Nach der Veröffentlichung des Berichtes der Experten*innen-Kommission zur Vergesellschaftung gab es den einen oder anderen Artikel, mittlerweile ist es aber wieder ruhig. Das ist ausgesprochen Schade, denn der Bericht enthält neben interessanten juristisch-dogmatischen Erwägungen auch die eine oder andere sonstige spannende Aussage.
Was das grundsätzliche Problem von Privateigentum an Grund und Boden sowie Produktionsmitteln ist, wird in dem Kommissionsbericht dargestellt und hat meines Erachtens noch viel zu wenig Beachtung gefunden. Die beschriebenen Probleme müssen ganz am Anfang einer jeden Debatte stehen, weswegen die Ausführungen auch am Anfang dieses Blogbeitrages stehen. Ich zitiere einfach länger, weil es so schön präzise auf den Punkt ist.
Privateigentum an Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln kann spezifische Probleme mit sich bringen. Diese Probleme bestehen für sich genommen, das heißt noch bevor (andere) Aspekte des Allgemeinwohls betroffen sind, und auch bevor sich – und unabhängig davon, ob sich – die private Inhaberschaft an diesen Gütern in wettbewerbsrechtlich problematischer Weise ausspielt (Rz. 131). Aus Perspektive der für Art. 15 S. 1 GG normhistorisch maßgeblichen Theorietradition begründet Privateigentum an Grund und Boden sowie an Produktionsmitteln die Macht ihrer Eigentümer jedenfalls über diejenigen, die (existentiell) auf diese Güter angewiesen sind. Arbeitsverhältnisse schaffen Verhältnisse persönlicher Abhängigkeit, was jedes Arbeitsverhältnis essentiell charakterisiert (vgl. § 611a Abs. 1 S. 1 BGB). Im Falle von Grund und Boden vermittelt die gesellschaftliche Notwendigkeit des Bodengebrauchs den Eigentümern die Machtposition, die Bedingungen dieses Bodengebrauchs zu bestimmen (Rz. 132). Das Privateigentum an Produktionsmitteln erlaubt darüber hinaus, vermittels der Arbeitsleistung der Beschäftigten Gewinne zu realisieren, deren wesentlicher Anteil dem Eigentümer der Produktionsmittel zufließt, während die Beschäftigten lediglich das Entgelt erhalten, das für eine Arbeitsleistung der einschlägigen Art am Arbeitsmarkt eben verdient wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer „privaten Aneignung“ des durch die Arbeitsleistung realisierten Profits. Diese private Aneignung erscheint aus der Perspektive der Vergesellschaftung für sich genommen als problematisch und zudem als Grund tiefgreifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Asymmetrien. Auch Inhaber von Grund und Boden sowie von Naturschätzen generieren Gewinne, und zwar aus dem zwingenden Bedarf des Bodengebrauchs durch Nichteigentümer und der schlichten Unvermehrbarkeit des Bodens. Eine ursprüngliche private Aneignung des Bodens liefert bis in die Gegenwart und Zukunft die eigentliche Grundlage für den Zufluss der Bodenrenditen, und sie erscheint aus dem Grund problematisch (Rz. 133). Ein weiteres Problem besteht aus dieser Perspektive darin, dass die Gewinne der Unternehmen privatnützig, also nach ihrem freien Belieben verwendet und ihre Generierung nach rein eigennützigen Interessen ausgerichtet werden können. Das ermöglicht Entscheidungen beispielsweise über Standorte, Produkte oder Produktionsbedingungen, sowie Arten und Bedingungen der Bodennutzung. Diese Entscheidungen, obgleich im Belieben der Unternehmen, betreffen nicht nur diese, sondern haben Auswirkungen gerade auch auf die Nichteigentümer, also Beschäftige, Dritte und die Allgemeinheit. Unter den Bedingungen eines funktionsfähigen Wettbewerbs richten sowohl produzierende als auch Boden bewirtschaftende Unternehmen ihre Entscheidungen regelmäßig primär an der Erzielung weiterer Gewinne aus. Rücksichten auf soziale Belange, Belange Dritter oder auf Belange des Allgemeinwohls sind auf die Tätigkeit einer aktiven Gesetzgebung verwiesen, die zudem effektiv ausgestaltet und auch durchgesetzt werden muss, woran es insgesamt allzu häufig fehlt (Rz. 134). Schließlich kann die rechtliche Befugnis zur privatnützigen Verwendung den Eigentümern auch besondere politische Macht verschaffen. Das gilt nicht etwa nur für Monopolunternehmen, auch Unternehmen, die unter Wettbewerbsbedingungen er folgreich sind, können jenseits von Wahlen erheblichen politischen Einfluss entfalten. Er rührt daher, dass die in einer Demokratie notwendige Zustimmung zur staatlichen Politik von einer mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Versorgung und Reproduktion funktionstüchtigen Wirtschaft abhängt, und damit eben immer auch von einzelnen Entscheidungen allzumal großer Unternehmen. Die politische Macht großer Unternehmen, die nicht mit wettbewerbsrechtlich relevanter Macht gleichzusetzen ist, steht in einer normativen Spannung zum Prinzip gleichberechtigter Teilhabe, das die demokratische Verfassungsordnung kennzeichnet (Rz. 135).“
Soweit der Punkt Kapitalismus und daraus resultierende Problem kurz und knapp dargestellt.
