Absurde Debatte

Im Wahlkampf wird die ganze Zeit über die Migrationskrise geredet und das „wir das nicht schaffen“. Es ist richtig, dass es Probleme gibt. Das zu verschweigen ist absurd, aber die Lösungsansätze die Menschen mit Migrationshintergrund pauschal dafür verantwortlich zu machen und Zuwanderung einzuschränken entspringen der Logik, die Daseinsvorsorge zu vernachlässigen und dann Freiheitsrechte zu entziehen, hier zu Lasten der neuen Mitbürger*innen. Die ganze Debatte ist eine spaltende Debatte: Hier sind wir und da die „Anderen“.  Über die Absurdität des „wir“ habe ich hier schon geschrieben. Die Debatte ist nicht nur spalterisch, sie führt auch an den eigentlich zu führenden gesellschaftlichen Continue Reading →

Warum Populismus die Demokratie gefährdet

Populismus, in der Definition der Bundeszentrale für politische Bildung, ist eine Grundhaltung radikaler Opposition zu den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Eliten, die für sich reklamiert, den „wahren“ Volkswillen zu erkennen und zu vertreten. Diese Haltung findet ihren Ausdruck „in der dichotomischen Abgrenzung des moralisch guten, tugendhaften Volkes von den als korrupt und selbstsüchtig bezeichneten Vertretern des sogenannten Establishments.“ Eine radikale Opposition zu herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen (hier wird bewusst auf Verhältnisse abgestellt und nicht auf einen undefinierbaren Elitenbegriff) ist angesichts des Zustandes der Welt eigentlich eine Notwendigkeit. Denn wenn der Planet wegen des Klimawandels unter dem Ar*** wegexplodiert ist, Continue Reading →

Hochrisikospiele, das BVerfG und das Problem mit Leitsatz 2

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hochrisikospielen im Fussball wird öffentlich vor allem im Hinblick auf die Konsequenz debattiert, also ob und wieviel Geld die Vereine abdrücken müssen, auf wen diese das gegebenenfalls umlegen und ob die jeweiligen Landesregierungen eine Gebührenordnung anstreben. Die Entscheidung ist aus meiner Sicht im Einzelfall richtig und nachvollziehbar, enthält aber mit zwei Sätzen im Leitsatz 2 ein richtiges Problem. Der Leitsatz 2 des Urteils lautet: „Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie (die polizeiliche Sicherheitsvorsorge –H.W.) ist keine allgemein staatliche Tätigkeit, die zwingend Continue Reading →

Konkret gut aber abstrakt problematisch

So wäre zumindest meine Kurzfassung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Abschöpfung von Übergewinnen im Rahmen der Strompreisbremse. Konkret ist die Entscheidung gut, weil die Strompreise bestätigt wurde. Abstrakt ist die Entscheidung problematisch, weil sie für andere Fälle konkreter Knappheit nicht per se Abschöpfungen erlaubt. Das Hauptproblem der Entscheidung liegt im Leitsatz 3 (Ls 3), denn dieser besagt: „(…) Allein der Umstand, dass bei einer wettbewerblichen Preisbildung in Knappheitssituationen besonders hohe Gewinne oder Erlöse anfallen, kann deren Abschöpfung zugunsten der Verbraucher nicht rechtfertigen.“  Mal abgesehen davon, dass das mit dem Markt mit freier wettbewerblicher Preisbildung in Knappheitssituationen nicht so funktioniert, ist dies Continue Reading →

Neuwahltermin und Fristen

Es wird gerade viel um einen Neuwahltermin gestritten. Die Debatte ist häufig unterkomplex und droht ins verschwörungstheoretische zu kippen. Was dabei völlig aus dem Blick gerät, ist neben der Frage der Wahlorganisation durch die Wahlorgane, die Frage wie Parteien eigentlich bei einem Neuwahltermin an einer Wahl teilnehmen können und wie hier Chancengleichheit gewahrt werden kann. Das Bundeswahlgesetz Der Art. 38 Abs. 3 GG regelt hinsichtlich der Wahl, dass das Nähere ein Gesetz regelt. Dies ist das Bundeswahlgesetz. Der Wahltag muss zwingend ein Sonntag oder ein Feiertag sein (§ 16 BWahlG). Nach dem § 18 Abs. 2 BWahlG müssen Parteien, die Continue Reading →

