Fakten statt Vorurteile

Bei der morgendliche Urlaubslektüre stieß ich auf einen Hinweis zu einer Studie „Migration und Jugenddelinquenz – Mythen und Zusammenhänge“.  Das Thema sog. Ausländerkriminalität und Jugenddelinquenz beschäftigt mich schon länger. In Alltagsgesprächen begegnet mir die These von einer angeblichen höheren Kriminalitätsbelastung von „Ausländern“ ebenso, wie im politischen Rahmen.

Nun kann eigentlich jedem und jeder die solche Thesen schwingen ein Kriminologielehrbuch empfohlen werden (ist auch nicht so schwer zu  verstehen). Diese nehmen sehr schön auseinander, wer in einer Kriminalstatistik aus welchen Gründen landet. Wenn dann noch hinzugefügt wird, dass die Kriminalstatistik nicht die Verurteiltenstatistik ist wird noch offensichtlicher, dass die Kriminalstatistik zur Untermauerung der These einer angeblich höheren Ausländerkriminalität nicht taugt.

Wem nun aber ein Kriminologielehrbuch zu dick oder zu teuer ist, der oder die kann sich aber auch die Studie zu Gemüte führen. Hier empfehle ich vor allem den Punkt 3, beginnend ab Seite 5.

Die Fakten sind Überzeugend und dürften eigentlich dazu führen, dass die These einer erhöhten sog. Ausländerkriminalität nicht mehr wiederholt wird. Wenn mensch denn Fakten zu Kenntnis nehmen will und nicht weiter seine bzw. ihre Vorurteile pflegen möchte. Ausweislich der Studie hatten im Jahr 2012 von den ausländischen Tatverdächtigen (Achtung! Tatverdächtige, keine Verurteilten!) 20% ihren Wohnsitz im Ausland. Junge „Ausländer“ wohnen eher in stark kriminalitätsbelasteten Gegenden (eher in Großstädten denn in Dörfern). 20% der nichtdeutschen Tatverdächtigen im Jahr 2013 landete in der Kriminalstatistik wegen Delikten, die von Deutschen gar nicht begangen werden können, wie z.B. unerlaubte Einreise oder unerlaubter Aufenthalt. Die absolute Zahl der sog. Ausländern zugeordneten allgemeinen Straftaten in der Kriminalstatistik ist gesunken, bei den sog. Gewaltdelikten hat sich die Zahl sogar halbiert.

Der Vorteil der Studie ist, dass sie -wenn auch nur sehr kurz- auch einen Blick auf die Verurteiltenstatistik wirft. Dies ist deshalb relevant, weil eben erst eine Verurteilung eine/n Tatverdächtige/n zu einem/einer Straftäter/in machen. Auf Seite 8 wird darauf verwiesen, dass der Anteil verurteilter jugendlichen Ausländer von 31,6% im Jahr 1993 auf 19% im Jahr 2012 gesunken ist.

Dankenswerterweise deutet die Studie auch an, dass die Kriminalstatistik nur begrenzt aussagefähig für die tatsächliche Kriminalität ist. Auch das ist im übrigen in jedem Kriminologielehrbuch nachlesbar. Die Kriminalstatistik (so auch auf Seite 9 der Studie) erfasst, was entdeckt und angezeigt wird. Wer sich ein wenig in der Gesellschaft umschaut weiß, wie sowas funktioniert. In Bezug auf das Verhalten von Polizei nennt sich das „Racial Profiling„. Zugespitzt formuliert: Solange es „Racial Profiling“ gibt, wird es immer ein erhöhtes Anzeige- und Verdachtsaufkommen geben. Das Deutsche Institut für Menschenrechte definiert Racial Profiling“ als Methode, das physische Erscheinungsbild, etwa Hautfarbe oder Gesichtszüge als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen heranzuziehen. Die Studie weißt auf dieses Problem am Rande (S. 10) hin. Aus Opferbefragungen -so die Studie- ergibt sich darüberhinaus, „dass die Entscheidung über eine Strafanzeige in beträchtlichem Maße auch durch die Zuordnung des Täters (Anmerkung: korrekt müsste es „Tatverdächtigen“ heißen) zu einer fremdethnisch definierten Gruppe bestimmt wird„. Auch Verkaufs- und Überwachungspersonal soll nach dieser Studie ähnlich agieren.