Doch jetzt zurück zur Kommission und ihrem Bericht. Es gibt Einigkeit in der Kommisson, dass Berlin eine Kompetenz für eine Gesetzgebung zur Vergesellschaftung hat, da die Immobilien dem Vergesellschaftungsgegenstand Grund und Boden unterliegen, der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht verletzt ist und es verschiedene Optionen für eine Differenzierung gibt, die an der Größe ansetzen. Es besteht auch Einigkeit darin, dass eine Ausnahme für genossenschaftliche, landeseigene und anerkannt gemeinnützige Wohungsunternehmen deshalb gerechtfertigt ist, weil bei diesen eine privatnützige Bewirtschaftung ausgeschlossen ist. Daneben gibt es unterschiedliche Sichtweisen zur Frage der Verhältnismäßigkeit, der Höhe der Entschädigung und in Bezug auf die Zulässigkeit der Vergesellschaftung nach der Landesverfassung. Das sind die juristisch-dogmatisch spannenden Erwägungen der Kommission, die deshalb später ausführlich dargestellt werden. Nach Auffassung einer Mehrheit steht das Gebot der Verhältnismäßigkeit einer Vergesellschaftung nicht entgegen. Die Minderheit sagt, eine Vergesellschaftung sei nicht ausgeschlossen. Die Mehrheit der Kommissionist ist der Auffassung, für die Höhe der Entschädigung im Falle einer Vergesellschaftung bestehen andere Anforderungen, als im Falle einer Enteignung. Dabei wiederum ist die Kommission einhellig der Auffassung, dass sich die Sozialbindung auch in der Abwägung der Interessen zur Bestimmung der Entschädigungshöhe niederschlagen muss. Ebenfalls steht nach Auffassung der Mehrheit die Berliner Verfassung und die in ihr verankerte Eigentumsgewährleistung der Vergesellschaftung nicht entgegen.
Bevor es tief in die juristische Auseinandersetzung geht, soll noch auf einen weiteren Aspekt eingegangen werden, den die Kommission dankenswerterweise auch aufgegriffen hat. Die Unterscheidung zwischen Enteignung und Vergesellschaftung ist keine triviale Angelegenheit, in den Debatten und Argumenten zu Vergesellschaftung wird dies sowohl bei Gegner*innen als auch bei Befürworter*innen aber häufig vermischt. Deshalb bin ich der Kommission für die Nachhilfe in Einigkeit sehr dankbar.
- Bei der Enteignung entzieht der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben eine ganz konkrete Sache und tritt in die Eigentümerfunktion ein, um seine Aufgabe zu erfüllen. Bei der Vergesellschaftung geht es um den Entzug des privatnützigen Gebrauchs und der privatnützigen Verwertung, weswegen zwingend eine Form der Gemeinwirtschaft vorgeschrieben ist. (Rz. 228)
- Eine gemeinwirtschaftlich ausgerichtete Verwaltung meint eine gemeinnützige Bewirtschaftung der vergesellschafteten Gegenstände. (Rz. 95)
- Vergesellschaftung schließt eine bloße Verstaatlichung aus (Rz. 232). Den Anforderungen einer gemeinnützigen Bewirtschaftung entspricht es nicht, wenn der Gemeineigentümer die Immobilien mit der Absicht größtmöglicher Erträge bewirtschaftete, auch wenn er mit den Erträgen öffentliche Aufgaben finanzierte. (Rz. 96)
- Dem Enteignungsgesetzgeber geht es nicht darum, den privatnützigen Gebrauch und die privatnützige Verwertung bestimmter Sachen an sich aufzuheben. Das ist aber die Intention des Vergesellschaftungsgesetzgebers (Rz. 228).
- Alle Arten vermögenswerter privater Rechte dürfen nach 14 Abs. 3 GG zum Wohl der Allgemeinheit enteignet werden. Darüberhinausgehend enthält Art. 15 S. 1 GG die Befugnis, Rechte an den besonderen Gegenständen Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zweck der Vergesellschaftung in eine gemeinnützige Bewirtschaftungsform zu überführen. Vergesellschaftung stellt somit als solche ausweislich Art. 15 S. 1 GG einen eigen ständigen Zweck dar und bildet eine Erweiterung zu anderen Zwecken des Allgemeinwohls (Rz. 127).
Enteignung klingt radikal, ist aber am Ende gar nicht groß antikapitalistisch. Ich kann nämlich eine Sache enteignen, nur um sie danach weiter kapitalistisch zu verwerten. Vergesellschaftung ist nicht gleich Verstaatlichung und klingt weniger radikal. Vergesellschaftung aber erlaubt gerade keine privatnützige Verwertung. Vergesellschaftung schreibt eine gemeinwirtschaftliche Bewirtschaftungsform vor.
