Am Donnerstag dieser Woche hat der Bundestag zwei im Bereich der Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik nicht ganz unwichtige Gesetze beschlossen. Leider will ich hinzufügen.
1.
Es ging zum einen um eine Änderung des Freizügigkeitsgesetz. Bei den Änderungen geht es u.a. um:
- befristete Wiedereinreiseverbote im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug in Bezug auf das Freizügigkeitsrecht
- Wiedereinreiseverbote sind nun von Amts wegen zu befristen
- die Beschaffung von Aufenthaltskarten oder anderen Aufenthaltsbescheinigungen gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU durch unrichtige oder unvollständige Angaben wird unter Strafe gestellt
- das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche wird unter Berücksichtigung der Vorgaben des Unionsrechts befristet
- es wird eine gesetzliche Regelung in das Einkommenssteuergesetz eingeführt, die die Kindergeldberechtigung von der eindeutigen Identifikation von Antragstellern und ihren zum Kindergeldbezug berechtigenden Kindern durch Angabe von Identifikationsnummern abhängig macht
- der Bund wird die Kommunen um 25 Mio. Euro durch Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft und Heizung nach SGB II entlasten
- die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt für die Impfung von Kindern und Jugendlichen aus EU-Mitgliedstaaten, deren Versicherteneigenschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Zeitpunkt der Schutzimpfung noch nicht festgestellt ist, die Kosten für den Impfstoff
Es ist leicht erkennbar, das es bis auf die letzten beiden Punkte um eine Einschränkung der Freizügigkeit geht. Die Kampagne „Wer betrügt der fliegt“ hat also doch gefruchtet. Leider. Und das obwohl es diesen angeblichen Sozialleistungsmissbrauch so gut wie gar nicht gibt.
2.
Zum anderen ging es um Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz. Die Änderung war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht notwendig geworden. Und dieses enthielt unter anderem die Formulierung: „Auch eine kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland rechtfertigt es im Übrigen nicht, den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken. […] Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsniveaus unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen.” Meine Bewertung des Urteils habe ich damals hier aufgeschrieben. Die abschließende Bewertung lautete: „Der Charakter als Sondergesetz wird durch das Urteil nicht in Frage gestellt, leider. Wir sind also bedauerlicherweise noch weit entfernt davon, das gilt: Gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen. Dennoch ist die konkrete Verbesserung für die Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu begrüßen. Das Urteil sollte als Anfang für den Weg zur Aufhebung des Sondergesetzes begriffen werden.“ Doch genau das hat die Bundesregierung nicht gemacht. Sie hat sich eher an den weniger schönen Aussagen im Urteil zum Beispiel zum sog. Sachleistungsprinzip orientiert.
Der Bundestag hat das Sachleistungsprinzip fortgeschrieben. Darüber hinaus hat er mit den Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz u.a. beschlossen:
- der Bargeldbedarf der Leistungsberechtigten beträgt bei alleinstehenden Leistungsberechtigten 140 EUR
- Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG können zukünftig nach einer Wartefrist von 15 Monaten Leistungen entsprechend dem SGB XII beziehen
- leistungsberechtigte Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben für die erste Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe
- für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG wird nicht mehr auf die Zeiten des Vorbezugs, sondern auf die Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet abgestellt
- der Zeitraum des Bezuges von Leistungen nach dem AsylbLG wird von 48 auf 15 Monate verkürzt, danach soll Anspruch auf Leistungen nach SGB XII bestehen
- Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 25 Absatz 5 AufenthG (Ausreies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich) werden aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung 18 Monate zurückliegt
- Inhaber eines Titels nach § 25 Absatz 4a und 4b AufenthG (vorübergehender Aufenthalt) werden aus dem Anwendungsbereich des AsylblG herausgenommen
Natürlich sind einige dieser Regelungen durchaus besser als das was bisher galt. Aber das Asylbewerberleistungsgesetz bleibt durch und durch diskriminierend. Das Sondergesetz wird beibehalten, statt konsequent Asylsuchende in die Solidarsysteme einzubeziehen. Der Bargeldbetrag bleibt deutlich hinter dem schon nicht existenzsichernden Regelsatz von Hartz IV zurück. Und schließlich macht die Herausnahme von Personengruppen -so sehr es diesen zu gönnen ist- deutlich, es geht entgegen der Aussage des Bundesverfassungsgerichts der Bundesregierung doch um migrationspolitische Erwägungen mit dem Gesetz und nicht um die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das ist beschämend. DIE LINKE hatte einen eigenen Antrag vorgelegt, der unsere Alternativen deutlich macht.
Alles in allem war dieser Donnerstag kein guter Tag für die Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik.