Tatsächlich habe ich jetzt 1,5 Wochen gewartet. Auf den Wortlaut des Gesetzentwurfes zur Änderung des Bundesministergesetzes oder kurz gesagt des Gesetzes zur Regelung der Karenzzeit für ausscheidende Bundesminister und Staatssekretäre. Mit dem Thema Karenzzeit habe ich mich ja hier und hier bereits schon mal beschäftigt.
Aber nun der Reihe nach. Am 2. Februar 2015 erfuhr ich, dass die Befragung der Bundesregierung zur Kabinettssitzung am 4. Februar zur Karenzzeitregelung stattfinden soll. Den Referentenentwurf kannte ich nicht. Am 3. Februar 2015 zitierte die Süddeutsche Zeitung aus dem Gesetzentwurf. Den Gesetzentwurf kannte ich immer noch nicht. Am Mittwoch, dem 4. Februar 2015 fand die Befragung der Bundesregierung statt, den Gesetzentwurf kannte ich immer noch nicht. Bereits bei der Befragung machte ich darauf aufmerksam, dass dies ein Verstoß gegen § 48 GGO (Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien) ist. Die Presse ist Dritter im Sinne des § 48 Abs. 2 GGO und deshalb hätte er den Geschäftsstellen der Fraktionen übermittelt werden müssen. Passiert ist das nicht.
Seit dem 4. Februar 2015 habe ich nun jeden Tag im Intranet des Bundestages nachgeschaut (und auf der Internetseite des Bundesministeriums des Inneren) ob denn der Gesetzentwurf nun endlich nachlesbar ist. Heute Abend wurde ich dann beim Bundesrat fündig. Der Gesetzentwurf zur Karenzzeitregelung liegt also nun vor.
Doch der Gesetzentwurf ist alles andere als eine gesetzliche Regelung. Er ist eher eine Selbstverpflichtung denn eine gesetzliche Regelung, die gut als Placebo oder Mogelpackung bezeichnet werden kann. Nur weil etwas in ein Gesetz geschrieben wird ist es nämlich noch lange nicht inhaltlich eine gesetzliche Regelung.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Änderung des Bundesministergesetzes durch Einfügung der §§ 6a-6d vor. Und führt zu 5 Problemen.
Problem 1: Willkürliche Festlegung auf 18 Monate
Der § 6a sieht zunächst eine Anzeigepflicht vor. Wenn ein Mitglied der Bundesregierung innerhalb der ersten 18 Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt in einen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes wechseln will (im Gesetzentwurf heißt es Erwerbstätigkeit), muss es das anzeigen. Aus der Gesetzesbegründung wird erkennbar, dass quasi alles was außerhalb des öffentlichen Dienstes in diesen 18 Monaten an Job angenommen wird, anzuzeigen ist. Sei es drum. Das Problem ist die Festlegung auf 18 Monate. Es gibt kein sachliches Kriterium warum es 18 Monate sind und nicht zwei Jahre oder ein Jahr. Vielleicht wurde ja gewürfelt, um auf eine Zahl zu kommen.
Problem 2: Was ist unter „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen zu verstehen?“
Die zentrale Problem-Norm ist der § 6b. Der bringt gleich soviel Probleme, dass sie Absatzweise auftreten. Nach § 6b Abs. 1 kann die Bundesregierung die Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung für die Zeit der ersten 18 Monate nach dem Ausscheiden untersagen, „soweit zu besorgen ist, dass durch die Beschäftigung öffentliche Interessen beeinträchtigt werden„.
Zu den 18 Monaten habe ich ja bereits was gesagt. Aber wann ist zu besorgen, „dass durch die Beschäftigung öffentliche Interessen beeinträchtigt werden„? Die Bundesregierung versucht dies durch eine „insbesondere-Formulierung“ genauer zu fassen – und scheitert. Beim Lesen hatte ich den Eindruck am Gesetzentwurf haben zwei Menschen mit unterschiedlichen Ansätzen gearbeitet, die beide unbedingt ihre Formulierung im Gesetz finden wollten. Die Ziffer 1 scheint mir vom Grundsatz her ein/e Vertreter/in der Linie formuliert zu haben, die auf klare Kriterien setzt und die Karenzzeit bei Erfüllung der Kriterien zur Regel machen wollte. Deshalb wird nach Ziffer 1 das Öffentliche Interesse beeinträchtigt, soweit die angestrebte Beschäftigung „in Angelegenheiten oder Bereichen ausgeübt werden soll, in denen das ehemalige Mitglied der Bundesregierung während seiner Amtszeit tätig war“. Das ist klar und nachvollziehbar und wird dem Spannungsverhältnis von Berufsfreiheit und der „Lauterkeit und Integrität des Regierungshandelns“ (Gesetzesbegründung) gerecht. Das die Ziffer 1 die Karenzzeit nicht zu einer Regel macht, liegt am Rest des Gesetzentwurfes.