Und im Gegensatz zur Enteignung, die bei allen vermögenswerten privaten Rechten möglich ist, gibt es Vergesellschaftung nur für die in Art. 15 GG genannten Gegenstände. Insofern kommt die Kommission auch zu dem völlig richtigen Ergebnis, dass eine Vergesellschaftung von Unternehmen/Konzernen ausgeschlossen ist. Dies, so argumentiert die Kommission, basiere darauf, dass die Regelung in Art. 15 GG in Abkehr von Art. 156 WRV sich gerade nicht auf die Vergesellschaftung von Unternehmen beziehe, sondern die Reichweite der Vergesellschaftungsbefugnis durch die Aufzählung von Gegenständen bestimmt sei (Rz. 82). Die Regelung der Vergesellschaftungsbefugnis in Art. 156 WRV enthielt eine Anforderung der Vergesellschaftungsreife, wobei sich diese Befugnis insgesamt nicht auf Gegenstände, sondern auf Unternehmen bezog. Diese Unternehmen mussten nach dem Wortlaut der Regelung „für die Vergesellschaftung geeignet“ sein. Art. 15 S. 1 GG dagegen enthält keine entsprechende Vorgabe, auch weil sich die darin geregelte Befugnis dem Wortlaut nach auf Gegenstände und gerade nicht auf Unternehmen beziehe (Rz. 108). Diese richtigen Ausführungen haben eine politische und ein juristisch-dogmatische Folge. Politisch bedeutet dies, das ich eben nicht alles mögliche vergesellschaften kann, sondern dies nur für die in Art. 15 GG genannten Gegenstände möglich ist. Wer auch immer nach Vergesellschaftung ruft, muss demzufolge erklären, ob es sich bei dem zu vergesellschaftenden Gegenstand um Naturschätze, Grund und Boden oder Produktionsmittel handelt. Wenn nicht, dann bleibt nur die Enteignung. Juristisch ist die Aussage deshalb relevant, weil durch den Verweis auf den im Hinblick zur WRV veränderten Art. 15 GG nicht nur die Vergesellschaftung von Unternehmen/Konzernen ausgeschlossen ist, sondern auch das sog. Kriterium der Vergesellschaftungsreife ausgeschlossen wird. Darunter wird verstanden, dass nur solche Gegenstände vergessellschaftet werden können, bei denen „eine bestimmte Art der unternehmerischen Nutzung der genannten Gegenstände“ vorliegt oder von denen eine gewisse wirtschaftliche „Macht“ ausgeht.
Für die politische, vor allem aber juristische Debatte zentral ist die Aussage der Mehrheit der Kommission, dass mit der Vergesellschaftung weitere Zwecke verfolgt (Rz. 148) werden. An den aufgeführten weiteren Zwecken entspannt sich häufig die politische Debate, die weiteren Zwecke sind aber auch beim umstrittensten Punkt der Verhältnismäßigkeit essentiell. Zu diesen weiteren Zwecken gehören:
- Gewährleistung leistbarerer Mietpreise für einkommensschwächere Schichten
- Schaffung neuen Wohnraums durch Nachverdichtung und Aufstockung im vergesellschafteten Bestand sowie perspektivisch auch durch Neubau
- adäquate, an den Interessen der Mietenden einerseits und des Umwelt- und Klimaschutzes andererseits ausgerichtete Bewirtschaftung
- Mitbestimmung der Mietenden bei allen wohnraumrelevanten Entscheidungen
- diskriminierungsfreie und bedarfsgerechteVergabe des Wohnraums, die bestehende Nachteils- und Dringlichkeitsaspekte berücksichtigt
- Verhinderung von Obdachlosigkeitdurch Vermeidung von Räumungen
- Schutz und Ausbau gemeinwohlorientierter Strukturen in den Quartieren, insbesondere durch den Schutz von Kleingewerbe, durch Räume für Kunst und Kultur und für die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen sowie die Bereitstellung von Schutzräumen vor häuslicher Gewalt.
- Entlastung der öffentlichen Haushalte in der sog. Subjektförderung (Kosten der Unterkunft nach SGB II, Wohngeld) durch die Gewährleistung dauerhaft niedriger Mietpreise und mittelbar über eine Freisetzung von Kaufkraft bei den Mietenden auch eine volkswirtschaftlich wachstumsfördernde Stärkung der Nachfrage nach Konsumgütern. (Rz. 149)
Die Erwähnung der weiteren Zwecke der Vergesellschaftung ist, worauf ich schon hinwies, für die Verhältnismäßigkeitsprüfung zentral. Vor allem ist damit aber ein Neuerung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Vergesellschaftungen, soweit eine solche als notwendig angesehen wird, verbunden. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Vergesellschaftung soll eine modifizierte Verhältnismäßigkeitsprüfung sein, die sich am Kriterium der Offensichtlichkeit orientiert. Die Kommission war sich hier nicht einig, weswegen kurz die jeweiligen Positionen dargestellt werden sollen.
