Teilhabegesetz

In den Nichtsitzungswochen, d.h. in den Wochen wo der Bundestag keine Sitzungen hat, besuche ich im Regelfall Projekte und Initiativen im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost, kurz WK 83. Am Montag besuchte ich die Sozialhelden, die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand und den Sozialverein Friedrichshain. Wer sich selbst ein Bild von den drei Projekten/Initiativen machen will, der muss einfach nur klicken :-).

Im Regelfall geht es in den Gesprächen darum, dass die Projekte/Initiativen etwas über ihre Arbeit erzählen, meine Fragen beantworten und die eine oder andere Bitte äußern. Ich will heute nur auf drei kleine Dinge aufmerksam machen, weil auf meiner Website eine ausführlicher Bericht zum Wahlkreistag zu finden sein wird. Ich will auf wheelmaap.org verweisen, auf leidmedien.de und auf das wiki zu ppp. Letzteres soll aktualisiert werden und vielleicht gelingt es ja auch eine interaktive Privatisierungskarte Deutschlands zu entwickeln. Dort könnte mensch erkennen, was privatisiert wurde, was privatisiert werden soll und was vielleicht auch vor Privatisierung geschützte wurde. Schön wäre auch noch, wenn auf der Karte Commons-Projekte erkennbar wären. Alle drei besuchten Projekte/Iniativen sind im Übrigen auf Spenden angewiesen (mit dem Zaunpfahl winken).

Manchmal passiert es bei diesen Gesprächen auch, dass ich Hinweise auf geplante Gesetzesvorhaben mit auf den Weg bekomme. So erging es mir bei den Sozialhelden. Am Rande irgendeines der sog. Sozialen Netzwerke hatte ich es mitbekommen, aber da nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fallend, nicht weiter verfolgt. Das Teilhabegesetz steht an. Worum geht es dabei? Einen guten Überblick findet mensch hier. Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU sieht vor, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Dies bedeutet auch, dass gesetzliche Regelungen für die Teilhabe behinderter Menschen zu schaffen sind. Die Bundesregierung will wohl bis 2015 ein Bundesteilhabegesetz entwickeln und Mitte 2016 von Bundestag und Bundesrat beschließen lassen. Die derzeitigen Regelungen zur Sozialen Teilhabe finden sich im SGB IX als „Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ und teilweise im SGB XII als „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ und „Hilfe zur Pflege“ mit der dazu gehörenden Eingliederungshilfe-Verordnung.

Daraus ergibt sich nun zweierlei. Zum einen gibt der Zeitplan genügend Zeit sich in die Debatte einzumischen und Druck aufzumachen (der Parteivorstand könnte beispielsweise diesen Punkt in seine Kampagne gegen Prekarisierung mit einbeziehen). Zum anderen gilt es darauf hinzuweisen, dass die derzeitige Regelung zu erheblichen Ungerechtigkeiten führt. Auf eine dieser Ungerechtigkeiten wurde ich im Gespräch mit den Sozialhelden hingewiesen: Ein berufstätiger Mensch mit Behinderung, die oder der beispielsweise auf persönliche Assistenz angewiesen ist, aber Einkommen bezieht oder Vermögen besitzt darf nur über 2.600 € Vermögen verfügen, wenn er/sie nicht für die Assistenz eigenständig aufkommen will. Eine Anrechnung von Einkommen findet auch statt. Richtig gelesen: Wer auf Assistenz auf Grund seiner/ihrer Behinderung angewiesen ist darf nicht mehr als 2.600 EUR Vermögen besitzen, wenn er/sie die Assistenz nicht selbst bezahlen will/kann. Hier wird sehr anschaulich dargelegt, zu welchen Benachteiligungen diese Regelung führt.

Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen hat einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet und DIE LINKE hat einen eigenen Antrag vorgelegt. Im Vorwort zum Gesetzentwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen macht Prof. Felix Welti deutlich worum es geht: „Der Entwurf macht ernst mit der Herauslösung dieser Leistungen aus der bedürftigkeitsorientierten Sozialhilfe und ordnet sie der sozialen Förderung zu.“ Wer sich den Gesetzentwurf anschaut wird feststellen, dass hier auch Veränderungen im SGB II vorgeschlagen sind. Bevor aber die Keule „Akzeptanz von Hartz IV“ geschwungen wird sollte aus meiner Sicht geschaut werden, wie das gemeinsame Anliegen einer Einkommensunabhängigen Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Leben behinderter Menschen alternativ gesetzlich verankert werden kann. (Natürlich könnte mensch auch an dieser Stelle wieder die Debatte zur Steuerfinanzierung der Solidarsysteme aufmachen) Der zentrale Änderungsvorschlag befindet sich aber im Artikel 8, der die Teilhabe und Rehabilitation behinderter Menschen im SGB IX regelt. Im neuen § 17 Abs. 2 wird festgehalten, dass auf Antrag Leistungen für die Soziale Teilhabe in Form der persönlichen Assistenz gewährt werden. In § 17b SGB IX wir die persönliche Assistenz dann genauer definiert. Im Kern geht es sowohl dem Antrag der LINKEN als auch dem Gesetzentwurf um die Verankerung des Teilhabegesetzes im SGB IX. Mit Artikel 13 Ziffer 3 des Gesetzesentwurfes werden die §§ 55-50 SGB XII, also die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, aufgehoben. Damit entfällt auch die Verordnungsermächtigung des § 60 SGB XII und dürfte die derzeit geltende Eingliederungshilfe-Verordnung entfallen.

Aus meiner Sicht ist es tatsächlich nicht hinnehmbar, dass Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für behinderte Menschen -anders als die Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben- unter Anrechnung von Einkommen und Vermögen erbracht werden. Die Leistungen sollen die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft sichern, weil ein Mensch eine Behinderung hat. Damit sind sie Ausgleichsleistungen. Und Ausgleichsleistungen sollten m.E. eben nicht von der sozialen Situation abhängig gemacht werden.

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