Der Quatsch von der Einwanderung in die Solidarsysteme – Ein Rant

Marko Buschmann twittert, er wolle Einwanderung in den Arbeitsmarkt – nicht in den Sozialstaat. Marko Buschmann ist weder Rassist noch Faschist. Marko Buschmann ist Demokrat. Und er ist Justizminister der Bundesrepublik Deutschland. Als solcher kennt er den Unterschied zwischen Einwanderung und Flucht. Das er mit der Wortwahl „Einwanderung in den Sozialstaat“ am rechten Rand fischt, ist das Problem. Und ein Beleg für die #Diskursverschiebung in der Gesellschaft.

Diese Art der Anbiederung am rechten Rand ist auch kein Zufall, denn am darauffolgenden Tag twittert Marko Buschmann von seinem Privataccount erneut, dass die Migration in Sozialsysteme erschwert wird.

Marko Buschmann ist nicht allein. Auch Friedrich März hat schon von „Einwanderung in die Sozialsysteme“ palavert. Über Einwanderung und die Kriterien kann geredet werden. Das ist einer Demokratie auch richtig so. Die These von der „Einwanderung in den Sozialstaat“ ist jedoch eine originär rechte These. Mit ihr geht es gar nicht um Einwanderung. Mit ihr geht es um Hetze gegen Menschen auf der Flucht.

Was Marko Buschmann, Friedrich Merz und am deutlichsten Jens Spahn sowie andere Vertreter*innen der These von der Einwanderung in den Sozialstaat versuchen zu verschleiern: Sie wollen Menschen, die auf der Flucht sind nicht. Diese sollen nicht nach Deutschland. Arbeitskräfte zur Aufrechterhaltung des Wohlstandes sind gern gesehen. Aber wehe die Menschen, deren Lebensgrundlagen oder Leben durch Krieg, Ausbeutung, Klimawandel, den Lebensstil des globalen Nordens, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung bedroht sind, wollen nach Deutschland. Das ist nicht gewollt, das soll verhindert werden. Denn: Euer Elend kotzt uns an.

Wer von „Einwanderung in die Sozialsystem“ oder ähnliche Formulierungen verwendet knüpft an rechte Narrative an, macht diese gesellschaftsfähig und vermischt Einwanderung und Flucht. Der Unterschied zwischen Einwanderung und Flucht liegt aber auf der Hand. Es war eine beliebte Strategie der alten Rechten um DVU, NPD und wie sie alle hießen und es ist eine Strategie der Demokratiefeinde und Parlamentsnazis von der AfD Flucht und Migration miteinander zu vermischen.

Die Einwanderung wird in Deutschland vor allem über das Aufenthaltsgesetz geregelt, das in § 1 zwischen Einwanderung und Flucht unterscheidet. Der § 4 legt fest, dass für die Einreise ein Aufenthaltstitel erforderlich ist und benennt die sieben verschiedenen Varianten. Wer einen Aufenthaltstitel hat darf nach § 4a einer Erwerbstätigkeit nachgehen und § 5 legt fest, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Regelfall voraussetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist.

Es kann also keine Einwanderung in die Sozialsysteme oder den Sozialstaat geben.  Worum es den Herren Buschmann, Merz und Spahn eigentlich geht, sind die Menschen auf Flucht, deren Rechtsstellung vorwiegend im Asylgesetz geregelt ist. Das Asylgesetz gilt für Menschen, die Schutz vor politischer Verfolgung nach Art. 16a Abs. 1 GG oder internationalen Schutz suchen. Die Flüchtlingseigenschaft wird bei „begründeter Furcht vor Verfolgung“ wegen „Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ anerkannt. Über Asylanträge entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Für die Unterbringung sind die Länder zuständig, Asylsuchende müssen längstens 18 Monate in Aufnahmeeinrichtungen verbleiben und sollen danach möglichst in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die Perversität des Vorwurfs der Einwanderung in den Sozialstaat wird deutlich, wenn ein Blick auf § 61 AsylG geworfen wird. Der besagt nämlich, dass für die Dauer der Pflicht ein einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen „der Ausländer keine Erwerbstätigkeit ausüben“ darf. Davon gibt es einige Ausnahmen. Die Grundleistungen liegen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei unter 200 EUR.

Was mich tatsächlich erschüttert sind die Reaktionen, die für tatsächlich oder vermutlich fehlende Gelder für Infrastruktur und Daseinsvorsorge Geflüchtete verantwortlich machen. Die urdeutsche Eigenschaft nach oben zu buckeln und nach unten zu treten, feiert Party.  Was bitte ist kaputt bei Menschen, die es völlig normal finden, dass Fußballer (gendern nicht nötig) mehrere Millionen Euro jährlich bekommen, der Chef der Deutschen Bahn ein Jahreseinkommen von mehr als zwei Millionen hat und weder Erbschafts- noch Einkommenssteuer so gefasst sind, dass Einkommen und Vermögen gerecht besteuert werden. Und da bin ich noch nicht mal bei einer Vermögenssteuer oder -abgabe.

Worte wie „Einwanderung in die Sozialsysteme“ treffen auf eine Klientel, welches sich zum Teil aus der demokratischen Gesellschaft verabschiedet hat. Menschen, denen die Demokratie und die Menschenrechte nichts mehr wert sind (wenn es denn je waren). Sie repräsentieren die Diskursverschiebung der Gesellschaft seit 2015. Es handelt sich um Menschen, die gegen syrische Geflüchtete 2015/2016 hetzten. Später wurden sie häufig zu Corona-Schwurblern und sahen die Masken als die größte Menschenrechtsverletzung auf Erden an. Vermutlich -Achtung Vorurteil- saßen sie zu Beginn der Pandemie als bei den Maßnahmen häufig die Grund- und Freiheitsrechte ignorier wurden und selbst das Sitzen auf einer Bank partiell untersagt war vor Angst und das eigene Leben schlotternd hinter dem Küchenfenster und verpfiffen jeden, der der mehr als vier Freunde*innen zu Besuch hatte.  Menschen, die aus Angst vor zu wenig Gas und damit kalten Wohnungen nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine am liebsten Putin alles hergeschenkt hätten. Menschen, die glauben, den Klimawandel gibt es nicht, deswegen muss auch keine Heizung ausgetauscht werden und überhaupt Freiheit heißt 200 Sachen auf der Autobahn. Unter diesen Leuten sind waschechte Nazis und Menschen, die sich aus der Demokratie abgemeldet haben, weil sie Angst um den Verlust ihres Besitzes und Wohlstandes haben.

Um Nazis zu kämpfen, lohnt sich nicht. Um die aus der Demokratie abgemeldeten Menschen muss gekämpft werden. Aber eben nicht, indem rechte Narrative wiederholt und salonfähig gemacht werden, sondern mit Aufklärung. Es kann daran angeknüpft werden, dass die Sorgen vor Wohlstandsverlust und Besitz nachvollziehbar sind, aber der Wohlstand eben auch nicht so bleiben kann wie er ist – weil es dann keinen Planeten mehr gibt. Das gemeinsam nach demokratischen Wegen gesucht werden sollte, wie mit weniger Wohlstand und weniger materiellem Besitz dennoch ein gutes Leben möglich sein kann. Das wäre auf Aufgabe von Demokraten*innen.

Gegen Vereinfachung helfen durchdachte Konzepte. Eines davon ist hier und wurde sogar schon im Jahr 2018 einer interessanten Konferenz debattiert.

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