- Einzelne Mitglieder innerhalb der Mehrheit der Kommission waren der Auffassung, dass eine Vergesellschaftung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht unterstehe (Rz. 39), da eine Vergesellschaftung, obgleich damit ein Entzug subjektiver Rechte verbunden ist, nach der Konzeption der Eigentumsgewährleistung nach 14, 15 GG insgesamt gerade keinen Eingriff in das Grundrecht der Eigentümer darstelle (Rz. 114). Als demokratisch-soziales Grundrecht bzw. demokratische Offenhaltungsnorm habe Art. 15 GG keinen Abwehrcharakter (Rz. 118).
- Die Mehrheit sah die Notwendigkeit, dass eine Vergesellschaftung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen müsse (Rz. 39), dieses Gebot jedoch im Falle einer Vergesellschaftung (Art. 15 GG) gegenüber einem Fall einer Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) zu modifizieren sei. Nach dieser Modifikation ist eine Vergesellschaftung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, wenn keine Alternative besteht, die bei gleichem Ertrag für die Zwecke des Allgemeinwohls offensichtlich milder ist (Rz. 40). Aus Sicht der privaten Eigentümer mache es keinen Unterschied, ob subjektive Rechte im Zuge einer Enteignung oder einer Vergesellschaftung entzogen werden (Rz. 121). Die Pointe von Art. 15 GG liege darin, dass die Vergesellschaftung als ein eigenständiger Zweck zählt, der von anderen Zwecken des Allgemeinwohls zu unterscheiden sei und neben diese trete (Rz. 122). Die mit der Überführung in eine Form der Gemeinwirtschaft verbundene Entziehung von Rechten an den in Art. 15 S. 1 GG genannten Gegenständen erfolge „zum Zweck der Vergesellschaftung“. Diese ausdrückliche Bestimmung stehe im Kontrast zu dem Zweck, zu dem nach 14 Abs. 3 GG eine Enteignung zu erfolgen habe, nämlich „zum Wohle der Allgemeinheit (Rz. 127). Nach Auffassung dieser Mehrheit ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur auf die (weiteren) Zwecke des Allgemeinwohls auszurichten, die das Vorhaben verfolgt, sondern auch auf den eigenständigen Zweck der Vergesellschaftung. Das bedeutet in einem ersten Schritt, dass die in der Vergesellschaftung liegende Beendigung privatnützigen Wirtschaftens mit den in Art. 15 GG genannten Gegenständen und die gemeinnützige Bewirtschaftung dieser als ein legitimer Zweck zähle und die Prüfung der Eignung sodann wie sonst auf jeden einzelnen Zweck einer Maßnahme zu beziehen sei, hier also sowohl auf den eigenständigen Zweck der Vergesellschaftung als auch auf die (weiteren) Allgemeinwohlziele (Rz. 142). Dabei beschränke sich die Prüfung der Erforderlichkeit im Falle einer Vergesellschaftung auf die Frage nach Mitteln, die offensichtlich milder, aber gleich geeignet sind, um die weiteren Zwecke des Allgemeinwohls zu erreichen. Es sei auch darauf abzustellen, ob die anderen Zwecke des Allgemeinwohls offensichtlich mit milderen Mitteln verfolgt werden können. Die Abschwächung der Prüfungsdichte durch das Kriterium der Offensichtlichkeit rechtfertige sich dadurch, dass eine Vergesellschaftung als umfassendes Vorhaben angelegt seo, dessen Folgen vorab schwerlich in Gänze und in Einzelheiten absehbar seien (Rz. 143).
- Drei Mitglieder der Kommission sahen dies anders, ihnen zufolge komme dem Eigentumsgrundrecht der betroffenen Unternehmen ein größeres und dem Anliegen einer Vergesellschaftung bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ein geringeres Gewicht zu, als von der Kommissionsmehrheit angenommen.Die von der Mehrheit vertretene Auffassung gäbe dem Gesetzgeber innerhalb der Vergesellschaftungsgegenstände weitestgehend freie Hand zu vergesellschaftenden Eigentumseingriffen. Für grundsätzlich durchaus mögliche Vergesellschaftungen bedürfe es vielmehr regelmäßiger besonders gewichtiger Gemeinwohlziele und einer hierauf bezogenen umfassenden substantiellen Verhältnismäßigkeitsprüfung. (Sondervotum, S. 110)
Die Argumentation derjenigen Minderheit, die auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Verweis auf den mangelnden Eingriffscharakter in das Grundrecht auf Eigentum verzichten will und von einem demokratisch-sozialen Grundrecht spricht, kommt meines Erachtens dann in Schwierigkeiten, wenn mit der Vergesellschaftung tatsächlich ein Eigentumsentzug verbunden ist. Die Schwierigkeiten der Argumentation der Mehrheit, die auf der üblichen Verhältnismäßigkeitsprüfung besteht, gerät hingegen mit ihrer eigenen Argumentation zur Berliner Landesverfassung in Widerspruch (siehe weiter unten) und übersieht aus meiner Sicht den Grundcharakter des Art. 15 GG der ja gerade dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum geben wollte.
