Die Große Koalition aus SPD und CDU hat nun ihren Wahlrechtsgesetzentwurf vorgelegt. Mit diesem Entwurf soll eine Vergrößerung des Bundestages vermieden werden. Der Wahlgesetzentwurf enhält drei Vorschläge die sich konkret auf das Wahlrecht beziehen und eine Kommission. Im Detail:

Die Zahl der Wahlkreise soll mit Wirkung zum 1. Januar 2024 von 299 auf 280 reduziert werden. Überhangmandate werden erst ab dem dritten Überhangmandat ausgeglichen. Es gibt die Möglichkeit der Anrechnung von Wahlkreismandaten auf Listenmandate der gleichen Partei in anderen Ländern. Einsetzung einer Reformkommission die sich mit Fragen des Wahlrechts befasst und hierzu Empfehlungen erarbeitet.

Die Punkt 1 und 4 sind leicht zu verstehen. Die Reduzierung der Wahlkreise wird nicht ausreichen um eine Vergrößerung des Bundestages zu vermeiden, dazu ist die Reduzierung zur gering. Was an Direktmandaten im Übrigen problematisch ist, habe ich hier schon aufgeschrieben.

Schwieriger wird es schon bei den Punkten 2. und 3. Hier stellen sich nämlich Fragen: Welche Überhangmandate sind eigentlich diejenigen, die unausgeglichen bleiben?…

Nachdem ich auf den § 6 Abs. 1 S. 2 Bundeswahlgesetz hingewiesen habe, gab es Nachfragen, wie es eigentlich in diesem Fall mit der staatlichen Parteienfinanzierung aussieht. Der § 18 Abs. 3 Nr. 1 des Parteiengesetzes besagt, das Parteien 0,70 Euro für jede für ihre jeweilige Liste abgegebene gültige Stimme erhalten. Was ist nun aber mit den Stimmen für eine Landesliste, wenn ein/e unabhängige/r Einzelbewerber/in oder ein/e Bewerber/in einer Partei ohne Landesliste ein Direktmandat gewinnt? Wie bereits ausgeführt werden nach § 6 Abs. 1 S. 2 Bundeswahlgesetz die Stimmen für eine Partei in diesem Fall ja für die Verteilung der nach Landeslisten zu vergebenden Sitze nicht berücksichtigt.

Die Überraschung folgte auf dem Fuß. Ich zumindest konnte keine Aussage in der Literatur zu dieser Frage finden. Da aber in § 6 Abs. 1 S. 2 Bundeswahlgesetz lediglich von einer Nichtberücksichtigung die Rede ist und der § 39 Abs. 1 ein Definition der ungültigen Stimmen enthält (Stimmzettel…

Der § 6 Abs. 1 Satz 2 Bundeswahlgesetz lautet: „Nicht berücksichtigt werden dabei die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 20 Absatz 3 oder von einer Partei vorgeschlagen ist, die nach Absatz 3 bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt wird oder für die in dem betreffenden Land keine Landesliste zugelassen ist.“ Der Passus „nicht berücksichtigt“ bezieht sich dabei auf die Verteilung der nach Landeslisten zu besetzenden Sitze. Bei dieser Verteilung werden die Zweistimmen, die auf eine Landesliste einer Partei entfallen zusammengezählt. Der § 20 Abs. 3 bezieht sich auf sog. Einzelbewerber/innen, also jene die ohne eine Partei antreten.

Diese Regelung ist nicht neu, ich konnte recherchieren, dass sie mindestens seit 1975 gilt. Auch DIE LINKE hat -insoweit übe ich mal Selbstkritik- in ihrem Gesetzentwurf  diesen Teil des Wahlrechts unangetastet gelassen. Nach meinem eigenen Gesetzesvorschlag, der in der Fraktion nicht mehrheitsfähig war, wäre dieser Passus…