Das unpolitisch Politische

In meiner aktiven Zeit als Politikerin hatte ich natürlich immer die wichtigsten Themen zu bearbeiten. Dachte ich. Typisch Tunnelblick. Okay, mittlerweile ist Netzpolitik nicht mehr nur eine Sache für Nerds und das mit dem Wahlrecht interessiert oberflächlich auch ziemlich viele (also wenn es um die Größe des Bundestages geht), die Sache mit dem Paritätsgesetz nur einige. Und das mit dem Strafgesetzbuch, das wollen außer mir nur noch ein paar ganz wenige entrümpeln.

Was mich diese Zeit gelehrt hat: Es gibt den Blick des/der Politiker*in, gespeist aus seinem/ihrem Universum. Und es gibt den anderen Blick. Den nehme ich heute ein. Da bewegt mich eine Frage: Wie komme ich sicher und verlässlich von zu Hause zu meinem Arbeitsort und wieder zurück.

Ich habe einen Führerschein, aber als ich neulich Car2Go nutzte, stand ich eher im Stau, als dass ich irgendwie verlässlich von einem Ort zum anderen kam. Ab und zu nutze ich auch den ÖPNV, aber das ist eher eine Lotterie. Kommt die Tram/U-Bahn und wenn ja, komme ich dann überhaupt noch rein? Ich mag weder diese Lotterie, noch das Gedrängel in der Bahn und die Unmöglichkeit sich auf die unterschiedlichen Temperaturen (in der Bahn und draußen) einstellen zu können. Mal abgesehen davon, dass die Gerüche auch nicht immer die besten sind.

Also tue ich etwas für die Umwelt und die Gesundheit und fahre Rad. Das wiederum ist jeden Tag gefährlich. Dabei bin ich eine vorbildliche Fahrradfahrerin: Helm und Sicherheitsweste, Licht, an jeder Ampel haltend (auch wenn die noch so sinnlos ist (wie zum Beispiel die Ampel 80 m vor der Kreuzung  Greifswalder Str./Hufelandstraße, der eine Ampel direkt an der Kreuzung folgt) und bei jeder Kreuzung zwei Gänge runter schalten um zu schauen, ob nicht doch irgendwo ein Auto oder Fahrrad oder ein*e Fußgänger*in daherkommt. Die meiste Gefahr, auch beim Fahrradfahren in Berlin, geht vom Menschen aus. Da ist die völlig schwarz gekleidete Fußgängerin, die von der Tramhaltestelle kommend durch die im Stau stehenden Autos läuft und sich wundert, wenn auf einmal die Bremsen quietschen, weil auch noch Radfahrende unterwegs sind und für sie eine Vollbremsung machen müssen. Da sind die vielen Fahrradfahrenden, die Ampeln ignorieren und/oder mit schwarzem Fahrrad, schwarzen Klamotten und ohne Licht darauf hoffen, dennoch gesehen zu werden. Und da wären die Autofahrenden, die wissen: Sie sind die Stärksten. Da wird ein U-Turn an der Ecke Mollstraße/Otto-Braun-Straße gemacht und sich dann verwundert die Augen gerieben, wenn die Fahrradfahrenden bei Grün fahren und sie den U-Turn nicht vollenden lassen. Ganz besonders schön ist auch, wenn die Fahrradfahrenden auf der Leipziger Straße geradeaus wollen, die Autofahrenden aber rechts auf den Molkenmarkt abbiegen wollen. Der ständige Blick über die linke Schulter ist hier ein lebenserhaltendes Muss. Ist das überstanden, kommt die Kreuzung Grunerstraße/Karl-Marx-Allee. Die rechtsabbiegenden Autofahrenden in der Rechtsabbiegerspur wissen, dass es Fahrradfahrende gibt, die geradeaus wollen, und halten an. Aber es gibt immer jemanden, der es ganz besonders eilig hat. Der/Die nimmt dann die eigentlich die für die Fahrt geradaus gedachte Spur, um dann doch rechts abbiegen zu wollen. Da wird dann mal kräftig auf die Pedale gedrückt, wenn zwischen den geradeausfahrenden Fahrradfahrenden eine Lücke von 5 Metern ist. So manches mal schon ging das nur knapp gut.

Doch die Fehlerquelle Mensch ist das nicht das Einzige, was ein Problem ist. Die Fahrradstreifen sind zu schmal. Überholen ist nur unter erschwerten Bedingungen möglich (und wenn der Überholvorgang gelungen ist, drängelt sich der/die Überholte garantiert an der nächsten Ampel wieder nach vorne, so dass der erschwerte Überholvorgang mindestens noch einmal gestartet werden muss). Breitere Fahrradstreifen könnten das Fahrradfahren sicherer machen. Auch getrennte Ampelphasen für Radfahrende und Autofahrende könnten wesentlich zur Erleicherung beitragen.  Es wäre aber auch denkbar, eine Abgrenzung von Fahrradstreifen oder -wegen und Straße auf der einen Seite sowie Fußgänger*innenweg auf der anderen Seite vorzunehmen. Kopenhagen zeigt, wie sowas geht.

Aber auch für diejenigen, die nicht mit dem Fahrrad fahren wollen oder können, muss eine Lösung her. Wie wäre es denn mit einer höheren Taktfrequenz auf vielbefahrenden Strecken, mindestens im Berufsverkehr?

So ganz unpolitisch gesprochen: Ob eine Stadt funktioniert, zeigt sich auch an der Möglichkeit gefahrlos und pünktlich an den Erwerbsarbeitsplatz zu kommen.

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