Kurz und gut, die Studie kommt auf Seite 11 zu dem für mich wenig überraschenden Ergebnis: „Die Befragungsergebnisse widersprechen in der Regel der Annahme von generell höheren Kriminalitätsraten bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund (…).“ Hinsichtlich einer erhöhten Gewaltbelastung wird in der Studie (S. 12) ein Zusammenhang mit einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Religionszugehörigkeit ausgeschlossen und eher auf die soziale Situation und den Bildungsstand abgestellt.

Jugendkriminalität und sog. Ausländerkriminalität waren schon immer willkommene Anlässe für Gesetzesverschärfung. All jenen, die hier ansetzen wollen sei der erste Satz der Zusammenfassung der Studie deutlich empfohlen, auch wenn er eben keine Neuigkeit ist sondern in der Kriminologie seit Jahren so vertreten wird: „Delinquenz ist in erster Linie ein jugendtypischer Bestandteil des Sozialisierungsprozesses und damit ein vorübergehendes Phänomen, das meist ohne Intervention durch Polizei und Justiz abbricht“.

 

 

6 Replies to “Fakten statt Vorurteile”

  1. Studie? Ich liebe ja Studien, vor allem weil damit so viel Schindluder getrieben wird (siehe S. Salzborn). Schnell überflogen viel mir doch glatt eine Vermengung der Begriffe Ausländer und Migrationshintergrund auf und das meist in den Statistiken die Herkunft gar nicht mehr hinterfragt wird. Fazit ? Na dann ist doch alles gut. Linke Einfalt, und das im Urlaub.

  2. Ein paar kleine Einwände.

    Das von Christian Walburg erstellte Gutachten ist eine Auftragsarbeit für den Mediendienst Integration.

    http://mediendienst-integration.de/

    Das Gutachten selbst stützt sich weitestgehend auf Sekundärliteratur sowie einige offizielle Quellen, aber nicht auf alle Kriminalstatistiken der Polizeien der Bundesländer.

    https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Gutachten_Kriminalitaet_Migration_Walburg.pdf

    Vom Sprachduktus her zeigt das Gutachten aus meiner Sicht einige Anzeichen einer im Sinne der Autraggeber erbrachten Dienstleistung mit erwünschten Ergebnissen. Der Autor erscheint mir voreingenommen und wenig wissenschaftlich. Die Distanz fehlt.

    Natürlich sind Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen dennoch Rechtsverstöße, nicht einmal harmlose dazu. Deutsche und andere können solche Verstöße jeweils ebenso im für sie jeweiligen Ausland begehen, mit weit harscheren Folgen als Ausländer bei uns fürchten müssen.

    Hier wurden aus meiner Sicht in dem Gutachten also bestimmte Straftaten schöngeredet und statistische Erfassungen gewaltsam zurechtgebogen.

    Gegenteilige Erfahrungen und Berichte, wie die der Richterin Kirsten Heisig oder von Staatsanwaltschaften, wurden in dem Gutachten, nach erstem Überfliegen, offensichtlich nicht verwendet. Alles, was die vorab eingenommene Haltung stützt, wurde hingegen auch benützt.

    Die von Ausländern untereinander begangenen Straftaten werden in muslimischen Kreisen durch grundgesetzwidrige ‚Friedensrichter‘ [GG Artikel 101
    (1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.] ‚geregelt‘; die deutsche Justiz erfährt davon also nichts und kann deshalb auch nichts statistisch erfassen.

    Beleidigungen, Bedrohungen und ähnliches mehr verhindern ebenfalls eine richtige Erfassung des Ausmaßes der Kriminalität: eingeschüchterte Menschen schweigen.

    Insbesondere Lehrerinnen in westlichen Großstädten Deutschlands [Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Duisburg …] als Opfer von mobbenden Immigrantenkindern und -eltern kennen das bereits seit vielen Jahren. Tendenz steigend in westlichen Städten mit wachsendem Immigrantenanteil.

