Lothar,

das kannste jetzt nicht machen. Du kannst jetzt nicht einfach gehen.

Wer soll denn jetzt der Partei die Leviten lesen? Wer integrierend und deutlich in der Ansage den kulturvollen Umgang miteinander einfordern?

Wenn ich an Dich denke, dann fällt mir ein, wie selbstverständlich Du Dich Anfang der 90iger mit der AG Junge GenossenInnen zusammengesetzt hast. Wir wollten die Brandenburger Verfassung nicht mittragen, Ihr als Fraktion schon. Trotzdem hast Du zugehört und akzeptiert, dass wir anderer Auffassung waren. Ich erinnere mich an ein Wahlkampffoto (oder war es ein Plakat?) von Dir aus dem Jahr 1994 (war es 1994?) vor einem Motorrad. Und ich erinnere mich an eine Antifa-Demo in Sachsen (war es Wurzen?), an der Du wie selbstverständlich teilgenommen hast. Ohne Kamera oder Mikrofon in der Nähe. Dann war da noch der Hungerstreik 1994, an den sich heute nur noch wenige erinnern. Hast Du eigentlich mit Micha Schumann damals um die Gültigkeit von Wörtern bei Scrabble gestritten?

Später gab es dann die unendlichen Vorstandssitzungen. Wahrscheinlich fandest Du viele von ihnen langweilig, aber du warst trotzdem da. Du hörtest zu und hattest irgendwie immer Geduld mit jedem. Du übtest Nachsicht. Und wir (wenn ich von „wir“ schreibe meine ich die Partei insgesamt)? Wir strapazierten diese Geduld und Nachsicht, bis Du dann 2000 nicht mehr als Vorsitzender kandidieren wolltest, weil die „finale Mülltonne“ voll sei. Und doch holten wir Dich 2003 wieder zurück. Wieder übtest Du Nachsicht und Geduld, wieder benutzten wir Dich als „finale Mülltonne“.

Aber Du konntest auch zum richtigen Zeitpunkt auf den Tisch hauen, vor allem wenn die Diskussionskultur inakzeptabel wurde. Denn eine Kultur der Denunziation konntest Du überhaupt nicht ertragen. Wenn „In großer Sorge“ auf Entwicklungen in der PDS hingewiesen wurde, wolltest Du die Bennung von „Roß und Reiter“.  Du wendetest Dich gegen die Verdächtigungskultur und sprachst Dich gegen den  „Stalinismus durch die Hintertür“ aus.  Ich glaube Du hast ganz schön gelitten in unserer Partei, am Umgang miteinander. Und wir haben uns nicht einmal wirklich gefragt, warum Du an den letzten beiden Parteitage nicht mehr teilgenommen hast.

Ich erinnere mich noch an unser Gespräch, nachdem Du gerade zum zweiten Mal den Parteivorsitz abgeben hattest und all die Dinge die Du mir mit auf den Weg gegeben hast.  Habe ich Dir je persönlich gedankt, für alles was Du getan hast?

Ich wünsche mir, dass wir alle wenn es mal wieder richtig heiß hergeht in der Diskussion an Dich denken und an Deinen Anspruch an kulturvollen Streit. Ich habe immer angezweifelt, dass Vorbilder nötig sind. Aber vielleicht braucht es Menschen, an denen man sich orientieren kann. Menschen wie Dich.

 

One Reply to “Lothar,”

  1. bitte habt verständnis, dass ich hier keine kommentare freischalte. es ist mein ganz persönlicher abschied von lothar. danke.

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