Maßregelvollzug

Der Maßregelvollzug regelt die Unterbringung psychisch kranker und suchtkranker Straftäter. Er ist Folge der Zweispurigkeit des deutschen Strafrechtssystem. Diese Zweispurigkeit besteht in Strafen auf der einen Seite und Maßregeln der Besserung und Sicherung auf der anderen Seite. Die Maßregeln der Sicherung und Besserung wurden am im November 1933 durch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung“ in das Strafgesetzbuch eingeführt.

Nach § 63 StGB ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit begangen hat und die Gesamtwürdigung von Tat und Täter/in ergibt, daß von ihm/ihr infolge des Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er/sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Der § 64 StGB legt fest, dass soweit  eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen hat und sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt wurde oder nur deshalb nicht verurteilt wurde weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, das Gericht eine Unterbringung in einer Erziehungsanstalt anordnen kann. Dies aber nur, wenn die Gefahr besteht, dass die betroffene Person infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Eine solche Anordnung darf auch nur ergehen, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Insbesondere der § 63 StGB ist Gegenstand umfassender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sowohl im Hinblick auf die Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als auch im Hinblick auf die Dauer der Unterbringung. Im Juli 2013 beispielsweise hat sich das  Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschäftigt und unter anderem ausgeführt, dass im Hinblick auf eine Unterbringung nach § 63 StGB „auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen (sei), die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin „erheblich“ im Sinne des § 63 StGB sein„. Eine solche Straftat von „erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen„. Eine „bloße Möglichkeit“ weiterer Straftaten vermag nach Ansicht des BVerfG die weitere Vollstreckung nicht zu rechtfertigen.

Im Jahr 2013 hatte das damalige Bundesjustizministerium erste Reformüberlegungen angestellt. Auf diese Reformüberlegungen gab es verschiedene Stellungnahmen, so von der Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holstein, von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der Neuen Richtervereinigung (NRV), der Strafverteidigervereinigungen und der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD heißt es auf Seite 146: „Wir reformieren das Recht der strafrechtlichen Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern, indem wir insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stärker zur Wirkung verhelfen. Hierzu setzen wir eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein.“ Diese Arbeitsgruppe hat am 14. März 2014 ihre Arbeit aufgenommen.

Die Reformüberlegungen des Bundesministeriums richten sich inbesondere beim § 63 StGB auf eine Einschränkung des Anwendungsbereiches. Allerdings scheint mir diesbezüglich die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht berücksichtigt worden zu sein, was allerdings auch an einer zeitlichen Überschneidung liegen kann. Auch die Dauer der Unterbringung und die Überprüfungsfristen sind Gegenstand des Reformvorschlages. Im Hinblick auf den Anwendungsbereicht ist der Vorschlag der Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holstein deutlich besser, aber in meinen Augen auch noch zu weitgehend. Soweit in der Stellungnahme der NRV eine Analogie zur Sicherungsverwahrung aufgemacht wird ist dies sicherlich besser als der Vorschlag des Bundesministeriums und der Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holsteins, wird wohl aber der zitierten Entscheidung des BVerfG auch nicht gerecht. Denn die Entscheidung des BVerfG stellt auf Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren ab. Die Sicherungsverwahrung kann aber nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits bei bestimmten Straftaten, die eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren als Strafandrohung vorsehen verhängt werden.  Zur  Sicherungsverwahrung selbst habe ich schon an der einen oder anderen Stelle Ausführungen gemacht.

Die DGPPN und die Deutsche Gesellschaft für Sozial Psychiatrie wiederum legen in ihren Stellungnahmen den Schwerpunkt -was logisch ist- eher auf die Begutachtung und Behandlung im Maßregelvollzug. Dabei weist die Stellungnahme der DGPPN auf ein in meinen Augen gravierendes Problem bei der Umsetzung nicht nur des Maßregelvollzuges hin. Die Ausgestaltung des Maßregelvollzuges, ebenso wie die Ausgestaltung des Strafvollzuges, ist Ländersache. Das führt aber dazu, dass zwar die Voraussetzungen für eine Verurteilung zu Strafhaft oder der Unterbringung im Maßregelvollzug bundeseinheitlich sind, wie die konkrete Ausgestaltung dann aber aussieht kann von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedlich sein. In Berlin wird über § 1 Abs. 1 Nr. 2 b PsychKG (Psychischkrankengesetz) die Unterbringung im Maßregelvollzug geregelt. Schleswig-Holstein hingegen hat ein Maßregelvollzugsgesetz. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: In Schleswig-Holstein gibt es eine Regelung, die eine Mindestbesuchsdauer vorsieht, in Berlin nicht. Derzeit finden nach meinem Kenntnisstand in fast allen Bundesländern Novellierungen der PsychKG oder Maßregelvollzugsgesetze statt bzw. sind abgeschlossen. Da aber nun Strafvollzug -auf den ich hier gar nicht weiter eingehe- und Maßregelv0llzug unzweifelhaft Freiheitsentziehungen sind, stellt sich doch die Frage, ob bei einem Eingriff in Grundrechte unterschiedliche Ausgestaltungen zu rechtfertigen sind. Ich habe da so meine Bedenken. Da ich nicht glaube, dass die Zuständigkeit aus Länderhoheit wieder an den Bund übertragen w⁄ird, kommt meines Erachtens der Bundesgesetzgeber nicht umhin Mindeststandards festzulegen. Bei der DGPPN heißt es in meinen Augen richtig: „Einheitliche, die Bundesländer übergreifende rechtliche Grundlagen der Behandlung im Maßregelvollzug sind dringend erforderlich.“ Interessant ist aus meiner Sicht weiterhin die Kritik am § 20 StGB durch die DGPPN.

Wer noch ein wenig weitergehen will, der kann durchaus auch einen Gedanken daran verschwenden ob die Zweispurigkeit des Strafrechts sinnvoll ist. Entweder ich bin schuldfähig und kann deshalb für meine Straftaten verantwortlich gemacht werden oder eben nicht. Wenn ich aber nicht schuldfähig bin, dann kann eben auch nicht das Strafrecht einschlägig sein sondern dann muss ich -meine Gefährlichkeit unterstellt- über andere Mittel und Wege, wie zum Beispiel die PsychK-Gesetze, einen Weg finden.

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