Nur noch wenige Stunden

… bis zum Abflug und heute mal ohne Fotos :-( . Die schwedische Linkspartei hatte für gestern ein wahres Touristenprogramm organisiert und so ging es mit einer alten (deutschen) Straßenbahn durch Norrköping. Bei der Gelegenheit erfuhren wir, dass es vor vielen hundert Jahren hier mal eine deutsche Bevölkerungsmehrheit gegeben hat und die Amtssprache deutsch war.

Bevor es zum nächsten touristischen Höhepunkt ging, besuchte ich den Parteitag. Und ich muss mich korrigieren, es schien so, als gäbe es hier eine quotierte Redeliste, tatsächlich ist das aber nicht der Fall :-( . Allerdings hat hier das Präsidium einen Hammer wie bei einer Versteigerung und die Redezeit beträgt nur 3 Minuten – wenn man sich rechtzeitig gemeldet hat, sonst nur zwei Minuten. Die ganze Zeit übersetzt ein Gebärdendolmetscher.

Das Rathaus von Norrköping wurde uns vom stellv. Gemeindeversammlungssprecher vorgestellt, einem Kommunalpolitiker aus der konservativen Partei. Nur kurz dachte ich, ich kenne keine Parteien sondern nur Kommunalpolitiker ;-) . Norrköping ist mindestens 6.000 Jahre alt, die erste Urkunde stammt von irgendwann um 1300. Die Stadt selbst ist fünfmal abgebrannt und das Rathaus wurde zwischen 1907-1910 erbaut. Die Stadt hat 85 Gemeindevertreter und die letzten vier Legislaturperioden war eine Frau Gemeinderatsvorsteherin. Die erste Straßenbahn fuhr hier übrigens 1904.

Am Abend gab es eine Party, die bis zu dem Zeitpunkt ganz nett war, bis ich mich in eine Kuba-Debatte verstrickte. Es ging – wie immer – um die Frage, ob an Kuba dieselben Menschenrechtsmaßstäbe angelegt werden dürfen wie an andere Länder. Doch bevor der Streit eskalieren konnte, betrat eine offensichtlich bekannter Sänger (der Konstantin Wecker Schwedens) Schwedens die Bühne und erfreute das Publikum mit Liedern. Der Mann sah aus wie 50 Jahre oder 55 Jahre, soll aber bereits knapp 70 Jahre alt sein. Wenn ich mir jetzt so manchen meiner Arbeitgeber in ihrem tatsächlichen Alter vorstelle und wie alt sie aussehen, dann müssten sie mindestens 100 Jahre alt sein ;-) . Die Kuba-Frage glücklich umschifft begab ich mich gleich in die nächste Debatte. Ausstieg aus der Kernenergie. Prinzipiell schon, sagte meine Gesprächspartnerin, aber erst müssen die Kohlekraftwerke abgeschafft werden und da Kernkraft die Umwelt nicht so schädigt, sollte man kurzfristig auf sie setzen. Damit konnte ich mich nicht so richtig anfreunden und suchte dann doch das Hotel auf um zu erfahren, dass Portugal gegen die Türkei bei der EM gewonnen hat.

Heute morgen gab es dann noch mal ein ziemlich interessantes Briefing, welches die Emotionen vom gestrigen Abend etwas erklärte. Die schwedische Linkspartei diskutiert so ziemlich alles, was wir auch diskutieren… . Steuern für einen freien ÖPNV und File Sharing im Internet erlauben aber nicht grenzenlos (na gut, die beiden Sachen diskutieren wir nicht), Verhältnis zur EU und wie man in den Wahlkampf geht. Die Emotionen schlagen wohl aber insbesondere deshalb hoch, weil es wohl den einen und die andere gibt, die Kuba einfach als Diktatur bezeichnen (wollen), was bei uns unmöglich wäre und dies auf Widerstand trifft, weil es der Komplexität des Themas nicht gerecht werde. Die schwedische Linkspartei vertritt die Position, dass Schweden die EU verlassen soll und nun haben einige vorgeschlagen, die EU ein wenig positiver zu bewerten. Das kam mir bekannt vor :-) . Gleichzeitig wird aber versucht, auf die Sozialdemokraten dergestalt Einfluss zu nehmen, dass sie den Lissabon-Vertag nicht ratifizieren, solange das schwedische Sozialstaatsmodell nicht gesichert ist.

Bevor es jetzt Essen gibt und ich dann wieder Richtung Berlin fliege, kann ich nur sagen, die Reise hat sich gelohnt. Viele interessante Anregungen und insbesondere mit den nordischen Linksparteien scheint mir ein enger Informationsaustausch ziemlich spannend zu sein.

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