Für den Gesetzgeber wiederum, der hoffentlich bald an ein Umsetzungsgesetz gehen wird, finden sich im Kommissionsbericht ebenfalls wichtige Anhaltspunkte. So wird klargestellt, dass die Vergesellschaftung nicht nur das Eigentum an Grund und Boden, sondern auch die am Grundstück bestehenden dinglichen Rechte unter Einschluss von Erbbaurecht und Wohnungseigentum erfasst (Rz. 37) und soweit ein Grundstück zu einem zu vergesellschaftenden Bestand an Wohnimmobilien gehört und an diesem besteht ein einzelnes Wohnungseigentum zugunsten einer Person deren Bestände nicht er fasst sind, das Wohnungseigentum am Ende Bestand haben muss (Rz. 90). In diesem Fall, müssten im Hinblick auf das Erfordernis der Legalvergesellschaftung in einem ersten Schritt sämtliche Rechte entzogen werden, um sie in einem zweiten Schritt auf der Grundlage eines entsprechenden gesetzlichen Anspruchs an die Beteiligten zurück zu übertragen (Rz. 91). Die zu vergesellschaftenden Grundstücke und Adressaten müssen durch das Gesetz abschließend bestimmt sein, wobei eine konkrete Bezeichnung der einzelnen Flurstücke nicht verlangt wird (Rz. 37). Die gemeinnützige Bewirtschaftung muss für die Zukunft dauerhaft gesetzlich gesichert werden (Rz. 37), dies muss die Gesetzgebung durch einschlägige gesetzliche Vorgaben dauerhaft sicherstellen (Rz. 99). Die Kommission geht davon aus, dass im Hinblick auf die Schaffung neuen Wohnraums durch Nachverdichtung und Aufstockung und die Bewirtschaftung und Instandhaltung des Bestandswohnraums nach gemeinwohlorientierten Kriterien entweder im Gesetz selbst oder in den gesetzlichen Vorgaben zur Satzung des künftigen Trägers einschlägige Maßgaben verankert werden (Rz. 158). Gleichfalls muss der Gesetzgeber dem künftigen Träger ein bestimmtes, womöglich auch ausdifferenziertes Mietenniveau vorgeben, um den (weiteren) Allgemeinwohlzweck der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums für untere und mittlere Einkommen zu realisieren. Diese Vorgabe werde sich an der Höhe der Einkommen der versorgungsbedürftigen Einkommensgruppen orientieren, die anhand der Bezahlbarkeit für jene Einkommensgruppen bestimmten Mieten werde die laufenden Kosten der Vermietung mit Sicherheit übersteigen (Rz. 233).
Weiter oben habe ich auf die modifizierte Verhältnismäßigkeitsprüfung verwiesen. Für das Berliner Vorhaben der Vergesellschaftung von Grund und Boden großer Immobilienkonzerne ist spannend, wie es denn konkret mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung aussieht. Nach Auffassung der Kommissionsmehrheit steht das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Vergesellschaftung in Berlin belegener Immobilienbestände großer Wohnungsunternehmen nicht entgegen (Rz. 38). Die Mehrheit kommt zu dieser Auffassung, weil aus ihrer Sicht zu erwarten ist, dass die Mieten im vergesellschafteten Bestand sinken, gewiss aber nicht mehr im gleichen Maße steigen würden wie die Mieten für privat gehaltene Wohnimmobilien (Rz. 155). Es sei auch durchaus plausibel, dass die Mietstabilisierung im vergesellschafteten Bestand Effekte auf den übrigen Bestand haben würde. Die günstigeren Mieten im vergesellschafteten Bestand flössen in die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB ein (Rz. 156). Mit der Reduktion der Mieten auf ein dauerhaft leistbares Niveau gehe eine Entlastung der öffentlichen Hand in der sogenannten Subjektförderung einher, indem mit Rückgang der Miethöhe auch der Bedarf an den Kosten der Unterkunft oder Wohngeld sinken würde (Rz. 157). Ebenso sei das Vorhaben geeignet, im vergesellschafteten Bestand durch Nachverdichtung und Aufstockung neuen Wohnraum zu schaffen und den Bestandswohnraum nach gemeinwohlorientierten Kriterien zu bewirtschaften und instandzuhalten (Rz. 158).Unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und auf dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnis seien derzeit keine Mittel ersichtlich, die – jeweils offensichtlich – eine eindeutig gleiche Wirksamkeit wie das anvisierte Vorhaben entfalten, aber die betroffenen Grundrechte weniger stark und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belasten (Rz. 