Zeit zum Innehalten

Sylvia Yvonne Kaufmann ist zur SPD gewechselt. Begründungen für diesen Schritt sind derzeit nur wage zu bekommen, eine eigene Erklärung von ihr habe ich nicht gefunden.

Was Sylvia Yvonne Kaufmann als Begründung abgibt, teile ich so nicht.  DIE LINKE ist kein Haufen Sektierer und es siegte auch nicht pure Ideologie über Vernunft. Insbesondere der Leitantragesentwurf des Wahlprogramms als Kompromiss aller Strömungen zeigt, das dem nicht so ist.  Ich hätte gern mit Sylvia Yvonne weiter dafür gekämpft, dass es so bleibt.

Ich bedauere den Schritt von Sylvia Yvonne und ich glaube nicht, dass sie in der SPD wirklich das findet, was sie sucht.  Ich bedaure es, weil ich gern mit Sylvia Yvonne Kaufmann gearbeitet habe, auch wenn wir Differenzen in einigen Punkten hatten. Sylvia Yvonne war es, die den Parteitag im April 2000 in Münster wesentlich dazu gebracht hat, gegen UN-Einsätze zu sein. Ich war damals nicht auf ihrer Position, werde aber nicht, wie vieler ihrer damaligen Mitstreiter vermutlich jetzt noch nachtreten.

Ja, ich teile Sylvia Yvonnes Einschätzung und vehemennte Verteidigung des Lissabon-Vertrages und der EU-Verfassung nicht. Ich nehme aber auch zur Kenntnis, dass sie ziemlich ehrlich argumentiert hat in ihrem Buch zum Lissabon-Vertrag.  Opportunismus jedenfalls kann man ihr nicht vorwerfen.  Und so ganz nebenbei: bei der letzten Europawahl konnte frau auch auf einen Listenplatz kommen, ohne dem Wahlprogramm zugestimmt zu haben.

Ich finde es nicht fair diesen Schritt unmittelbar während des Europawahlkampfes zu machen und damit uns fette Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Und ich finde es nicht fair, heute noch eine Pressekonferenz zum Übertritt zu machen.

Und trotzdem -für alle die gern interpretierend lesen: Ich finde den Schritt falsch- sollte  dies  eine Moment des Innehaltens für uns bedeuten. Wie gehen wir mit uns selbst um? War der Umgang mit Sylvia Yvonne in Essen fair, die Art wie sie angegriffen wurde? War es fair wie vorher mit ihr umgegangen wurde? Ich glaube nicht. Und hier meine ich nicht, dass jemand nicht gewählt wird, sondern was im Vorfeld an unsachlichen Angriffen gefahren wurde.  Ich glaube auch nicht, dass es fair sein wird, was jetzt demnächst gleich als Erklärungen kommen wird. Ich sehe sie quasi vor mir: „wussten wir schon immer„, „jetzt ist sie da wo sie hingehört“ usw.

Aber ich muss mich auch selbst fragen: Warum habe ich mich eigentlich nach Essen nicht bei ihr gemeldet?

Ein trauriger Tag.  Vielleicht auch aber ein Tag wo wir noch mal anfangen sollten über uns nachzudenken.

Traumboot

[update]: ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell bestätigt werde. sorry, aber dazu fällt mir nur wirklich nichts mehr ein.

17 Replies to “Zeit zum Innehalten”

  1. dem kann ich mich nur anschließen! und wer den haufen sektierer sucht, dem empfehle ich gern mal die Diskussionsliste der Kölner Linken…

  2. traurig…
    dennoch eine Feststellung: Mit SYK ist schon die zweite ehemalige Parteivorsitzende der PDS in die SPD übergetreten! Was wird also in Zukunft aus Frau Wawzyniak? FDP oder doch die Grauen…

  3. @halina: „Pure Ideologie siegte über Vernunft“ bezieht sich nicht auf den enturf des wahlprogramms, sondern auf die europapolitik, die ablehnung der verfassung.

    wer die debatte dazu verfolgt hat, kann kaum zu dem ergebnis kommen, dass syk da vollkommen unrecht hat.

    auch das gehört vielleicht zum innehalten.

