Für manche scheint dieser Ansatz gewöhnungsbedürftig zu sein. Das jedenfalls wäre mein erstes Fazit aus der gestrigen ersten Delegiertenberatung für den Bundesparteitag der LINKEN, die der Bezirksverband Friedrichshain-Kreuzberg gestern durchführte und an der immerhin 4 von 6 Delegierten teilgenommen haben.
Die Delegiertenberatung fand statt um gemeinsam mit Klaus Ernst und mir die Perspektiven der LINKEN zu debattieren.
Klaus Ernst machte in seinem unterhaltsamen Redebeitrag deutlich, dass die LINKE Alternativen anbietet, die gemeinsam gesellschaftlich mehrheitsfähig gemacht werden müssen. Er nannte die sog. Markenkerne der LINKEN wie die Überwindung von Hartz IV, den Mindestlohn, das Eintreten gegen die Rente mit 67, die Ablehnung von Privatisierungen und die Forderung nach einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
Ich versuchte in meinem Beitrag deutlich zu machen, dass es auf dem Parteitag neben der Wahl eines neuen Parteivorstandes (ich habe durchaus die Kritik daran vernommen, dass es problematisch ist im jetzigen Personalvorschlag nur Parlamentarier/innen zu haben) darum gehen muss die strategische Debatte zu beginnen und die Bundestagswahl 2013 vorzubereiten. Dabei geht es meines Erachtens darum gesellschaftlich mehrheitsfähige Projekte zu entwickeln, die irgendwann auch versucht werden müssen in parlamentarische Mehrheiten umzusetzen. Das geht natürlich nur mit gesellschaftlichem Rückhalt und setzt Gespräche auch mit SPD und Grünen voraus. Denn nur wenn wir wissen, wo es Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt, macht es überhaupt Sinn darüber nachzudenken ob eine gesellschaftliche Mehrheit in eine parlamentarische Mehrheit umgewandelt werden kann. Aus meiner Sicht muss aber -auch aus der Erfahrung die ich aus dem Jahr 2002 habe- darüber nachgedacht werden, wie die LINKE strategisch damit umgeht, dass sich auf einmal alle auf die Positionen der LINKEN zu bewegen. Wie geht die LINKE damit um, dass auch SPD und Grüne einen Mindestlohn fordern? Wie geht die LINKE damit um, dass alle Parteien über ein Abzugsdatum aus Afghanistan reden? Wie kann DIE LINKE da Eigenständigkeit bewahren.
Aus dem Publikum heraus kam die Bitte darauf Antworten zu geben. Aber muss ich immer gleich Antworten haben? Bin ich schlauer als die Genossen/innen? Nein, ich finde, es muss auch möglich sein Fragen aufzuwerfen und diese gemeinsam zu diskutieren, die Zeiten der Direktive von oben sind vorbei!
Es gibt aber auch etwas was mir Angst macht. Ich habe nichts gegen die von Klaus Ernst formulierten Punkte. Ich finde aber es muss um mehr gehen, als „rote Linien„. Und ich lehne es ab, befragt zu werden: Bist du für oder gegen diese Linien.
Neben der strategischen Debatte ging es natürlich auch um das Programm. Meine Position dazu habe ich hier aufgeschrieben. Wie eine Programmdebatte nicht laufen kann musste ich allerdings gestern erfahren. Wie nachlesbar ist, sage ich gar nichts zum Thema Eigentum (obwohl es eine spannende Debatte wäre, wie konkret gesellschaftliches Eigentum aussehen könnte). Dennoch wurde ich damit konfrontiert, dass Mitglieder des fds (forum demokratischer sozialismus) sich bereits zum Thema Eigentum geäußert haben. Und ich als stellv. Parteivorsitzende könne doch so etwas nicht tolerieren. Da wurde also nicht über meine Position debattiert sondern über die des fds, für das ich in Haftung genommen wurde. Auf der anderen Seite wurde der Wunsch geäußert, doch nicht gleich „rumzunörgeln“ und wir sollen doch die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt stellen. Auch das sehe ich anders: Der Programmentwurf liegt auf dem Tisch. Jetzt muss kontrovers und strikt am Inhalt debattiert werden. Nur aus einer Diskussion mit pro und contra kann sich eine Gemeinsamkeit entwickeln, inhaltlicher Streit kann anregend und interessant sein. Am Ende werden wir die Gemeinsamkeiten finden, am Anfang kann und sollte auch einmal die Kontroverse stehen.
du sollst nicht tolerieren können, dass jemand seine meinung sagt? oder dass jemand eine andere meinung zu einem bestimmten punkt hat? beides wäre höchst merkwürdig!
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Naja, ich glaube es ging nicht um mich oder nur indirekt. Es ging eher darum, dass das forum ds sich so geäußert hat und ich mich wohl hätte distanzieren sollen. So habe ich das jedenfalls verstanden.