Die Ziffer 2 wiederum scheint ein/e Vertreter/in der Linie „so schwammig wie möglich“ formuliert zu haben. Nach Ziffer 2 nämlich soll die angestrebte Beschäftigung untersagt werden, wenn „das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigen (werden) kann.“ Was so irre radikal klingt ist am Ende alles andere als radikal. Das sagt nämlich alles und nichts. Wann soll das denn bitte der Fall sein? Die Gesetzesbegründung sagt dazu gar nichts. Die stellt eher auf die Ziffer 1 ab, wenn es dort heißt: „Bei der mit Blick auf die Lauterkeit und Integrität des Regierungshandeln einerseits und die Berufsfreiheit des Mitglieds der Bundesregierung andererseits vorzunehmenden Ermessensentscheidung über eine Untersagung sind u. a. die Dauer der Regierungsmitgliedschaft und der Grad des Interessenkonflikts zu berücksichtigen.“
Nun könnte ich gutwillig interpretieren: Das was radikal klingt sei auch radikal gemeint und im Regelfall soll das öffentliche Interesse beeinträchtigt sein, wenn aus einem Regierungsamt oder in den ersten 18 Monaten nach dem Regierungsamt in einen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes gewechselt wird. Die Regierung hätte dann meine Position übernommen, denn ich finde, dass das öffentliche Interesse beeinträchtigt ist, wenn das notwendigerweise in einem Regierungsamt erworbenen Insiderwissen nicht der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird, sondern einem neuen, privaten Arbeitgeber. Genau das zerstört Vertrauen in Politik und Politiker/innen. Doch in der schon angesprochenen Befragung der Bundesregierung am 4. Februar hat der Bundesinnenminister de Maiziere genau eine solche Interpretation zurückgewiesen. Nach dem Plenarprotokoll, S. 7981 hat der Bundesinnenminister auf meine Frage: „Habe ich Sie also richtig verstanden, dass es grundsätzlich eine Karenzzeit gibt, weil bei einem Ministerwechsel oder einem Regierungswechsel immer ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und da das öffentliche Interesse beeinträchtigt wäre? Ist das grundsätzlich geplant, aber Sie wollen es nur nicht so genau sagen?“ wie folgt geantwortet: „Nein, das kann ich nicht bestätigen.„
Bleibt also noch die zweite Interpretationsmöglichkeit. Nach der ist eine Karenzzeit eine Ausnahme. Die Auslegung was unter „Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses“ zu verstehen ist, werden andere vornehmen (dazu gleich unter 4.).
Problem 3: Willkürliche Festlegung auf ein Jahr
Die Probleme gehen aber weiter. In § 6b Abs. 2 wird wieder völlig willkürlich festgelegt, dass im Regelfall die Tätigkeit für ein Jahr untersagt werden kann, bei einer schweren Beeinträchtigung öffentlicher Interessen bis zu 18 Monate. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wie es zu diesen Zeitangaben gekommen ist. Gewürfelt oder Lose mit Zahlen drauf gezogen?
Problem 4: Das beratende Gremium, seine Wirkmächtigkeit und Ernennung
Neben dem bereits erwähnten § 6b Abs. 1 ist auch die Regelung des § 6b Abs. 3 in Verbindung mit § 6c ein richtiges Problem. Das Problem nennt sich „beratendes Gremium“.
Wenn ein Mitglied der Bundesregierung binnen der willkürlich gewählten 18 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt also in eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes wechseln will, zeigt es das der Bundesregierung an. Dann kommt das „beratende Gremium“. Dieses soll nämlich eine nichtöffentliche Empfehlung an die Bundesregierung abgeben, welche daraufhin über eine Karenzzeit entscheidet (§ 6b Abs. 3). Die Bundesregierung macht sich also die Definition von „Beeinträchtigung des öffentlichem Interesses“ durch das „beratende Gremium“ zu eigen oder nicht. Das ist aber nur formell eine gesetzliche Regelung, materiell ist es keine gesetzliche Regelung, Es ist nichts weiter als eine freiwilligen Selbstverpflichtung zu irgendeinem Verfahren. Das ist Augenauswischerei.
Doch nicht nur das sich die Bundesregierung an die Empfehlung des „beratenden Gremiums“ halten kann oder auch nicht, diese Gremium wird auch noch auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten berufen. Das Parlament hat auf die Zusammensetzung Null Einfluss. Das funktioniert also so: Die Bundesregierung macht dem Bundespräsidenten einen Vorschlag zur Berufung eines Gremiums. Die Menschen in dem Gremium geben Empfehlungen darüber ab, ob jemand innerhalb von 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt für eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes eine Karenzzeit erhalten soll. Die Gremiumsmitglieder machen also einen Vorschlag in Bezug auf Personen,denen sie zu verdanken haben, dass sie in dem Gremium sind.
Genau das macht das Problem 4 noch ein wenig größer. Denn nach der derzeitigen Konstruktion der Karenzzeitregelung entscheidet nicht der der Gesetzgeber, nicht ein durch den Gesetzgeber legitimiertes Gremium, sondern ein von der Bundesregierung als potentiell Betroffene vorgeschlagenes Gremium was unter „Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses“ zu verstehen ist.
Problem 5: Die Übergangsgeldregelung
Das letzte Problem ist der § 6d, die Regelung zum Übergangsgeld. Die Bundesregierung hat richtig erkannt, eine Karenzzeit ist ein Eingriff in die Berufsfreiheit, deshalb muss es in dem Fall der Karenzzeit eine Entschädigung geben. Nun wäre es das logischste, und das schlägt DIE LINKE auch vor, die Karenzzeit an die Dauer des Anspruchs auf Übergangsgeld zu koppeln. Doch die Bundesregierung geht einen anderen Weg. Sie sagt, wenn die Karenzzeit länger ist als der Anspruch auf Übergangsgeld, dann gibt es halt länger Übergangsgeld. Das ist zwar im Hinblick auf die Berufsfreiheit richtig, aber systematisch kompletter Unsinn.
Um ein praktisches Beispiel zu bilden: Einem Regierungsmitglied gefällt die Stimmung in der Regierung derart gut, dass es nach 8 Monaten doch lieber zu einem Verband zum Beispiel aus dieser Liste wechseln möchte. Das „beratende Gremium“ findet ausnahmsweise das ein solcher Wechsel das öffentliche Interesse beeinträchtigt. Die Bundesregierung schließt sich ausnahmsweise mal dem Votum an. Da es sich um einen Normalfall handelt müsste eine Karenzzeit von einem Jahr gelten. Das ausscheidende Regierungsmitglied bekommt nach § 14 Abs. 2 BMinG nun aber lediglich 8 Monate Übergangsgeld. Das ist blöd. Und deshalb gibt es, einfach damit die Karenzzeit eingehalten wird, eben noch mal 4 Monate Übergangsgeld nach § 6d BMinG. Wer nach 8 Monaten ausscheidet und nicht in einen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes wechseln will, der bekommt nur 8 Monate Übergangsgeld.
Die angebliche gesetzliche Regelung zur Karenzzeit lässt sich gut so zusammenfassen: Durch die Regelung der §§ 6a-6d BMinG wird am Ende nichts weiter geschaffen als eine Selbstverpflichtung, die als gesetzliche Regelung verkauft werden soll. Die Selbstverpflichtung schafft fünf Probleme und bringt keine Lösung. Ich wage die These, eine Karenzzeit wird die Ausnahme bleiben. Sinnvoll wäre eine Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses. Die Karenzzeit wird zum Regelfall erklärt, im Ausnahmefall kann auf sie verzichtet werden. Ihre Voraussetzungen werden klar und eindeutig im Gesetz verankert. Dann braucht es auch kein „beratendes Gremium„. DIE LINKE hat einen Vorschlag unterbreitet, der nicht populistisch ist, sondern sondern geeignet, angemessen und erforderlich. Eine Karenzzeit muss sich an der Dauer des Regierungsamtes, dem sich daraus ergebenden zeitlichen Anspruch auf Übergangsgeld und der Ressortzuständigkeit orientieren. Wer in seinem Ressort mit amtlichen Vorgängen befasst war, die seinen zukünftigen Arbeitgeber betreffen, muss eine Karenzzeit einlegen. Ein Karenzzeit ist gesetzlich regelbar. Man muss es nur wollen!
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