Wenn wir irgendwann auf 2023 zurückblicken

Irgendwann -wenn wir noch dazu kommen- werden wir feststellen, dass das Jahr 2023 der Kipppunkt war.

Der Kipppunkt der Gesellschaft wie wir sie kennen. Die Demokratie löste sich auf, weil keine der sog. Gewalten sich ernsthaft um ihre Rettung bemühte. Die letzte Chance den „Point of no return“ im Hinblick auf das Überleben des Planeten noch abzuwenden, wurde vertan.

Eigentlich ist alles wie in einem Film, tausendfach gesehen. Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann, Niemand will von den eigenen Privilegien abgeben. Niemand will es wahrhaben und so schlimm wird es schon nicht werden. Die Wissenschaft warnt, die Gerichte ignorieren, die Medien machen Umsatz mit dem Spiel mit der Angst und die Politik (an dieser Stelle ist „die“ Politik mal richtig) will die Wählenden nicht überforden und versagt.

Nur die Natur interessiert das alles nicht und am Ende kommt auch kein Held (in den Filmen sind es meist Helden und nicht Heldinnen), der die Welt kurz vor dem Zusammenbruch rettet.

Die einen klatschen Beifall und die andern erfreut es klammheimlich, wenn „das System“ zurückschlägt und alle und alles diskreditiert, was die Systemfrage stellt. Nicht mal das, nir die halbe Systemfrage.

Irgendwann -wenn wir noch dazu kommen- werden wir feststellen, dass in diesem Jahr 2023 ein Rädchen in das andere griff. Bis nichts mehr zu retten war.

Journalismus, der in ganz wesentlichen Teilen nicht mehr der Aufklärung verpflichtet ist, sondern mit Clickbaiting und hysterischen Schlagzeilen Umsatz generiert. Die Befeuerung von Ängsten und Befürchtungen, die Bedienung von Vorurteilen war wichtiger als Aufklärung und Hintergrundinformation. Das Musterbeispiel war die Debatte um das sog. Heizungsgesetz. Es geht dabei um den Fakt, dass der Gebäudesektor gut 15 Prozent der deutschen Gesamtemissionen ausmacht und im Jahr 2021 erneut die nach dem Klimaschutzgesetz zulässige Jahresemissionsmenge um 2,5 Millionen t CO2-Äquivalente und damit um 2,2 Prozent überschritten  hatte. Die Antwort sollte darin bestehen, dass „jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien (65-Prozent-EE-Vorgabe) betrieben“ wird. Diese Vorgabe sollte möglichst für jeden Heizungsaustausch in neuen oder bestehenden Gebäuden ab dem 1. Januar 2024 gelten. Wie das konkret umgesetzt und auch sozial abgefedert werden kann, darüber hätte sachlich diskutiert werden können. Stattdessen war von „Heizungsdiktat“ die Rede und von „Heizungshammer“, Es konnte glatt der Eindruck entstehen, ab dem 1. Januar werden alle Heizungen herausgerissen und durch teure neue Heizungen ersetzt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die intertemporale Freiheitssicherung entwickelt, doch wenn es konkret wurde, wurden diese ignoriert. Die intertemporale Freiheitssicherung war ein schönes Postulat, welches in Rechtsprechung und Politik nicht beachtet wurde. Die Gewaltenteilung erodierte spätestens zu dem Zeitpunkt, als die erste Justizministerin Entscheidungen von Staatsanwaltschaften öffentlich hinterfragte und nur schlecht verschleiert Prüfaufträge im eigenen Ministerium auslöste. Selbstverständlich nicht mit dem Ziel verbunden, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in Frage zu stellen.

Die Tatsache, dass im Bereich des Bundesverkehrsministeriums die Klimaschutzziele gerissen  wurden, störte nicht. Schlimmer noch, statt dem Gesetz Genüge zu tun und ein Sofortprogramm vorzulegen, wurde entschieden, dass der Verkehrsminister dies nicht tun müsse. Und die demokratischen Parteien: Sie wollen keine Wählenden verprellen und um ausreichend Wählenden-Stimmen zu erhalten orientierten sie sich an ihrer jeweiligen Klientel.

Die FDP wollte sämtliche Klimaziele streichen und fand, die Betriebe müssten nun endlich mal in Ruhe gelassen werden. Andere waren der Überzeugung, wenn nur die Reichen endlich ihr klimaschädliches Verhalten beenden würden, wäre das Problem gelöst. Vielleicht sei auch die eine oder andere ordnungspolitische Maßnahme nötig, aber auf gar keinen Fall müsste sich das Verhalten der Menschen ändern. Besitzstandswahrung war das neue Mantra.

Nötig wäre gewesen, die Befürchtungen und Ängste derart aufzunehmen, dass sie als Herausforderungen begriffen werden. Herausforderungen, die es gemeinsam zu lösen gilt – auf ordnungspolitischer Ebene genauso wie beim individuellen Lebensstil. Das eine nicht ohne das andere. Mit der Option, dass gelernt werden kann, dass auch mit weniger materiellem Wohlstand ein schönes Leben möglich ist. Von der mutigsten revolutionären Tat, zu sagen was ist (so ungefähr Luxemburg), blieb nicht mehr viel.

Die Folgen der Klimakatastrophe sind sicht- und erfahrbar. Ein Blick nach Italien könnte helfen. Aber solange hier noch alles steht, wahren wir lieber unseren Besitz und hoffen, dass alles so bleibt wie es ist.

Wenn wir irgendwann -wenn wir noch dazu kommen- auf das Jahr 2023 zurückblicken, werden wir sehen, das war das Jahr in dem alles kippte.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert