Am 3. Juni hat der BGH eine Entscheidung vom 8. Januar 2014 veröffentlicht, die nach meiner Erinnerung damals für erhebliches Aufsehen gesorgt hat. Wenn -wie zu vernehmen war- das Bundeswirtschaftsministerium gerade über einem Gesetzentwurf zur sog. Störerhaftung sitzt, dann sei ihm empfohlen, diese Entscheidung genau zu studieren, denn es besteht weiter Handlungsbedarf.
Es ging um folgenden Sachverhalt: In einem Haushalt wohnen der Inhaber eines Internetanschlusses, seine Frau und deren volljähriger Sohn. Der Internetanschlussinhaber wurde von Tonträgerherstellern abgemahnt, weil er angeblich Musikaufnahmen in einer Tauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht habe. Der Internetanschlussinhaber weigerte sich die Abmahnkosten zu bezahlen, der Sohn erklärte in einer Vernehmung, dass er sich ein Tauschbörsenprogramm heruntergeladen habe.
Zunächst war entschieden worden, dass der Internetanschlussinhaber aus einer sog. Geschäftsführung ohne Auftrag für die Abmahnkosten aufkommen müsse. Der Internetanschlussinhaber hafte dafür nicht als Täter, sondern als Störer. Störer sei er deshalb, weil er dem volljährigen Sohn die Möglichkeit des Zugangs zum Internet verschafft und damit die Gefahr geschafft habe, das dieser an „urheberrechtsverletzenden Tauschbörsen teilnehme„. Der Internanschlussinhaber hätte den Sohn auch über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Tauschbörsen aufklären und ihm deren Nutzung untersagen müssen.
Diese Argumentation lies der BGH nun nicht gelten. Zunächst erkennt der BGH zwar an, dass grundsätzlich tatsächlich eine Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen kann. Aber grundsätzlich heißt eben grundsätzlich und gerade nicht immer. Der BGH entschied darüber hinaus, dass diejenigen die Abmahnkosten verlangen auch nachweisen müssen, dass die Urheberrechtsverletzung von dem- bzw. derjenigen von dem/der sie die Kosten haben wollen begangen wurde. Der wohl entscheidende Satz für Personen, die ihren Internetanschluss auch anderen zur Verfügung stellen lautet aber: „Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für ein Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Anschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war.“ Doch noch ist der Anschlussinhaber nicht raus aus der Sache. Ihn betrifft -laut BGH- eine sog. sekundäre Darlegungslast dann, wenn der Abmahnende keine weitere Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung hat und diese dem Anschlussinhaber ohne weiteres möglich und zumutbar ist. Allerdings sei dieser Beweislast genüge getan, wenn der Anschlussinhaber darlegt ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständig Zugang zum Anschluss hatten und damit als Täter/innen in Betracht kommen. Der Anschlussinhaber soll im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein.
Das alles mag nun nicht besonders neu sein. Das Hauptproblem ist ja in der Debatte die sog. Störerhaftung. Der BGH definiert diese wie folgt: „Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer -ohne Täter oder Teilnehmer zu sein- in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.“ Sogleich schränkt der BGH aber wieder ein: „Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für begangene Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer (…) die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus.“ Im konkreten Fall kommt der BGH dann zu dem Ergebnis, dass es dem Anschlussinhaber nicht zuzumuten gewesen sei, „seinen volljährigen Stiefsohn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung solcher Programme zu untersagen„.
Die Notwendigkeit einer Neuregelung der Störerhaftung stellt die BGH-Entscheidung aber nicht in Frage. DIE LINKE hat in der letzten Legislaturperiode des Bundestages einen Vorschlag unterbreitet, den das Bundeswirtschaftsministerium gern als Vorlage nutzen kann. Eine Neuregelung der Störerhaftung ist auch nach der BGH-Entscheidung erforderlich, weil dieser in der zitierten Entscheidung an der Rechtsprechung festhält, nach der „der Inhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.“
Im vom BGH zu entscheidenden Fall sei diese Rechtsprechung aber nicht anwendbar, weil die Überlassung des Internetanschlusses auf familiärer Verbundenheit beruhe und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Dies gelte auch für die Überlassung des Internetanschlusses zwischen Ehepartnern. Offen lies der BGH die Frage, ob die Nichtanwendbarkeit der Störerhaftung aus den eben genannten Gründen auch für Freunde/innen und Mitbewohner/innen gilt. Gerade letzteres ist besonders bedauerlich, schließlich würde ich schon gern wissen, was passieren würde wenn in meiner WG jemand Urheberrechtsverletzungen begehen würde. Aber vielleicht müssen das die Gerichte auch gar nicht mehr klären. Vielleicht ist die Störerhaftung ja demnächst abgeschafft. An der LINKEN soll es nicht liegen :-).
Halina, Du Tausendsarrine… Es gibt so viel zu tun in der nach FDP Ära; bleib bitte so wach und analytisch ohne zu ideologisch und programmatisch zu werden….