Immer noch nicht zustimmungsfähig

Über den Referentenentwurf zur Veränderung des Sexualstrafrechts habe ich bereits hier geschrieben. Heute wurde nun der Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet. Ich könnte es mir -leider- sehr einfach machen und sagen: Alles zum Gesetzentwurf ist bereits bei der Kritik zum Referentenentwurf geschrieben worden. Doch so leicht will ich es mir nicht machen und deshalb -ausdrücklich ergänzend- eine Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung formulieren.

Der Gesetzentwurf bleibt bei der Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen. Warum ich das schwierig finde, habe ich bereits beim Referentenentwurf ausgeführt. Ich will aber noch einen anderen Aspekt hinzufügen. Je länger eine Straftat zurückliegt, desto schwieriger wird es sie zu beweisen. Wenn der Grundsatz „in dubio pro reo“ (Im Zweifel für den Angeklagten“) weiter gelten soll, und ich will das er weiter gilt, dann kann es zu erheblichen Schwierigkeiten des Nachweises der Straftat kommen. Es wird den Opfern sexualisierter Gewalt Hoffnung auf eine strafrechtliche Verurteilung viele Jahre nach der Tat gemacht, von der wir heute noch nicht wissen, wie sie unter Beachtung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ erfüllt werden kann. Findet am Ende keine strafrechtliche Verurteilung des Tatverdächtigen statt, werden Hoffnung enttäuscht und treten erneute Verletzungen auf. Das Vertrauen in die Justiz sinkt. Ich verstehe die Absicht hinter der Änderung, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass die erneute Verlängerung der Verjährung das erreicht, was beabsichtigt war. Sinnvoller wäre hier eine Verlängerung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen, die in einem zivilprozessualen Verfahren geltend gemacht werden können. Im Übrigen wäre es hilfreich darzulegen, weshalb die Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuallen Missbrauchs (StORMG) aus dem Jahr 2013, auf das in der Begründung (Seite 17) verwiesen wird nicht ausreichend ist. Welche Erfahrungen liegen denn diesbezüglich vor? Wenn ich das richtig sehe, wird in der als Beweis für die Notwendigkeit der weiteren Verlängerung von Verjährungsvorschriften angegebenen Quelle gerade keine Evaluierung der Regelung aus dem Jahr 2013 vorgenommen.

Die Regelung in § 184b StGB bleibt so wie sie im Referentenentwurf formuliert war. Danach ist eine kinderpornografische Darstellung auch „die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten Person unter 14 Jahren in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung“. Neben der Auseinandersetzung zum Referentenentwurf habe ich an dieser Stelle bereits deutlich gemacht, warum ich mich mit dieser Änderung überhaupt nicht anfreunden kann. Nach wie vor wird im Übrigen auf Seite 19 der Begründung darauf hingewiesen, dass der formulierte Tatbestand nach der Rechtsprechung des BGH bereits unter Kinderpornografie fällt. Es besteht also weder ein Regelungs- noch ein Vollzugsdefizit. Aus innenpolitischer Sicht dürfte die Änderung in § 184b Abs. 5 StGB (so auch schon im Referentenentwurf vorhanden) interessant sein. Die Handlung sei rechtmäßig, wenn sie nach Nr. 2 der „Erfüllung von Aufgaben, die sich aus Vereinbarung mit einer zuständigen Stelle ergeben“ dient. Ganz versteckt findet hier wohl ein Outsourcing von hoheitlichen Aufgaben an Private statt. In der Begründung auf Seite 39 wird dann auch darauf verwiesen, dass die Regelung „Auftragsverhältnisse, die zwischen staatlichen Stellen und weiteren Personen oder Organisationen bestehen“ erfasse.

Der § 184d StGB bleibt ebenfalls unverändert, d.h. strafbar ist, „wer es unternimmt einen kinderpornografischen Inhalt mittels Telemedien abzurufen.“ Soweit es um Download gehen würde, hätte ich ja nichts gegen eine Strafbarkeit, aber hier wird wohl nach wie vor allein der Aufruf und damit auch der unbeabsichtigte Aufruf unter Strafe gestellt. Dies wird in der Begründung des Gesetzentwurfes auf Seite 20 auch noch einmal explizit erwähnt, wenn es dort heißt: „wobei der Abruf nicht die Speicherung des Werkes beim Abrufenden voraussetzt„. Mit welchen Mitteln und Methoden das ermittelt werden soll, bleibt im Dunkeln. Vermutlich haben sich hier aber die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung eine Hintertür für zukünftige Auseinandersetzungen geschaffen.

Eine leichte Veränderung im Hinblick auf den Referentenentwurf hat der § 201a StGB durchgemacht. Nunmehr heißt es: „Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblichen zu schaden, oder unbefugt eine Bildaufnahme einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt.“ Im Referentenentwurf war noch von einer „bloßstellenden Bildaufnahme„, statt von „geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“ die Rede. Nichts, aber auch gar nichts ändert sich an der gegenüber dem Referentenentwurf geäußerten Kritik. Diese Formulierung ist genauso unbestimmt wie die alte Formulierung, so dass gefragt werden muss, ob schon mal was vom Bestimmtheitsgebot gehört wurde. Diese Regelung ist weder angemessen noch verhältnismäßig. Und die Strafbarkeit der „Herstellung“ wird eine schöne Beschäftigung für Rechtsanwält/innen, Staatsanwält/innen und Richter/innen. Nach dem § 205 StGB handelt es sich um ein Antragsdelikt, d.h. eine Strafverfolgung findet nur auf Antrag statt. Wenn also jemand findet, dass jemand ein Foto gemacht hat, welches „geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“ erstattet er/sie Anzeige. Dann wird ermittelt. Ob der Tatbestand erfüllt ist, also das Foto wirklich geeignet ist dem Ansehen erheblichen Schaden zuzufügen, muss ja ermittelt werden. Blöd nur, wenn das Foto schon wieder gelöscht wurde, ohne das es irgendwie abgespeichert oder gar irgendwohin übertragen wurde. Zum einen sorgt die Anzahl der Anzeigen deswegen für eine Erhöhung der in der Kriminalstatistik erfassten Straftaten, zum anderen aber wird der bzw. diejenige welche das Foto gemacht hat von strafrechtlichen Ermittlungen betroffen. Das in Fällen von gelöschten Fotos eine strafrechtliche Verurteilung stattfindet, ist so gut wie ausgeschlossen. Was für eine Vergeudung von Ressourcen! Die hierfür aufgewendeten Mittel wären zum Beispiel im Bereich der Prävention viel sinnvoller eingesetzt. In der Begründung wird auf Seite 48 im Übrigen noch „bloßstellende Bildaufnahme“ versucht zu definieren.

Nur am Rande sei erwähnt, dass in dem beim Abschnitt zu den Verjährungsvorschriften genannten Gutachten weder ein Veränderungsbedarf in den §§ 184b und d StGB, noch im § 201a StGB gesehen wurde. Diese Paragrafen sind gar nicht behandelt worden in dem Gutachten.

Nach allem kann ich nur sagen: Der Gesetzentwurf ist immer noch nicht zustimmungsfähig.

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