertel aller zuwandernden Personen aus einem anderen europäischen Staat (S. 14). Im Vergleich der Pro-Kopf-Asylantragstellung (S. 180) zeigt sich, dass Schweden, Malta, Schweiz, Norwegen, Österreich, Luxemburg, Belgien und Ungarn noch vor Deutschland liegen. Pegida fordert auch „eine konsequente Ausweisung, bzw. eine Wiedereinreiseverbot für Islamisten und alle anderen religiösen Fanatiker“. Zum einen erinnert die Parole ein wenig an „Kriminelle Ausländer raus„, welche u.a. von der NPD regelmäßig verbreitet wurde. Zum anderen wird hier aber auch ganz unverhohlen die Aberkennung der Staatsbürgerschaft gefordert. Und ein Wiedereinreiseverbot gab es schon mal – für Wolf Biermann in der DDR. Besonders absurd finde ich, dass eine Gruppierung die sich selbst als „Europäer“ bezeichnet einen „zunehmenden Verlust an Autorität für die Landesparlamente der einzelnen EU-Staaten“ beklagt, ohne mehr Rechte zum Beispiel für das Europäische Parlament einzufordern. Doch es gibt noch mehr an Fakten, die jedem/jeder Mitläufer/in von Pegida oder Legida deutlich machen müssten, dass hier lediglich Sündenböcke gesucht werden. Eine Blick in die IfP-Studie (Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses) macht dies deutlich. Demnach machen die Ausgaben für Asyl drei Tausendstel des gesamten Bundeshaushaltes aus. Die Zahlen und Fakten von Pro Asyl werden noch deutlicher. Demnach waren Ende 2012 weltweit insgesamt 45,2 Millionen Menschen auf der Flucht, 81 Prozent davon lebten in Entwicklungsländern. Von Anfang 2011 bis März 2013 waren rund 30.000 Personen aus Syrien nach Deutschland eingereist, die Europäische Union erreichten insgesamt rund 90.000 syrische Flüchtlinge. In den Nachbarstaaten Syriens hielten sich hingegen rund 2,6 Millionen Flüchtlinge auf.

Nicht besser, eher im Gegenteil, sieht es mit Legida aus. In deren Positionspapier werden Positionen aufgemacht zum Erhalt „… unserer abendländischen Kultur, teilweise sogar zu ihrer Wiedererlangung und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung…„. Danach folgte die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz (de facto wie Pegida). Es wird „Multikulti auf Regierungsbefehl“ kritisiert und eine Generationenhaftung im Hinblick auf die Geschichte abgelehnt. Neben weiteren Punkten, die sich nur im Zusammenhang mit den Grundaussagen erklären, wird eine Verschärfung des Strafrechts gefordert und die sofortige Einstellung „staatlicher Finanzierung von außerparlamentarischen politischen Vereinigungen„. Mir ist ja noch nicht so richtig klar was die damit meinen, aber in Übereinstimmung mit der Forderung nach mehr Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten scheint mir das nicht zu stehen. Doch es gibt ja nicht nur das Positionspapier, sondern auch noch die Erläuterungen dazu. Bei der Strafrechtsverschärfung geht es demnach unter anderem um Betäubungsmittelkriminalität und  darum „völlig neue Taten, die über die Vernetzung von Personen über das Internet entstehen, zu bewerten und ggf. als Straftat zu bewerten“. Hä? Welche Taten? Der Finanzierungspunkt erklärt sich aus den Erläuterungen auch nicht wirklich, denn es heißt dort: „Mit der staatlichen Finanzierung von Parteien ist der Pflicht des Staates, die politische Meinungsbildung zu fördern, Genüge getan. Weitergehende Finanzierungen von außerparlamentarisch tätigen politischen Vereinigungen sind daher nicht notwendig, da allein die Vielfalt der politischen Parteien ausreichend Möglichkeit bietet, sich politisch zu betätigen.“ Ich verstehe nur, dass Legida Parteien finanzieren will und sonstige politische Vereinigungen sich allein über Spenden finanzieren sollen, also zum Beispiel keine Fördergelder bekommen sollen. Zivilgesellschaft geht aber anders und auf der einen Seite gegen „die Politik“ meckern um dann Alternativen die Finanzierung abzuschneiden ist auch nicht wirklich logisch.

Es ist meines Erachtens zu einfach, zu behaupten, diejenigen die bei Pegida oder Legida mitlaufen haben ein Problem mit herrschender Politik, deshalb sind sie für Dialog offen und muss z.B. die Partei DIE LINKE mit ihnen in Dialog treten. Nicht jeder der etwas ablehnt ist mein Bündnispartner. Der Feind meines Feindes ist mein Freund galt vielleicht vor 1990, jetzt aber nicht mehr. In Bezug auf den relevante Teile des Friedenswinters habe ich das hier bereits ausgeführt. Mein Eindruck ist, die Kritik an der herrschenden Politik ist nur oberflächlich. Es ist halt wirklich Wutbürgertum, nicht aber eine Wut über die herrschenden Produktions- und Lebensweise (Kapitalismus), sondern Angst auf der Grundlage von rassistischen und nationalistischen Vorurteilen. Angst vor „fremdem“ und der Wunsch noch Homogenität eines Landes.

Aber ja, ich bin Dialogbereit. Ich bin Dialogbereit, wenn es darum geht darüber nachzudenken, was der Verwertungslogik und der Unterordnung aller Lebensbereiche unter den Makt entgegengesetzt werden kann. Ich würde gern über einige Dinge reden.

1. Ich würde gern darüber reden, dass solange es Nationalstaaten gibt, Deutschland weltoffen sein soll. Jede/r soll hier leben können, es soll gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen geben. Als erster Schritt könnte ja ein Dialog geführt werden, wie das Asylrecht in seiner Substanz wieder hergestellt werden kann und das Zuwanderungsgesetz von den Verwertbarkeitskritieren für Menschen befreit wird.

2. Ich würde gern darüber reden, welchen Beitrag Deutschland für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung leisten kann. Das Verbot von Rüstungsproduktion und -export, das Verbot die Bundeswehr in Auslandseinsätze zu schicken und die Verwendung von 0,7% des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit wäre ein Anfang.

3. Ich würde gern darüber reden, wie mehr direkte Demokratie -ist ja keine neue Idee und wird seit Jahren auch im Parlament von den einen oder anderen gefordert- durchgesetzt werden kann. Allerdings will ich, was sich eigentlich aus Punkt 1. ergibt, dass alle hier lebenden Menschen mitentscheiden können.

4. Ich würde gern darüber reden, wie Europa demokratischer gestaltet werden kann. Ein Konvent der eine neue Verfassung der Europäischen Union erarbeitet,  ein eigenständiges und vertraglich gesichertes Initiativrecht für Gesetzgebungsvorhaben des Europäischen Parlaments und in der Perspektive ein Europäischer Staatenbund oder ein europäischer Bundesstaat sind aus meiner Sicht diskutierenswerte Punkte.

5. Ich würde gern diskutieren, wie die Umverteilung von Armut und Reichtum tatsächlich stattfinden kann. Nicht nur in Deutschland, sondern -siehe Punkt 2- umfassender. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine Vermögensabgabe oder -steuer, eine Millionärssteuer (auf Einkommen) und eine andere Erbschaftssteuer könnten ja Instrumente sein.

6. Ich würde gern diskutieren, wie eine soziale Mindestsicherung oder ein bedingungsloses Grundeinkommen für jede/n hier Lebenden gewährleistet werden kann.

7. Ich würde gern darüber diskutieren, ob zur Begrenzung von Exorbitanten Gehältern (in der Wirtschaft) die unter Punkt 5 genannten Vorschläge ausreichen oder ob darüber hinaus auch andere Ideen weiter verfolgt werden sollten. Immerhin gibt es ja unter anderem die Idee, dass niemand mehr als 40-mal so viel verdienen sollte wie das gesellschaftliche Minimum.

8. Ich würde gern darüber diskutieren, wie immer neuen Überwachungsideen und immer weitere Verschärfung von Gesetzen etwas entgegengesetzt werden kann. Kurz: Wie kann weniger Überwachung und mehr Freiheit aussehen?

9. Ich würde gern darüber diskutieren, wie Antworten auf die gesellschaftlichen Veränderungen durch Digitalisierung aussehen könnten. Antworten die den Zusammenhalt der Gesellschaft in ihrer Vielfältigkeit erhalten, einen sozial gerechten Zugang zur Informationsgesellschaft ermöglichen und dennoch Freiheit bewahren. Ich würde gern darüber diskutieren, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf Erwerbsarbeit und Solidarsysteme hat.

Diese neun Punkte sind glaube ich deutlich herrschaftskritischer als die auf Ausgrenzung basierenden Punkte von Pegida und Legida. Diese Gruppierungen suchen Sündenböcke und setzen auf nationalistische und rassistische Antworten. Damit kann es keinen Dialog geben. Ohne Ausgrenzungsideologie, Nationalismus und Rassismus schon.

 

2 Replies to “Worüber sich Reden lohnen würde”

  1. Ihr Beitrag trifft genau die Ängste der Menschen. Ich finde Ihn gut. Sie habe in Ihren 9 Punkten genau die Felder dargestellt ,die die Menschen im täglichen Leben als von der Politik (ausgenommen Die Linke) nicht beachtet wahrnehmen. Die Menschen brauchen immer jemand der organisiert und dem Sie folgen können. Sie werden aber von der Politik nicht beachtet und eine Gruppe die Ihre Interessen in der Öffentlichkeit vertritt gibt es noch nicht. Deshalb gehen Sie zur PEGIDA Demonstration oder Gegendemonstration. Diese Menschen wollen auch nicht an organisierten Gesprächsrunden teilnehmen, weil Sie eh nur an die Wand gequatscht werden.
    Letztendlich werden bei den Gesprächsrunden überwiegend PEGIDA Themen diskutiert werden. Es gibt, außer den Linken, keine Partei mehr in Deutschland die sozialdemokratische Ziele vertritt (höchstens im Wahlkampf). Wenn Deutschland sozialer wird, Harz IV weg, Leiharbeit weg, Mieten runter u.s.w. werden Menschen die aus unterschiedliche Gründen zu uns kommen und die wir ja auch brauchen nicht mehr als Ursache für den Sozialabbau betrachtet.

  2. Pingback: Das war 2015 | Blog von Halina Wawzyniak

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