Was tun?

Vermutlich in dieser Woche wird der Bundestag und werde damit auch ich über sog. Griechenland-Hilfen entscheiden müssen. Das „Hilfsprogramm“ für Griechenland soll um vier Monate verlängert werden. Bedingung dafür ist aber, dass ein „Reformprogramm“ mit konkreten Reformzusagen der griechischen Regierung vorgelegt und an die Institutionen, früher unter dem Begriff „Troika“ bekannt, zur Prüfung übersandt werden. Die sogenannten Institutionen sind die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Sagen die okay, entscheiden die Finanzminister der Eurozone per Telefonkonferenz. Sollten die sog. Institutionen ihr okay verweigern, dann muss ein Treffen der Finanzminister stattfinden. So jedenfalls steht es hier.

Gleich vorweg, mir ist die Idee von Europa wichtig. Mit dem Denken in Staatsbürgerschaftskategorien habe ich schon seit längerem meine Schwierigkeiten gehabt. Deswegen würde ich mich freuen, wenn es irgendwann einen europäischen Bundesstaat mit einer Transferunion geben würde, also sowas wie den Länderfinanzausgleich in Deutschland. Ich will weder eine Staatspleite Griechenlands noch will ich den Austritt Griechenlands aus dem Euro. Aber ich will auch ein Ende der Austeritätspolitik und das die Hilfen tatsächlich der griechischen Bevölkerung zu Gute kommen. Genau das macht mich jetzt unsicher, was zu tun ist.

Da ist zum einen der Wunsch der Regierung Syriza (zumindest zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Beitrages), dass es diese Hilfen gibt. Syriza ist eine Partnerpartei innerhalb der Europäischen Linken der Partei DIE LINKE. Viele in der Partei DIE LINKE haben sich kurz vor der Wahl in Griechenland und auch danach gar nicht mehr einbekommen vor Bezugnahme auf Syriza. Die neuen Helden waren geboren. Einigen war es gar zuviel, wenn die -vorsichtig formuliert- nicht unproblematische Koalition mit Anel kritische erwähnt wurde. Ist es dann nicht auch logisch, dem Wunsch von Syriza zu folgen und der Hilfe für Griechenland zuzustimmen? Sich nur in Guten Zeiten positiv auf andere zu beziehen und in Schlechten Zeiten dann die Wünsche des anderen  ignorieren ist wenig solidarisch. Muss nicht bei der Entscheidung überlegt werden, was die Folge einer Ablehnung der Hilfe wäre? Kann diese nicht im Erstarken der Nazis in Griechenland bestehen, in Neuwahlen und möglicherweise noch schlimmeren Zuständen für die Bevölkerung? Wenn all das geschehen könnte, spricht nicht auch das für eine Zustimmung?

Diese Fragen stehen auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite stelle ich mir die Frage, ob die vier Monate, die Griechenland durch die Hilfe gewinnt wirklich ausreichen um eine Anti-Austeritätspolitik (Antikürzungspolitik) zu entwickeln. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl heißt es: „Auch wenn die Europäische Währungsunion große Konstruktionsfehler enthält, tritt DIE LINKE nicht für ein Ende des Euro ein. Voraussetzung für dessen Fortbestand ist, dass der Kurs der Austerität, der Kürzungspolitik, beendet wird.“ Müsste deshalb DIE LINKE nicht den Hilfen zustimmen, wenn sie einen Beitrag leisten, den „Kurs der Austerität, der Kürzungspolitik,“ zu beenden? Und  wenn das nicht der Fall ist, kann sie dann zustimmen? Was ist mit der vielfach geäußerten Kritik an der Troika? Im Europawahlprogramm heißt es im Hinblick auf die Troika: „Sie entscheidet ohne demokratische Legitimation und vertritt die Interessen von Banken und Konzernen.“ Gilt diese Kritik noch und wenn ja, kann DIE LINKE einer Entscheidung einer Institution „ohne demokratische Legitimation“ überhaupt zustimmen? Und kommt die Hilfe in Griechenland nicht doch wieder den Banken zu Gute und nicht den Menschen?

Müssten also nicht alleinige Kriterien für die Frage einer Zustimmung oder Ablehnung sein:

  • Ob die Hilfe zur Beendigung der Austeritätspolitik beitragen?
  • Ob generell nicht demokratisch legitimierte Gremien wie die sog. Institutionen eine solche entscheidende Rolle spielen dürfen?
  • Ob die Hilfe nicht am Ende doch wieder nur den Banken zu Gute kommt?

Oder ist das zu einfach, zu statisch gedacht?

Wenn ich das richtig sehe, will die griechische Regierung im Rahmen des Reformprogramms 7 Mrd. € an Einnahmen durch die Bekämpfung von Tabak- und Treibstoffschmuggel, durch die Besteuerung reicher Griechen/Griechinnen und durch das Eintreiben von Steuerschulden bei Bürgerinnen/Bürgern sowie Unternehmen erzielen. Sind das nicht Maßnahmen die es Wert sind unterstützt zu werden, weil sie in eine neue Richtung weisen? Und wäre es dafür nicht wert die eben benannten Kriterien nicht ganz so genau zu nehmen? War vielleicht im Rahmen der Verhandlungen nicht mehr herauszuholen und muss deshalb das Ergebnis akzeptiert werden? Aber wenn sich immer nur auf das Machbare eingelassen wird, wie soll dann die Welt verändert werden?

Und was bedeutet es für DIE LINKE in Deutschland, wenn sie jetzt den Griechenland-Hilfen zustimmt? Sie kann dann in meinen Augen in weiteren Fällen von Hilfspaketen für andere europäische Länder auf keinen Fall mehr das Argument bringen, sie stimme nicht zu, weil die Troika nicht demokratisch legitimiert sei. Denn wer einmal eine Entscheidung eines nicht demokratisch legitimierten Gremiums akzeptiert, kann nicht bei der nächsten Entscheidung das als entscheidendes Argument vorbringen.

Ich habe im Moment mehr Fragen als Antworten. Ich bin gespannt auf die Debatte in der Fraktion und ich bin gespannt auf das konkrete Reformprogramm, das von der griechischen Regierung vorgelegt wird. Ich werde alle Argumente sorgfältig abwägen und dann entscheiden. Ein Argument werde ich, sollte es kommen, aber ignorieren. Das ist das Argument: „Auf unsere Stimmen kommt es doch nicht an„. Wenn dieses Argument schlüssig sein sollte, dann können wir das mit dem im Parlament sitzen auch sein lassen. Auf unsere Stimmen kommt es da nämlich meistens nicht an. Aber wir müssen trotzdem abstimmen und ja, mit einer Abstimmung gibt mensch auch immer eine Position oder Auffassung kund. Eine Auffassung, mit der andere Menschen überzeugt werden sollen. Deshalb will ich in der Sache entscheiden. Nach Abwägung aller Argumente.

4 Replies to “Was tun?”

  1. Danke fuer den post. Ich finde es schoen, dass du offen die schwierigkeiten kommunizierst, die du empfindest. Ich finde auch deine haltung ggü menschen in griechenland fein. Und auch den letzte absatz, der die symbolische relevanz betont empfinde ich in der aussage richtig.

  2. Da sich im Bundestag wohl eine „Oder-Neiße-Mehrheit“ (insgesamt breite Mehrheit und Bauchgrummeln beim Stahlhelmflügel, also CSU plus Steinbach) abzeichnet, sind die linken Stimmen nicht ausschlaggebend.
    Die Debatte an sich kann für die Linksfraktion wichtiger sein als das Abstimmungsverhalten: Dass Merkel & v.a. Schäuble aktuell Tsipras zum Steuerschlupflöcherstopfen und Korruptionsbekämpfen mahnen, erinnert an fehlende Appelle gleicher Art an den EVP-Parteifreund und Tsipras-Vorgänger Samaras. Sollte Gregor Gysi nicht unerwähnt lassen.

  3. Pingback: Nach dem Showdown – Zur Debatte über die griechischen Reformbemühungen nach dem Brüsseler Schuldengipfel

  4. Pingback: Mit “Ja” stimmen | Blog von Halina Wawzyniak

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