Falsch. Es ist weder der fall, dass diese gesellschaft über paralmentarische Mehrheiten verändert wird, noch sind die Bewegungen auf der Strasse nur zur Schaffung von parlamentarischen Mehrheiten da, sonder es kömmt vielmehr darauf an, Kräfteverhältnisse zu verändern, vor deren Hintergrund dann eventuell auch eine parlamentarische Kraft Wirkung entfalten könnte. Dazu muss man natürlich auch kit Grünen und Sozen reden, aber nicht mit denen im Bundestag, siondern mit denen in den Bewegungen, auf der Strasse und im Betrieb.
Wie kannst Du es den „ablehnen“ zu roten Linien befragt zu werden? Du repräsentierst hier ne Menge Leute, ein gutes Stück Partei, aber dazu muss Frau W sich nicht verhalten? Raff ich nicht. Naja, obwohl das ja langsam zur Regel wird, dass keienr für die Positionen des fds verantworlich sein will, wenn man sie diskutieren möchte. Das ist gelinde gesagt feige und hat mit „Arsch inne Hose“ nix zu tun. Aber der ist ja auch im Bundestag. wa? Draußen brauch man den nicht?
Und dass Du plötzlich die große kritikerin von Ämterhäufungen sein willst, kann ich auch nicht nachvollziehen. Du bist doch die Multifunktionärin schlechthin.
hallo uwe,
ich lehne es ab zu antworten auf die frage bist du für oder gegen diese roten linien. ich finde man/frau sollte diese roten linien debattieren, sie im wahlprogramm und nicht im parteiprogramm festschreiben und ansonsten braucht eine partei mehr als zu sagen was nicht geht.
wie kommst du eigentlich darauf, dass grüne und spd ebenso wie linke die im bundestag sitzen nicht auch in bewegungen aktiv sind?
ansonsten empfehle ich, tritt an. nur wer antritt kann auch gewählt werden.
Ich möchte gern einen sachlichen Aspekt einbringen: Es ist modern geworden, in der Partei mit „Haltelinien“ und dem „Markenkern“ zu operieren, um politische Grundpositionen festzuzurren. Ob das legitim ist oder nicht, will ich nicht beurteilen. Wir sollten jedoch mit den Begriffen vernünftig umgehen: Der Markenkern ist sozusagen das Innerste, das die Partei zusammenhält, was auch in 5 oder 10 Jahren noch identitätsstiftend ist. Vielleicht sollte man/frau da eher von Identitätskern (als Markenkern) sprechen. Und dazu möchte ich sagen, dass Oskar Lafontaine das wirklich auf den Punkt gebracht hat. Er definierte diesen Markenkern aus meiner Sicht zutreffend wie folgt: „DIE LINKE wirft als einzige politische Kraft die Frage auf, was wem warum gehört. Sie will eine Gesellschafts- und Rechtsordnung, in der das Eigentum dem zugesprochen wird, er es erarbeitet und geschaffen hat.“ Da sind wir wirklich bei der Eigentumsfrage. Und darüber sollten wir diskutieren.
@ Rainer: das wäre mir zu einfach. Die Eigentumsfrage ist eine der wichtigen, aber nicht die wichtigste Frage, also nicht der Kern. Ich leite das aus der jüngeren Geschichte Ost- und Westdeutschlands ab: Man kann mit gesellschaftlichem, staatlichem, genossenschaftichem, privatem Eigentum oder auch Volkseigentum sowohl Gutes als auch Ungutes erreichen. Die Frage ist nicht einfach, wem gehört etwas, sondern wie wird mit dem Eigentum mit welchen Interessen umgegangen. Ergo: Nicht die Eigentumsfrage allein(!) steht im Vordergrund.
@ Esteffan: Dank für Deine Anmerkungen. Stimme völlig zu, dass es um die Frage geht, wie „mit Eigentum mit welchen Interessen umgegangen wird“ (Deine Formulierung). Das betrifft also die Verteilung geschaffener Werte. In dem Moment, wo diese „Verteilung“ im eigentlichen Wortsinn nachträglich als Verteilung stattfindet, wirds natürlich kompliziert (nach welchen Maßstäben soll verteilt werden? Wer legt die fest? Wie setzt man das durch?). Deshalb wäre es sicher sinnvoller, die Verteilungsfrage schon bei der Entstehung der Werte zu klären. Das ließe sich bei genossenschaftlichen, staatlichen? oder anderen kollektiven Eigentumsformen einfacher lösen als bei privatem Eigentum, bei dem im Nachhinein um die „gerechte“ Verteilung gerungen werden muss. Insofern halte ich die von Lafo aufgeworfene Frage für berechtigt, immer wieder konsequent danach zu fragen, „was wem warum gehört“. Die Verteilungsfrage ist m.E. originär an die Eigentumsfrage gebunden, weil „nicht verteilter Mehrwert“ letztlich erst privates Eigentum begründet bzw. sich privates Eigentum kollektiv erarbeitete Werte widerrechtlich aneignet. Oder sehe ich das falsch?
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