Ein Fehler aus dem es zu lernen gilt

Ich kenne und schätze Bodo Ramelow seit vielen Jahren. Ohne ihn würde es DIE LINKE nicht geben. Zum Schätzen gehört auch Kritik üben zu können.

Ich halte die Wahl eines Landtags-Vizepräsidenten der AfD in Thüringen für falsch und die dafür gegebene Begründung für nicht überzeugend. Aber Bodo den Antifaschismus abzusprechen – wie ich in einigen Kommentaren im Netz las – ist unangemessen und absurd. Bodo hat seine antifaschistische Grundhaltung immer und immer wieder mit Taten unterstrichen.

Die Empörung, die Enttäuschung und auch die Wut über die Mitwahl eines AfD-Vizepräsidenten kann ich sehr gut nachvollziehen. Aus Fehlern gilt es zu lernen und deshalb wäre es m.E. gut, sich noch einmal mit ein paar Punkten auseinanderzusetzen, damit sich Fehler nicht wiederholen. Das geht aber nur, wenn -wieder einmal- auf strukturelle Probleme eingegangen wird.

1. Keine Stimme für Nazis. Niemals.

2. Soweit ich das verstanden habe, hat die AfD in Thüringen gesagt, wenn wir keinen Vizepräsidenten im Landtag bekommen, dann gehen wir auch nicht in den Richterwahlausschuss (dazu gleich unter 3.). In meiner Welt ist das eine Erpressung. Nazis nehmen erneut die Demokratie & den Rechtsstaat als Geisel und zeigen, was sie vom Parlamentarismus halten – nämlich nichts. Eine solche Erpressung durch Nazis wird es -solange sie in Parlamenten sitzen- immer wieder geben. Eine solche Erpressung muss zurückgewiesen und öffentlich gemacht werden. Die Demokratie darf sich nicht erpressbar machen lassen – erst Recht nicht von Nazis. Wichtig ist aber auch, dass dies notwendigerweise ein gemeinsames Agieren/Handeln der Demokraten*innen verlangt. Das scheint mir von außen betrachtet ein großes Problem – nicht nur in Thüringen – zu sein. Die Demokratie scheitert im Zweifelsfall an den Demokrat*innen. Insofern wäre es sinnvoll, wenn parteitaktische Spielchen wenigstens in Erpressungssituationen durch Nazis mal außen vor bleiben und um der Demokratie willen solche Erpressungen gemeinsam zurückgewiesen werden.

3. Die AfD hat, soweit ich das verstanden habe, besonders perfide erpresst. Mit dem Richterwahlausschuss, als dem Ausschuss der Richter*innen ernennt. Die Regelung im Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetz (S. 677), im Dezember 2018 veröffentlicht, legt fest, dass der Richterwahlausschuss der erstmalige Ernennung von Richter*innen auf Lebenszeit zustimmen muss (§ 50 Abs. 1). Im Richterwahlausschuss sind zehn Abgeordnete des Landtages (§ 51 Nr. 1), in ihm muss jede Fraktion mit mindestens einem/einer Abgeordneten vertreten sein (§ 52 Abs. 2) und zur Wahl in den Richterwahlausschuss ist eine zwei Drittel Mehrheit erforderlich (§ 52 Abs. 1). Eine solche hohe Hürde kennen andere Richtergesetze (siehe zum Beispiel Richtergesetz Berlin, § 12) nicht. Das perfide und Rechtsstaatsfeindliche der AfD liegt nun darin, dass diese ihren Vizepräsidenten mit der Ernennung von Richter*innen verknüpft und damit der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates. Es liegt quasi eine Doppelerpressung vor. Allerdings sagt nun der § 60 Abs. 1: „Der Richterwahlausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Der Richterwahlausschuss entscheidet in geheimer Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.“ Und jetzt wird es juristisch spannend. Ich bin der Überzeugung, dass auch ein nicht vollständig gewählter Richterwahlausschuss in der Lage ist Entscheidungen zu treffen, denn es kommt auf die Beschlussfähigkeit in der Sitzung an. Andere sehen dies anders. Wenn etwas umstritten ist, dann muss ein Gericht entscheiden. Konkret: Wenn die Nazis eine Doppelerpressung machen, zwinge ich sie vor dem Verfassungsgerichtshof ihre vermeintlichen Rechte einzuklagen. Ich wäre gespannt, wie ein Gericht entscheidet, wenn sich herausstellt, das hier die AfD einfach wegen eines Vizepräsidenten im Landtag, den Richterwahlaussschuss nicht vervollständigt. Hätte nun der Verfassungsgerichtshof entschieden, ohne -selbstverschuldete- Nichtwahl der AfD ist der Richterwahlausschuss nicht handlungsfähig, gäbe es eine andere als die Erpressungssituation. Dann gälte es, eine Gerichtsentscheidung umzusetzen. Dann wären wir wieder bei Punkt 2.