  4. Warum brechen bei SYK plötzlich die Tränen aus, während man auf einem Dierkes nach Herzenslust rumkloppen kann und die Tränendrüse trocken blieb? Ich gratuliere SYK zu ihrer Kosequenz (und ehrlich war sie auch, muss man schon sagen), ich finde, sie ist jetzt da, wo sie politisch hingehört und vielleicht springt ja noch die Fortsetzung der Politik als Beruf dabei raus. Aber ich kann ihr keine Träne nachweinen und freue mich gar über die inhaltliche Klärung ein klein wenig.
    Gruß.

  5. Nur um keine Zweifel aufkommen zu lassen, sas Lumpenintellektuelle wie Dehm und Pflüger in eurer Europapolitik etwas zu kamellen hat ist für mich als Wähler in der Tat tragisch. Die Email an Stefan Liebich ist sicherlich eine Frechheit und im übrigen auch wirklich dumm.

    Gleichwohl kann ich mir zu Sylvia-Yvonne Kaufmann einige Anmerkungen nicht verkneifen:

    1. Die Art und Weise, wie SYK ihre politische Niederlage von vornherein als persönliche Kränkung verarbeitet und präsentiert hat, ohne in irgendeiner Form Rücksicht auf irgendwas oder irgendjemanden zu nehmen ist mir äußerst unsympathisch. Dass sie offensichtlich unfähig ist, von ihrer eigenen Betroffenheit auch nur minimal zu abstrahieren ist unpolitisch, unprofessionell und narzisstisch – dieses Verhalten bringt sie in Konkurrenz zu Angelika Beer um den Posten der eitelsten Heulsuse Europas. Ihre jetzige Entscheidung, sich zu revanchieren, indem sie ihren übertritt zur SPD im Wahlkampf derart inszeniert und damit ja auch dem Teil er Partei schadet, der sie unterstützt hat, ist auch nicht dadurch zu entschuldigen, dass sie „unfair“ behandelt wurde, schließlich handelt es sich um einen erwachsenen Menschen.

    2. Sicherlich ist die „Europakritik fürs schlichte Gemüt“ von Dehm et al keine intellektuelle Freude, nur wird die ebenfalls reichlich vorhandene Inkompetenz SYKs durch die (vielleicht noch größere) Beschränktheit der anderen nicht geheilt. Denn leider verlassen ihre Position das unpolitische Niveau von Sonntagsreden in der Regel nicht und sind bestenfalls naiv. Eine differenziert Analyse, die dem hochgradig ambivalenten Charakter der EU gerecht würde vermag sie genauso wenig zu leisten wie ihre (ehedem) parteiinternen Kontrahenten. Für politische Praxis taugt beides nicht.

    3. Mit ihrer Erklärung auf dem Nominierungsparteitag 2004: „Parteien müssen Debatten auch abschließen und eine klare Position formulieren. Wir haben uns entschieden, Nein zum vorliegenden Entwurf zu sagen, weil wir Aufrüstung entschieden bekämpfen und weil wir neoliberale Wirtschaftspolitik nicht tolerieren“ hat sie die Delegierten in einer Weise hinters Licht geführt, dass man schon die ganz große Lupe auspacken muss um den Unterschied zur Lüge noch zu finden. Opportunismus ist das allemal und hätte bereits gerechtfertigt, sie nicht mehr zu nominieren.

    Wie inkompetent, wie unpolitisch, wie eitel und wie opportunistisch sie ist, zeigt sich nicht zuletzt im Übertritt zur SPD, wenn dass ihre Gegenposition zu Dehm und Pflüger ist, dann hat sie spätestens damit ihre Nichtnominierung gerechtfertigt. Für Europa ist sie jedenfalls kein Verlust.

  6. @ paul: ich breche nicht in tränen aus, bei dierkes habe ich inhaltlich argumentiert und hätte es, wäre er den schritt des austritts gegangen, ebenfalls schade gefunden.
    was ich vermisse, ist die klare aussage, dass leute die vielleicht ähnliche gedanken haben doch lieber mit dir und mir gemeinsam in einer partei weiter kämpfen sollen.