162). Insbesondere verstärkte Neubautätigkeit stelle keine Alternative dar, um das Ziel der Verbesserung der dauerhaften Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen zu erreichen. Es sei jedenfalls alles andere als gesichert, dass sich Neubau in signifikantem Ausmaß dämpfend auf die Entwicklung von Mietpreisen auswirke. So sei in öffentlichen Anhörungen dargelegt worden, dass Mietsteigerungen nicht vorrangig auf fehlenden Wohnungsneubau zurückzuführen seien, sondern eine Folge überhöhter Grundstückspreise und gewinnorientierter Bewirtschaftung. Mieteffekte durch Neubau würden ein reales Überangebot voraussetzen, d. h. eine durch den Neubau bewirkte hohe Leerstandsquote. Erweitere sich das Angebot hingegen in angespannten Wohnungsmärkten, habe dies in erster Linie Effekte im Segment des hochpreisigen Wohnraums. Insbesondere auf angespannten Mietmärkten blieben die sogenannten Sickereffekte von Neubau weitgehend aus (…) (Rz. 163). Schließlich verleihe die derzeitige Wohnungsversorgungslage in Berlin dem Gemeinwohlziel einer angemessenen Wohnungsversorgung für die Berliner Bevölkerung besonderes Gewicht (Rz. 188). Auch nach dem Sondervotum sei eine Vergesellschaftung von Wohnimmobilien nicht grundsätzlich ausgeschlossen, ob sie verhältnismäßig sei, könne aber nach gegenwärtiger Erkenntnislage der Kommission nicht abschließend beantwortet werden (Rz. 41).
Da es am Ende ja immer um Geld geht, ist auch ein Blick auf die Debatte zur Entschädigung notwendig. Auch hier war sich die Kommission nicht einig.
- Eine Mehrheit von neun Mitgliedern der Kommissionist ist der Auffassung, dass die nach 14 Abs. 3 S. 3 GG geforderte gerechte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten im Falle einer Vergesellschaftung nach Art. 15 S. 1 GG zu anderen Ergebnissen führt als im Falle einer Enteignung derselben Gegenstände nach Art. 14 Abs. 3 GG (Rz. 209). Nach Auffassung eines größeren Teils dieser Mehrheit können die Erträge aus der anvisierten gemeinnützigen Bewirtschaftung zugrunde gelegt werden, alternativ kann die Höhe der Entschädigung aus abstrakten fiskalischen Leistbarkeitsgrenzen abgeleitet werden und schließlich kann die Entschädigung auch nach einem hypothetischen Ertragswert bemessen werden, der bestimmt wird auf der Grundlage entschädigungsfrei möglicher Schrankenbestimmungen, welche denselben Allgemeinwohlzielen dienen. Der andere Teil der Mehrheit hält zwar den Verkehrswert auch bei einer Vergesellschaftung als Ausgangspunkt für zwingend, ist aber der Auffassung, dass fiskalische Leistbarkeitsgrenzen bzw. hypothetische Ertragswerte in diesem Zusammenhang durchaus als Obergrenze fungieren können und zudem weitergehende Abschläge geboten sind als bei der Entschädigung einer Enteignung (Rz. 43).
- Weiterhin relevant ist, dass die Mehrheit darauf verweist, dass die Entschädigung nicht in Geld erfolgen muss, sondern auch in anderen Werten erfolgen kann, insbesondere sind auch Schuldverschreibungen als Entschädigungen mit gestreckter Tilgung erprobt, wenn auch in anderem Zusammenhang. Es sei nicht ersichtlich, dass unter 15 GG strengere Maßstäbe zur Anwendung kommen sollten (Rz. 222).
- Die Entschädigung kann auch durch die Anstalt des öffentlichen Rechts als dem begünstigten neuen Träger des vergesellschafteten Immobilienbestands geleistet werden. Erfolgt die Kreditaufnahme durch eine rechtlich selbstständige Anstalt öffentlichen Rechts, wäre diese nicht unmittelbar von der Schuldenbremse des Grundgesetzes erfasst (Rz. 224).
Die zusammenfassend dargestellte Position der Mehrheit zur Entschädigung lässt sich noch untersetzen.
- Nach Auffassung von sieben Mitgliedern der Kommission könne für die Höhe der Entschädigung die Höhe der Erträge einer gemeinwirtschaftlichen Nutzung als Aspekt herangezogen werden. Die Entschädigung könne zulässig danach bemessen werden, welcher Betrag im Rahmen einer gemeinwirtschaftlichen Nutzung finanzierbar sei. Dabei richte sich die für die konkrete Höhe des Betrags maßgebliche Ausgestaltung der gemeinwirtschaftlichen Nutzung nach den weiteren Allgemeinwohlzwecken, die der Gesetzgeber mit ihr konkret verbindet (Rz. 231).
