Ungleichheit beim Schutz vor Durchsuchungen

Unter dem Radar der Öffentlichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ein Urteil gefällt, welches auf ein Problem aufmerksam macht. Bislang ist nur die Pressemitteilung öffentlich zugänglich, aber für eine erste Bewertung ist diese ausreichend.

In dem Verfahren hat sich ein Betroffener gegen das Betreten seines Zimmers in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) durch den Polizeivollzugsdienst zur Nachtzeit anlässlich seiner Überstellung nach Italien gewendet und wollte die Rechtswidrigkeit feststellen lassen – und scheiterte damit.

Das BVerwG hat zunächst festgestellt, dass es sich bei dem Zimmer um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG handelt. Da es aber

 „über das bloße Betreten des Zimmers hinaus zu keiner Durchsuchungshandlung im Sinne eines ziel- und zweckgerichteten Suchens nach etwas Verborgenem kam, bedurfte die Maßnahme keiner vorherigen richterlichen Durchsuchungsanordnung (Art. 13 Abs. 2 GG).“

So richtig es m.E. ist, das Zimmer als Wohnung im Sinne des GG anzusehen, desto verstörender empfinde ich den Fakt, dass es zum „bloßen Betreten “ eines Zimmers keiner Durchsuchungsanordnung bedarf.

Das BVerwG sieht bei einem „bloßen Betreten des Zimmers“ keine Notwendigkeit eine richterliche Durchsuchungsanordnung entsprechend Art. 13 Abs. 2 GG einzuholen und das sieht auch die herrschende juristsiche Meinung so. Eine Durchsuchung wird erst dann als gegeben angesehen, wenn ein ziel- und zweckgerichtetes Suchen nach Personen oder Sachen stattfindet (vgl. Beck-OK, GG, Art. 13, Rdn. 12).

Es kann dahinstehen, ob die dafür herangezogene Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1987 diese Auffassung deckt. Was überhaupt keine Rolle zu spielen scheint, ist der Punkt, dass, wenn die Wohnung lediglich aus einem Zimmer besteht, faktisch das „bloße Betreten“ bereits das „ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen“ darstellt.

Erst recht, wenn es sich um kleines Zimmer mit wenig bis gar keinen Möglichkeiten des „Versteckens“ handelt. Diesen Punkt nicht zu berücksichtigen, bedeutet ein unterschiedliches Schutzniveau für Menschen, die in einem Zimmer leben und Menschen, die in Wohnungen leben, zuzulassen. Für das bloße Betreten eines Zimmers ist kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich, obwohl das bloße Betreten faktisch bereits das, „ziel- und zweckgerichtete Suchen“ darstellt, für das „ziel- und zweckgerichtete Suchen“ in einer Wohnung ist aber ein Durchsuchungsbeschluss erforderlich.

Es wird also ein Unterschied nach dem sozialen Status gemacht, denn im Regelfall leben in Zimmern Menschen in einer Notsituation. Im konkreten Fall betraf es eine geflüchtete Person. Die herrschende Meinung zu Grunde gelegt, könnten aber auch Wohnungslose in einer Unterkunft oder Frauen im Frauenhaus betroffen sein. Für Menschen, die in einem Zimmer leben müssen, läuft damit der Artikel 13 Abs. 2 GG leer.

Da angekündigt wurde, gegen das Urteil vor dem BVerfG vorzugehen, wäre aus meiner Sicht auf Grund der Ungleichbehandlung ein Moratorium dahingehend angebracht, dass bis zur Entscheidung des BVerfG auch für das „bloße Betreten“ eines Zimmers soweit damit die „ziel- und zweckgerichtete Suche“ verbunden ist, ein Durchsuchungsbeschluss erforderlich ist.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert