Gesetzentwurf der LINKEN zur SED-Opferrente scheitert im Bundestag

Die Geschichte lässt uns nicht los. Sie gehört zu uns. Ich habe an dieser Stelle bereits darüber geschrieben.

Im Bundestag ging es gestern Abend erneut um die sog. SED-Opferrente. Über die erste Lesung habe ich bereits hier geschrieben. Die Fraktion DIE LINKE hatte diesen Gesetzentwurf zur sog. SED-Opferrente in den Bundestag eingebracht. Er wurde gestern abgelehnt. Mich interessierten nun die Gründe für die Ablehnung, schließlich hatte ich in der ersten Lesung noch angeboten: „Deswegen mache ich einen ganz einfachen Vorschlag: Schreiben Sie auf unseren  Gesetzentwurf `Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen`, und wir stimmen trotzdem zu.“

Für all diejenigen, die jetzt nicht auf den Link zum Gesetzentwurf klicken wollen, die Kernpunkte des Gesetzentwurfes der LINKEN kurz zusammengefasst: Verurteilungen wegen assozialem Verhaltens nach § 249 StGB im Zusammenhang mit den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Berlin 1973 (also in diesem engen Zusammenhang und nicht generell) sollten ebenso zu Ansprüchen nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz führen wie die Betroffenheit von Zersetzungsmaßnahmen des MfS soweit sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensführung geführt haben. Die Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz sollten nicht erst ab einer Haftdauer von 180 gewährt werden, sondern bereits ab dem ersten Tag der Haft. Vor allem aber sollte die Leistung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz unabhängig vom Einkommen gewährt werden, mithin nicht als soziale Ausgleichsleistung sondern tatsächlich als Ehrenpension. Die Befristung der Antragsstellung sollte gestrichen und in gewissem Umfang eine Beweislastumkehr für Gesundheitsschäden eingeführt werden. Aus meiner Sicht alles gute Gründe dem Gesetzentwurf der LINKEN zuzustimmen und damit den Opfern der SED-Diktatur in der DDR tatsächlich zu etwas mehr Gerechtigkeit zu verhelfen.

Nur am Rande: Wer wissen will, wie das mit Zersetzungsmaßanhmen war, der muss die Richtlinie 76 des MfS lesen. Ein absolut gruseliges Dokument.

Doch der Gesetzentwurf fand gestern Abend nur die Zustimmung der LINKEN. Die Reden gingen zu Protokoll. Wer die einzelnen Debattenbeiträge nachlesen will, der müsste auf die Seiten 7043-7046 gehen. Stefan Heck von der Union formulierte: „Das heißt nicht, dass wir uns den Forderungen der SED-Opfer verschließen. Im Gegenteil: Wir haben uns die Zeit genommen, sowohl Vertreter der Opferverbände als auch weitere Experten zu diesem Thema in einem Berichterstattergespräch anzuhören. Dies war für uns als CDU/CSU-Fraktion besonders wichtig.“ Wenn aber nicht nur das Anhören wichtig ist, sondern das was gesagt wurde, dann hätte die CDU/CSU nun aber dem Gesetzentwurf der LINKEN zustimmen müssen, denn in wesentlichen Teilen entspricht dieser den Forderungen der SED-Opfer. Warum die CDU/CSU den Gesetzentwurf der LINKEN abgelehnt hat, erklärt Herr Heck nicht. Eine diesbezügliche Erklärung gibt es dann aber von Arnold Vaatz. Der merkt zunächst an, dass die SED-Opferverbände sich mehr gewünscht hätten um dann zur argumentieren: „Der Antrag der Linksfraktion ist hingegen blanker Hohn für die Opfer des SED-Unrechtsregimes. Die ehemaligen Täter und ihre heutigen Parteigänger fordern unter anderem eine Beweislastumkehr sowie keine Feststellung einer Mindesthaftdauer. (…) Die Linkspartei ist die letzte politische Kraft in Deutschland, die ein Recht hätte, zu verlangen, dass für das von ihr allein verursachte Unrecht nun die ganze Gesellschaft aufzukommen hätte, und dies in einer Höhe und unter Bedingungen die die Linkspartei selbst festlegt.“ Ich bin schon geneigt, mitleidig zu lächeln. Es gibt kein inhaltliches Argument gegen den Gesetzentwurf der LINKEN, sie hat nur einfach kein Recht, diesen Gesetzentwurf zu stellen. Sehr demokratisch!  Nach Vaatz gab es auch keine Blockparteien. Nach dem mitleidigen lächeln kann dem Abgeordneten Vaatz dann erklärt werden, wie Demokratie funktioniert. Falls er das nämlich noch nicht mitbekommen hat, kann ihm geholfen werden. Nicht eine Partei legt fest, was in einem Gesetz steht, sondern die Mehrheit des Bundestages. Es wäre also durchaus möglich, die Bedingungen im Gesetzentwurf der LINKEN zu verändern, wenn mensch möchte. Doch Arnold Vaatz hat auch noch eine inhaltliche Begründung, warum der Gesetzentwurf der LINKEN abgelehnt wurde. Diese ist wirklich grandios. „Der wirkliche Hintergrund Ihres Antrages scheint auch nicht die Sorge um die SED-Opfer zu sein, weil sie diesen in allen ihren Verlautbarungen genauso feindselig gegenüberstehen wie zu SED-Zeiten. Nein: Ihr Antrag ordnet sich ein in Ihr permanentes Bestreben, diesen Staat, in den die DDR aufgegangen ist, durch Überforderung zu zerstören, um die Genugtuung zu haben, dass nicht nur ihr Staatsgebilde, sondern die verhasste BRD am Ende scheitert. Dem dient auch ihre Forderung nach einer Beweislastumkehr„.  Jawohl. Gut das wir Arnold Vaatz haben, der deckt auf was mit solchen Gesetzentwürfen wirklich beabsichtigt ist. Danke, danke, danke.