- Acht Mitglieder halten es für zulässig, bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung auf die fiskalischen Grenzen der öffentlichen Hand abzustellen (Rz. 325) und verweisen darauf, dass schon angesichts der vergesellschaftungsfähigen Gegenstände Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel evident ist, dass kraft Art. 15 GG auch sehr umfangreiche Vorhaben politisch ermöglicht werden sollten. Eine solche Umgestaltung der Wirtschafts- und Eigentumsordnung könne nicht mit der Verpflichtung zur Entschädigung zum Verkehrswert verbunden sein, insofern die öffentliche Hand die Entschädigung für eine solche Transformation niemals leisten könnte und Art. 15 S. 2 GG daher fiskalisch verunmöglichen würde, was Art. 15 S. 1 GG rechtlich ermöglicht (Rz. 239).
- Ebenfalls acht Mitglieder meinen, die die entzogenen Grundstücke können einer hypothetischen Bewertung auf Grundlage potentieller Schrankenbestimmungen unterstellt werden (Rz. 241). Einschlägig wären nicht jedwede beliebigen Schrankenbestimmungen, sondern solche, die in Ansehung der Allgemeinwohlzwecke erfolgen könnten, die das Vorhaben jenseits des Zwecks der Vergesellschaftung befördern sollen. Solche Schrankenbestimmungen hätten die Beteiligten entschädigungsfrei hinzunehmen. Sie minderten zugleich den Wert ihres Eigentums. Der nach einer potentiellen Schrankenbestimmung verbleibende Wert erscheine als das richtige Maß, um die Entschädigung eines Rechtsverlustes zu bemessen, der zum „Zweck der Vergesellschaftung“ bewirkt wird (Rz. 242).
- Drei Kommissionsmitglieder sind der Auffassung, dass sich die Bemessung einer Enteignungsentschädigung und die einer Vergesellschaftungsentschädigung der Höhe nach in deutlich geringerem Maße als von der Mehrheit der Kommission angenommen unterscheide (Rz. 210). Das Grundgesetz erlaube dem Gesetzgeber danach bei der Bestimmung der Entschädigung Abschläge vom Verkehrswert, binde ihn jedoch an die gerechte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Betroffenen (S. 122) Modifikationen könnten allenfalls durch das Wesen der Sozialisierung geboten sein. Insofern könnte die für eine Vergesellschaftung gebotene Entschädigung in begrenztem Umfang größere Abschläge gegenüber dem Verkehrswert zulassen als bei einer Entschädigung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG (S. 123). Kein zulässiger Abschlag könne unter Berufung auf Eigentumswertminderungen vorgenommen werden, die auch aus verfassungsrechtlich zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG resultieren könnten. Dies gilt jedenfalls für Vergesellschaftungen, die unter Entzug des sozialisierten Eigentums erfolgen. Denn Einschränkungen der Privatnützigkeit von Eigentum durch entschädigungslose Inhalts- und Schrankenbestimmungen setzen stets voraus, dass das Eigentum in der Hand des Eigentümers verbleibe und seien insofern nicht vergleichbar mit eigentumsentziehenden Vergesellschaftungen. Außerdem können ausnahmsweise auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG entschädigungspflichtig sein, wenn sie ohne eine solche Entschädigung unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig wären. (S. 125) Unzulässig sei auch das Abstellen auf fiskalische Interessen und damit auch die Prämisse, die Entschädigung dürfe so niedrig angesetzt werden, dass eine Enteignung oder Sozialisierung stets finanzierbar bleibe. Selbst wenn manche Stimmen im Jahr 1949 größere Spielräume gesehen haben sollten, könne das Argument leerer Staatskassen heute in einer im Grundsatz prosperierenden Wirtschaft und Gesellschaft keinen Bestand haben. Nur im Falle einer wirklich außergewöhnlichen Krise des Staatshaushalts könnte erwogen werden, auf dieser Grundlage zur Verfolgung eines besonders gewichtigen Gemeinwohlziels aus fiskalischen Gründen einen spürbaren Abschlag gegenüber einer ansonsten gebotenen Entschädigung zuzulassen (S. 126).
Sicherlich ist in der Entschädigungsfrage vieles noch nicht geklärt, allerdings ist einhellig klar, dass es vom Verkehrswert Abschläge geben kann. Bei einer konkreten Vergesellschaftung müsste aus meiner Sicht an der Frage Entschädigung aber noch einmal konkreter geprüft werden.
Kein großer Knackpunkt dürfte mehr die Frag sein, wieviel Wohnungen denn nun eigentlich? Wie im Volksentscheid vorgesehen auf 3.000 Wohnungen abzustellen und bestimmte Wohnungen auszunehmen ist nach einhelliger Auffassung der Kommission unter Berücksichtigung weiterer Maßgaben mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (Rz. 276). Die Kommission empfiehlt aber, den betroffenen Wohnungsunternehmen nicht den gesamten in Berlin belegenen Wohnimmobilienbestand zu entziehen, sondern nur den die Bestandsgrenze überschießenden Bestand Die Bestandsgrenze lässt sich nach in der Kommission einhellig vertretener Auffassung mit den Effizienzvorteilen rechtfertigen. Neun Mitglieder argumentieren, die Bestandsgröße von 3.000 Wohnungen lasse sich zusätzlich darauf stützen, dass damit Großunternehmen identifiziert sind, für die eine Vergesellschaftung in besonderem Maße geboten erscheint (Rz. 278). Ebenfalls sei eine Einbeziehung sämtlicher in Berlin belegenen Bestände von Wohnungsunternehmen mit einer Kapitalmarktorientierung (§ 264d HGB) in das Vorhaben mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar (Rz. 279).
