Laut dem Spiegel vom 26.08. 2024 hat der Staatssekretär im Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Friedrich Straetmanns erklärt: „Eine Einbürgerung ohne Rücksicht auf finanzielle Eigenverantwortung und Sprachtests ist unverantwortlich.“
Bezogen hatte er das auf die Position der Linken. Darauf gehe ich gleich noch ein.
Was aus meiner Sicht fahrlässig ist, wenn ein Staatssekretär, zumal ein Staatssekretär für Justiz, der in der Öffentlichkeit als jemand wahrgenommen wird der „Bescheid weiß“ eine Interpretation ermöglicht, nach der eine Einbürgerung ohne Rücksicht auf finanzielle Eigenverantwortung und Sprachtest stattfindet.
Das ist nämlich offensichtlich falsch. Hier kann sehr gut nachgelesen werden, welche Voraussetzungen es für den Erwerb der Deutschen Staatsangehörigkeit gibt. Überraschung: Es wird grundsätzlich verlangt, dass deutsch gesprochen wird und grundsätzlich der/die Einbürgerungswillige und seine Familie kein Bürgergeld oder Sozialhilfe beziehen. Und so ganz nebenbei: es dürfen auch keine Vorstrafen oder offene Ermittlungsverfahren bestehen.
Das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts trat am 27. Juni 2024 in Kraft und ist demzufolge relativ neu. Das Staatsangehörigkeitsgesetz regelt in den §§ 8 ff. wie ein Ausländer/eine Ausländerin die Staatsangehörigkeit erwerben kann. Der § 8 Abs. 1 Nr. 4 legt fest, dass ein Ausländer/eine Ausländerin auf Antrag eingebürgert werden kann, wenn er oder sie „sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist“. § 10 Abs. 3 spezifiziert das dann noch einmal. Die § 8 Abs. 1 Nr. 3 verlangt übrigens auch eine eigene Wohnung oder ein eigenes Unterkommen. In § 10 Abs. 1 Nr. 6 wird festgehalten, dass ein Ausländer/eine Ausländerin die seit fünf Jahren rechtmäßig seinen/ihren Aufenthalt in Deutschland hat, auf Antrag einzubürgern ist, wen er/sie „über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt“. § 10 Abs. 4 ergänzt: „Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt.“
Das zu recherchieren hat jetzt keine 30 Minuten gedauert.
Nun könnte eingewendet werden, der Staatssekretär meinte ja nicht die Realität, sondern ein Forderung der Linken. Auch diese Interpretation ist ja möglich. Dann stellen sich aber ganz andere Fragen. Im Wahlprogramm 2017 hieß es: „Alle hier geborenen Kinder und Jugendlichen sollen die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und ein Recht auf Mehrstaatlichkeit haben – ohne die Staatsbürgerschaft der Eltern ablegen zu müssen. Wir wollen Migrantinnen und Migranten nach drei Jahren legalem Aufenthalt in der Bundesrepublik einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung ermöglichen.“
Vom 26.05.2020 datiert ein Antrag im Bundestag, eingereicht auch von Friedrich Straetemanns, in dem es unter anderem heißt:
„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das Staatsangehörigkeitsrecht umfassend zu modernisieren, insbesondere durch folgende Maßnahmen (…):
1. c) einbürgerungsberechtigt sind Menschen, die seit mindestens fünf Jahren ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sofern sie zum Zeitpunkt der Antragstellung über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel verfügen,
d) der Anspruch auf Einbürgerung besteht unabhängig vom Einkommen oder vom sozialen Status der Betroffenen; insbesondere ist der Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch nicht ausschlaggebend,
e) die Fähigkeit zur einfachen alltagstauglichen mündlichen Verständigung in der deutschen Sprache ist ausreichend (…).“
Wenn der Staatssekretär die Position der Linken kritisiert, wäre ja spannend zu wissen, was sich zwischen 2017 und 2020 sowie 2024 verändert hat. Denn es heißt ja, die Linke stehe „weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen“. Der Spiegel schreibt hinzu „mittlerweile“. Es muss sich also zwischen 2017 und 2020 und 2024 etwas verändert haben, dass die damalige Position heute als „weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen“ angesehen wird. Oder wurde hier einfach Migration also Einwanderung mit Einbürgerung verwechselt? Und geht es vielleicht auch gar nicht um Einwanderung sondern um Flucht und Asyl?
Es ist völlig legitim eine Partei zu verlassen und sich einer anderen Partei anzuschließen. Es ist auch legitim zu erklären, warum dieser Schritt gegangen wird und was aus Sicht des Gehenden an der Partei, die verlassen wird, als störend empfunden wird oder sich störend verändert hat. Aber genau das passiert nicht.