Der Abgeordnete Matthias Bartke geht gar nicht auf den Gesetzentwurf der LINKEN ein. Harald Terpe von Bündnis 90/Die Grünen erkannte ausdrücklich an, „dass sich in der Linksfraktion in den letzten Jahren zunehmend eine differenzierte Sichtweise auf das DDR-Unrecht eingestellt hat„. Die Grünen enthielten sich zum Gesetzenwurf wegen der der Bezugnahme auf die Verurteilungen wegen assozialem Verhalten im Umfeld der Weltfestspiele der Jugend und Studenten.

Das Thema ist noch lange nicht beendet. Am Montag war ich bei einer Veranstaltung der Stiftung Aufarbeitung zu „20 Jahre zweites SED-Unrechtsbereinigungsgesetz“. Ich habe von dort noch die eine oder andere Anregung mitgenommen. Vielleicht ergibt sich ja in dieser Legislaturperiode noch einmal die Chance das Thema SED-Unrechtsbereinigung umfassender anzugehen. Falls nicht, sei schon jetzt einer wie auch immer zusammengesetzten Fraktion der LINKEN im nächsten Bundestag empfohlen, sich diesem Thema erneut anzunehmen.

7 Replies to “Gesetzentwurf der LINKEN zur SED-Opferrente scheitert im Bundestag”

  1. Dass auch der patentierte „Bürgerrechtler“ Vaatz ein Scheitern der BRD nicht mehr ausschließt, macht Hoffnung.

  2. Solange die Verdienstgrenze nicht abgeschafft wird oder die Verdienstgrenze nicht an der Lohnentwicklung angepasst wird es immer weniger Empfänger geben.
    Ich erhielt 33,-€ Opferrente und muss jetzt 1975,-€ zurück zahlen. Auf Grund der
    Erhöhung der Opferrente musste ich meine Steuerbescheide von 2010 bis 2014
    auflegen .Darum möchte ich mich bedanken für die Würdigung als politischer Häftling.