    Dass wir aufbauschende Skandalmedien haben, wissen wir seit langem. Über die Bild schrieb Heinrich Böll vor vierzig Jahren in einem Vorwort zu seiner Erzählung ‚Die verlorene Ehre der Katharina Blum‘ :
    „Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.“

    Das wurde und wird durch die vor gut dreißig Jahren zugelassenen privaten Sender nochmals verstärkt.

    Andererseits wird nicht alles berichtet, schon aus Zeitgründen. Und aus politisch verordneter Ruhe, das wiederum in Bundesländern mit SPD&Grünen Regierung, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

  3. irgendjemand vergibt immer aufträge. zu wissenschaftlich korrektem arbeiten gehört aber eben auch, nicht vom auftraggeber her zu denken. hier kommt noch hinzu, dass die studie mit dem korrespondiert, was in kriminologielehrbüchern steht und korrespondiert ebenso mit der langzeitstudie „kriminalität in der modernen stadt“ (http://www.krimstadt.de)

    im hinblick auf die kriminalstatistiken wird in dieser studie, in kriminologielehrbüchern und auch von mir auf ihre begrenzte aussagefähigkeit verwiesen. sie enthält nur tatverdächtige, nicht aber täter/innen. in der studie, in kriminologielehrbüchern und auch von mir wird gar nicht bestritten, dass verstöße gegen aufenthaltsrecht und einreisebestimmungen straftaten sind. aber würde endlich die residenzpflicht abgeschafft, gäbe es sie auch nicht. unabhängig davon ist es aber eben nicht redlich, diese straftaten als beleg für eine höhere „ausländerkriminalität“ zu nehmen. der vergleich hinkt nämlich, wenn die einen in dem bereich gar nicht tatverdächtige werden können.

    zur erhöhten gewaltkriminalität wird in der studie ausgeführt (u.a. mit den drei bekannten theorien zu ihrer entstehung soweit es einen „anderen“ kulturkreis betrifft). niemand bestreitet, dass es mobbing gibt, es wird lediglich -in meinen augen zu recht- bestritten, dass diese ihre gründe in der zugehörigkeit zu einer ethnischen gruppe hat.

  4. Hallo Uwe,
    Richter außerhalb des GG gibt es u.a. auch im Sport:
    Weder der „Beißer“ Suarez noch Neymars „Wirbelbrecher“ Zuniga müssen sich vor einem Strafrichter verantworten, da die Sportgerichtsbarkeit hier zuständig ist (obwohl beider Handlungen durchaus Körperverletzungen sind).

  5. Einer Politikerin, zumal Sprecherin Ihrer Partei zu juristischen Angelegenheiten, sollte eigentlich bekannt sein, dass die Kriminalstatistiken bei den Straftaten von „Deutschen“ hier vom GG Artikel 116 ausgehen. Der Migrationshintergrund vieler dieser straffälligen oder strafverdächtigen „Deutschen“ wird NICHT erfasst.

    − Die PKS differenziert zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen, berücksichtigt
    aber bei den deutschen Tatverdächtigen nicht einen eventuellen Migrationshintergrund. http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2013/PKS2012.pdf?__blob=publicationFile

    Noch etwas werte Frau Urlauberin, wäre es so wie von dir behauptet, müssten wir uns um die Integration ja gar keine Sorgen machen, alles wäre in Butter. Das dem nicht so ist, beweist die bezüglich ihrer prozentualen Vertretung doch erstaunlich hohe Zahl der Verfehlungen bzw. Straftaten sowohl der Ausländer als auch derjenigen Bürger mit Migrationshintergrund. Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass dies kein „rassisches“ Problem ist sondern eines von Chancen und Diskriminierung. Ich dachte immer linke wüssten dies.

  6. Zitat “ hier kommt noch hinzu, dass die studie mit dem korrespondiert, was in kriminologielehrbüchern steht und korrespondiert ebenso mit der langzeitstudie “kriminalität in der modernen stadt” (http://www.krimstadt.de)“

    Ja was Wunder, ist der liebe Herr Dr. Christian Walburg doch glatt als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Studie „Kriminalität in der modernen Stadt“ beteiligt gewesen“

    Und welche Kriminologielehrbücher uns aller Halina wohl anführt, bleibt vorsorglich auch Ihr ganz privates Geheimnis.

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