  7. Aber ist denn SYK inhaltlich genau wie Wechselberg nicht schon lange aus der Partei ausgetreten? Wie auch einige andere, die lediglich den administrativen Schritt noch scheuen?
    @Peter: Pflüger und Dehm als „Lumpenintelektuelle“ zu bezeichnen, ist ziemlich unverschämt. Vielleicht solls aber auch ne Ironie sein, die ich nicht verstehe…Ich bin jedenfalls nicht in die Partei „“mit den tollsten Intellektuellen“ eingetreten!

  8. @paul: nein war sie und ist carl nicht… wir sind pluralistisch und halten das aus… aber man kann natürlich auch durch die art wie man diskutiert, die partei leuten unerträglich machen….

  9. @paul
    Was mich hier am meisten nervt ist, daß Leute wie Du hier ständig versuchen festzulegen, wer in diese Partei gehört und wer nicht. Ein Dierkes zumindest weniger als SYK, wenn man schon deses Fass aufmacht. Da wo andere noch bequem von der Weltrevolution träumen und ihren Südamerikafetisch ausleben, hat SYK Verantwortung übernommen – im hier und heute. Solange das Tauschverhältnis so ist, daß wir für einen pragmatisch denkenden Parteiaustritt zwei bekloppte Sektierer dazu bekommen, so ist das kein gesundes Verhältnis, wie ich finde. Nun muß man nicht alles von ihr imnhaltlich teilen – ich für meinen Teil tue dies nicht – aber zumindest den Anstand und die Größe sollte man haben, Respekt vor Lebens- und Aufbauleistung zu zeigen und eben nicht nachzutreten. Dies offenbart schlechten Stil und erinnert an Kindergeburtstag.

  10. Naja, offenbar ist dir ja „dazu“ wenigstens noch eingefallen „das“ ins Netz zu stellen, damit die Kollegen beim Spiegel sich nicht so sehr langweilen. Und damit der Affe bürgerliche Medien auch genug Zucker für seinen Angriff hat.

  11. @Paul: wieso gibt das dem Affen bürgerliche Medien Zucker? Schau mal auf das Datum, es war unmittelbar nachdem SYK übergetreten ist. Und was daran falsch ist, verstehe ich nicht.

  12. Es ist keine Schande zu gehen, wenn man sich politisch nicht mehr aufgehoben fühlt. Oskar Lafontaine ist von seinen Ämtern zurückgetreten und schließlich aus der SPD ausgetreten. Die aktuelle Krise zeigt, daß seine Forderungen damals richtig waren. Sein Fehler war es sich nicht zu äußern. So etwas sollte gerade in einer Situation wie dieser (Europawahlkampf) inhaltlich geschehen. SYK vergreift sich in der Wortwahl. Sie ist dabei in guter Gesellschaft. Wechselberg, Brie…

    Das FDS sollte auch einmal überlegen ob dies der richtige Weg ist für einen Wähler eine Partei regierungsfähig zu machen. „Danke“ für die Unterstützung solcher Leute. Steilvorlagen wie DIE LINKE sei wie die SED machen weitere Bemühungen des FDS, DIE LINKE in Koalitionen zu sehen absurd!
    Ich bin auch für Koalitionen und eine Regierungsbeteiligung. Allerdings nur da wo sie möglich ist und eben nicht um jeden Preis.
    Ich bin in keiner Strömung und das wird auch so bleiben. Ich bin Keynesianer und Gesamtlinker. Als ehemaliger CSUler schätze ich den Pluralismus in der Partei DIE LINKE. Manche Strömungsauswüchse gehen mir zu weit.

  13. Ist schon richtig, dass Du das Ding vor dem Erscheinen der dazu veröffentlichten Artikel ind er Presse ins Netz gestellt hast. Dadurch wird der LINK derst zu einer QUELLE, derer sich die Medien nach freundlichen Hinweisen bedienen dürfen. Muss man auch nicht verstehen, wenn man nicht will.

  14. Pingback: Der Sommer | Halina Wawzyniak

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