  3. Also ich sehe bei den Forderungen der Partei der Linken, eine Tendenz die Rehabilitierungsgründe dermaßen zu überdehnen, daß sie von der Mehrheit schon fast zwangsläufig abgelehnt werden müssen! Klar, mag es Einzelfälle gegeben haben daß der Assozialenparagraph politisch zweckentfremdet wurde, dieses muß in Einzelfällen auch abgeklärt werden, aber eine pauschale Entschädigung? Anstatt sich auf die vielen, durch langjährige Haftstrafen traumatisierten politischen Haftopfer zu konzentrieren, sollen diese Opfer nach dem Willen der Linken auf eine Stufe mit denen gestellt werden, die Karriereeinschnitte nach politischen Ungehorsamkeiten erdulden mussten, oder bei den Weltfestpielen gegen Westgeld durchaus auch der Prostituition nachgegangen sind? Die 180 Tage-Regelung mag zwar in Einzelfällen schmerzhaft sein, macht aber angesicht der Tatsache, daß kurzzeitig Inhaftierte, oder bald freigekaufte in der Regel geringere Haftfolgeschäden davontrugen,schon etwas Sinn! Die Bedürftigkeitsregelung zur Zahlung dieser am Anfang noch Ehrenrente genannten Zuwendung ist jedoch skandalös! Schade daß die Linke so weit über das Ziel hinweggeschossen ist, dabei die bereits rehabilitierten Haftopfer banalisierte und den Eindruck erweckte den Staat durch Zugangserleichterung zur Opferrente für fast jeden, finanziel zu überfordern zu wollen. Aber vieleicht war es von der Linken ideologisch begründet, gegenüber den ehemaligen politischen Haftopfern ja genau so gewollt und dann stellt sich die Frage nach dem Ziel dieser Aktionen.

  4. möglicherweise liegt ja ein missverständnis vor. der assozialenparagraf soll nicht generell anspruchsbegründend sein, sondern wenn es um verurteilungen im zusammenhang mit den weltfestspielen ging. im ge ist ein artikel zitiert, der das problem noch einmal genauer beschreibt.
    von der einbeziehung von personen, die karriereinschnitten nach „politischen ungehorsamkeiten“ hatten ist im ge nicht die rede.

  5. Gerade die Weltfestspiele sind doch ein schönes Beispiel dafür, wie die SED die DDR als Unrechtsstaat zelebrierte, gleichzeitig nach außen für kurze Zeit ein weltoffenes und freundliches Gesicht zeigte. Für kurze Zeit wurden Grepos und Vopos in den SMILEMODUS versetzt, nachdem vorher über Monate Ostberlin personell besenrein gemacht wurde, so wie ganz Berlin !939.
    Die Verurteilungen nach §249 schossen in 73 exorbitant in die Höhe, um in 74 wieder abzusinken. Hinzu wurden zehntausende Gespräche mit Personen geführt, die sich „nicht in die gesellschaftliche Disziplin einfügten“, zeitliche Verweise erteilt und Pässe entzogen, sowie Urlaubs- und Reisesperren gegen eben o. g. Personnen verhängt.
    Genaueres in >“Asoziale“ und „Parasiten“ im Recht der SBZ/DDR< v.Sven Korzilius, Köln 2005

  6. Wieso jemand mit unter 180 Hafttagen zwangsläufig weniger Folgeschäden erlitten haben soll, erscheint mir nicht schlüssig?!
    Jemand der 5 min vergewaltigt wird, wird sicherlich nicht weniger Schäden davon tragen, als wenn die Tatzeit 2 h betragen hätte?!
    Geschädigte mit unter 180 Tagen bekommen somit NuLL-Opferrente, meist auch NULL-Entschädigung bei der ,,Beruflichen Reahab.,, weil sie durch die geringere Haftzeit meist nicht auf die verlangte Verfolgungszeit von 3 Jahren kommen! Somit ist man oft sein Leben lang geschändet und bekommt vom Rechtsstaat keine Entschädigungsleistung!

  7. ich teile ihre einschätzung. deshalb wollten wir ja auch die regelung zu den 180 tagen abschaffen. im gesetzentwurf heißt es: „Die Festlegung einer Haftdauer auf 180 Tage als Anspruchsvoraussetzung wird der damaligen Lebensrealität nicht gerecht und führt zu neuen Ungerechtigkeiten. Auch durch eine Haft von unter 180 Tagen können Inhaftierte und Opfer von Zer- setzungsmaßnahmen in ihrer Menschenwürde grob verletzt worden sein. Eine Festlegung einer Haftdauer von 180 Tagen lässt darüber hinaus jene unberück- sichtigt, die ins Ausland abgeschoben oder zum Teil im Ausland inhaftiert wur- den. Der Einsatz für Grundwerte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sollte unabhängig von der Haftdauer gewürdigt werden.“

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