Warum die City ID eine gute Sache ist, auch wenn sie keine Revolution bedeutet

Nachdem bereits im Jahr 2020 die Linksfraktionen in Berlin und Hamburg ein Gutachten zur Machbarkeit der City ID veröffentlicht hatten, liegt nunmehr auch das von der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung (ASGIVA) in Auftrag gegebene Gutachten vor. Im Ergebnis kommen beide Gutachten dazu, dass eine solche City ID machbar wäre. Der Vorteil des von ASGIVA in Auftrag gegebenen Gutachtens besteht darin, dass es über die rechtswissenschaftliche (Realisierungs)Frage hinaus auch einen Sozialwissenschaftlichen Teil hat, der für die Herleitung und Begründung der Notwendigkeit und Richtigkeit eine City ID nicht zu unterschätzen ist.  Denn Sozialwissenschaftlich wird Urban-Citizenship eben nicht Continue Reading →

Mehr als eine BaföG-Entscheidung

Die BaföG-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist öffentlich nur eine Randnotiz. Das wird ihr aber nicht gerecht, denn sie stellt einen fundamentalen Bruch mit dem Prinzip der Bildungsgerechtigkeit dar. Das Aufstiegsversprechen ist vorbei. Zukünftig gilt wieder, wenn Du zu arm bist, um zu studieren, ist das Dein Problem. Schlimmer noch, das BVerfG schreib fest, dass aus dem Sozialstaatsprinzip kein subjektiver Anspruch auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten hergeleitet werden kann.   BaföG und Sozialstaat Ein Fünftel, bis ein Sechstel der Studierenden erhalten Leistungen nach dem BaföG (vgl. Rz. 6). Wer bisher dachte, dass BaföG ein Studium ermöglichen sollte, wird vom BVerfG Continue Reading →

Wer ist „wir“

Zitat: „Wir schaffen das nicht mehr.“ Zitat: „Wir brauchen die #Asylwende und das Stoppsignal: Macht Euch nicht auf den Weg zu uns!“ Zitat: „Nach #Syrien und #Afghanistan kann abgeschoben werden, weitere Flüchtlinge von dort nehmen wir nicht auf.“ Wer ist „Wir“? Wir Menschen. Wir deutsche Staatsbürger*innen. Wir mit heller Hautfarbe. Wir mit ausländisch klingenden Namen. Wir mit Diskriminierungserfahrung. Wir Frauen. Wir Juristen*innen. Wir Berliner*innen. Wir Mieter*innen. Wir ohne Grundbesitz. Wir gesetzlich Krankenversicherten. Wir von Lohnarbeit Abhängigen. Wir ohne Behinderungen. Wir auf die Daseinsvorsorge Angewiesenen. Wir noch nicht unmittelbar von den Folgen des Klimawandels Betroffenen. Wir Mitglieder in Parteien. Wir Atheist*innen. Continue Reading →

Einwanderung & Einbürgerung, 2017, 2020 und 2024

Laut dem Spiegel vom 26.08. 2024 hat der Staatssekretär im Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Friedrich Straetmanns erklärt: „Eine Einbürgerung ohne Rücksicht auf finanzielle Eigenverantwortung und Sprachtests ist unverantwortlich.“ Bezogen hatte er das auf die Position der Linken. Darauf gehe ich gleich noch ein. Was aus meiner Sicht fahrlässig ist, wenn ein Staatssekretär, zumal ein Staatssekretär für Justiz, der in der Öffentlichkeit als jemand wahrgenommen wird der „Bescheid weiß“ eine Interpretation ermöglicht, nach der eine Einbürgerung ohne Rücksicht auf finanzielle Eigenverantwortung und Sprachtest stattfindet. Das ist nämlich offensichtlich falsch. Hier kann sehr gut nachgelesen werden, welche Voraussetzungen es für den Erwerb der Deutschen Continue Reading →

Selbstverwaltung im Gesundheitswesen

Eines der zentralen Themen, welches immer mehr Menschen bewegt, ist die Frage der Gesundheitsversorgung. Fehlende (Fach)Arztpraxen, lange Wartezeiten für Kassenpatient*innen, drohende Krankenhausschließungen und Zuzahlungen sind ein häufiges Ärgernis. Dieses Ärgernis wird dann an „die Politik“ adressiert, die doch dafür sorgen solle, dass all diese Mangelerscheinungen abgestellt werden. Dieser Wunsch ist mehr als verständlich. Aber kann Politik da etwas machen und wenn ja, was? Ich bin keine Politikerin (mehr) und vor allem kenne ich mich mit Gesundheitspolitik nicht aus. Aber ich bin Betroffene und neugierig. Deshalb habe ich in letzter Zeit versucht, mich mal einzulesen. Am Ende glaube ich, dass Politik Continue Reading →