4. Es bedarf einer grundsätzlicher Debatte, ob aus einem parlamentarischen Recht, welches der AfD unzweifelhaft zusteht, eine Pflicht der demokratischen Abgeordneten folgt, der AfD zu diesem Recht zu verhelfen. Es ist die Grundfrage, wie Demokraten*innen mit Demokratieverächter*innen umgehen sollen. Und da bin ich dann wieder bei Punkt 1. Als Abgeordnete*r ist jemand nur seinem/ihrem Gewissen verpflichtet. Als Einwand könnte nun kommen, dass dies dazu führen könne, dass es zur Handlungsunfähigkeit von rechtsstaatlichen Institutionen kommt. Meine feste Überzeugung ist, wenn Demokraten*innen zusammenwirken, wird es nicht nötig sein AfD-Kandidaten*innen eine Stimme zu geben, um dies zu verhindern.

4 Replies to “Ein Fehler aus dem es zu lernen gilt”

  1. Also, Beifall zum Schritt von Bodo spende ich nicht. Wenn ich es richtig gelesen habe, er selbst auch nicht. Ich hätte es besser gefunden, (im übertragenen Sinne) das Pfötchen unten zu lassen. Na gut.
    Hier geht es ja nun wohl um Juristisches. Also, wenn das Gesetz vorschreibt, jede Fraktion müsse in diesem Ausschuss vertreten sein, dann ist es so, ob es uns passt oder nicht. Das ist sozusagen das Thema 1. Das Thema 2 sind Anwesenheiten. Wäre ich Jurist, würde ich so argumentieren: Wenn das Gesetz bestimmt, jede Fraktion habe im Ausschuss vertreten zu sein, so ist der Ausschuss im gesetzlichen Sinne nur komplett und somit erst arbeitsfähig , wenn jede Fraktion einen Sitz durch eine Person eingenommen hat. Dies berührt nicht die Anwesenheit, die bei jeder Sitzung aufs Neue festzustellen ist. Sofern ein Ausschussmitglied nicht anwesend ist, schränkt dies gemäß der insgesamt notwendigen Anwesenheit die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses nicht ein.

  2. Es ist offenbar, dass zwischen dem Recht der Abgeordnet*innen frei zu entscheiden und der Anforderung ausnahmslos jede Fraktion müsse vertreten sein, ein Widerspruch besteht. Deshalb halte ich Halinas Vorschlag für richtig. Leider ist es im Moment zu spät.

  3. Was gibt es da zu rechtfertigen? Es gibt nie ein Muss. Ähnliche Gedankengänge kann man seinen politischen Gegner nicht absprechen, es ist alles erlaubt zum funktionieren des Ganzen. Aber das Gewissen bleibt da auf der Strecke, und ich will mir gar nicht vorstellen was das Ganze alles sein kann. Man findet da nimmer einen Grund nur keine Zivilcourage es nicht zu tun. Das Ganze als Gewissen.

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