Bliebe noch eine letzte Sache. Die Sache mit der Landesverfassung Berlins.
- Elf Mitgliedern der Kommissionfinden, sind der Auffassung ein Vergesellschaftungsgesetz sei mit der Verfassung von Berlin vereinbar, obwohl die in Art. 23 VvB enthaltene Eigentumsgewährleistung keine ausdrückliche Vergesellschaftungsbefungis enthält (Rz. 344). Für den Fall einer Kollision von Bundes- und Landesrecht ordne Art. 31 GG den „Bruch“ des Landesrechts an. Mit dem Ausdruck Bruch sei kein Anwendungs-, sondern ein Geltungsvorrang des Bundesrechts bezeichnet (Rz. 347). Sofern es sich bei der kollidierenden landesverfassungsrechtlichen Regelung um ein Grundrecht handelt, liefere Art. 142 GG eine (weitere) Ausnahme zu Art. 31 GG. Die Landesgrundrechte blieben in Kraft, sofern sie „in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten“ (Rz. 348). Die Eigentumsgewährleistung in der Berliner Landesverfassung stehe aber der Vergesellschaftung dann entgegen, wenn sie trotz ihres abweichenden Gehaltes gem. Art. 142 GG auch insoweit in Kraft wäre, als sie eine Entziehung zum Zweck der Vergesellschaftung ausschließe. Das wäreder Fall, wenn die eine Vergesellschaftung ausschließende Gewährleistung des Landesgrundrechts dennoch „in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18“ des Grundgesetzes stehe (Rz. 351). Dies sei aber, so die Mehrheit nicht der Fall. Art. 23 Abs. 2 VvB lässt Enteignungen „durch Gesetz“ nicht zu. Eine Vergesellschaftung nach Art. 15 GG hingegen muss zwingend „durch Gesetz“ erfolgen. Beide Anforderungen zugleich könne ein Landesgesetz zur Vergesellschaftung aber nicht erfüllen (Rz. 353), demzufolge liefere eine landesgrundrechtliche Eigentumsgewährleistung, die eine Vergesellschaftung nicht erlaube, keine Gewährleistung „in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18“ des Grundgesetzes (Rz. 360).
- Anders sehen dies drei Mitglieder. Nach den Aussagen des BVerFG ermögliche Art. 142 GG den Ländern einen gegenüber dem Grundgesetz weitergehenden Grundrechtsschutz. (…) Art. 15 GG sei kein Grundrecht, sondern eine Ermächtigung zu Eingriffen in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG (vgl. bereits BVerfGE 12, 354 und 363) und damit eine Grundrechtsschranke. Enthält eine Landesverfassung neben einer eigenen Eigentumsgarantie eine vergleichbare Ermächtigung nicht, so normiere sie eine für das Eigentum engere Grundrechtsschranke und gewährleistet weitergehenden Schutz als das Grundgesetz (S. 130). Dass hingegen gerade Art. 15 GG dem Landesverfassungsgeber verbieten wollte, dem Landesgesetzgeber Sozialisierungen vorzuenthalten, also insoweit „einen weitergehenden Schutz zu unterlassen“, sei weder seinem Wortlaut noch seiner Entstehungsgeschichte zu entnehmen (Rz. 131). Die Minderheit ist der Auffassung, als Grundlage für die Verstaatlichung von Wohnungsbeständen und die Eigentumsübertragung auf einen gemeinnützigen Träger komme in Berlin daher nur Art. 23 der VvB selbst in Betracht. Wolle das Land Berlin hingegen die durch Art. 15 GG eröffneten Spielräume ausschöpfen, so müsse es zunächst eine eindeutige Sozialisierungsermächtigung in der Landesverfassung schaffen. Die Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Sozialisierung allein nach dem Maßstab des Art. 15 GG und ohne Rücksicht auf den Inhalt der Landesverfassung entspreche nicht den Ausgangsparametern der herrschenden Rechtsauffassung und begegnet daher massiven landesverfassungsrechtlichen Risiken.
Das Problem der Minderheitenargumentation ist, dass wenn sie konsequent darauf abstellen würde, dass es sich bei Art. 15 GG nicht um ein Grundrecht handelt, sie die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht begründen kann. Sie ist also widersprüchlich.
Alles in allem kann jedenfalls gesagt werden, der Bericht ist lesenswert und sollte gerade nicht in irgendwelchen Regalen oder Ablagen verschwinden, sondern genutzt werden um Vergesellschaftung voranzutreiben.