Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Entscheidung getroffen, die weit über den Einzelfall hinaus geht. Vordergründig ging es um die Frage, ob einem Normenkontrollantrag beigetreten oder sich diesem angeschlossen werden kann. Auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts ist schön nachzulesen, worum es bei der abstrakten Normenkontrolle geht:
„Die abstrakte Normenkontrolle steht einem begrenzten Kreis von Antragstellern offen. Unabhängig von einem konkreten Rechtsstreit und von eigener Betroffenheit des Antragstellers wird die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten überprüft.“
Es gab nun 216 Mitglieder der demokratischen Oppositionsfraktionen, die eine solche Normenkontrolle eingereicht haben. Die AfD wollte auch mitspielen. Das BVerfG hat dem aber einen Riegel vorgeschoben. Weder ein „Beitritt“, noch ein „Anschluss“ sei möglich (Rdn. 11).
Zur Begründung führte das BVerfG aus, dass die Frage ob einzelne Mitglieder des Deutschen Bundestages einem bereits gestellten abstrakten Normenkontrollantrag beitreten können nicht geklärt, aber in anderen Verfahren ausdrücklich zugelassen sei (Rdn. 13). Eine analoge Anwendung komme auch nicht in Betracht (Rdn. 14). Das BVerfG argumentiert auch mit dem Sinn und Zweck einer Normenkontrolle, nach welchem ein „Beitritt“ auch völlig unnötig ist (Rdn. 16).
„Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle ist allein die von subjektiven Rechten und Rechtsauffassungen unabhängige Frage, ob ein bestimmter Rechtssatz gültig oder ungültig ist. Bedeutung und Funktion des Antrags erschöpfen sich darin, den Anstoß zur gerichtlichen Kontrolle in einem objektiven Verfahren zu geben. Ist das Verfahren in Gang gesetzt, sind für den weiteren Verlauf Anträge und Anregungen der Antragsteller nicht mehr erforderlich.“
Auch einen „Anschluss“ an das Normenkontrollverfahren schließt des BVerfG aus. Der Unterschied zum „Beitritt“ soll darin liegen, dass auf eigene Anträge und Prozessbevollmächtigt verzichtet wird. Anders formuliert, es soll nichts gemacht werden, aber man möchte trotzdem dabei sein. Das BVerfG weist nunmehr darauf hin, dass ein „Anschluss“ gesetzlich nicht vorgesehen ist und es dahinstehen kann, ob ein Anschluss prozessual überhaupt möglich ist, er komme jedenfalls nicht ohne die Zustimmung der bisherigen Antragstellenden in Betracht (Rdn. 20).
Zentraler als die auf die abstrakte Normenkontrolle bezogenen Aussagen scheinen mir die Aussagen zum freien Mandat von Abgeordneten zu sein. In Randnummer 17 erläutert das BVerfG, dass eine Berufung auf das freie Mandat im Hinblick auf die abstrakte Normenkontrolle nicht weiterhilft. Das Antragsrecht zur Einleitung einer abstrakten Normenkontrolle sei „zwar dem einzelnen Abgeordneten als Ausfluss seines freien Mandats und seiner darin garantierten Mitwirkungsrechte gewährt (…)“, es kann aber „nur zur gesamten Hand als Teil eines Viertels der Mitglieder des Bundestages wahrgenommen werden“. Konkreter wird das BVerfG im Hinblick auf den schon angesprochenen „Anschluss“, für den es eine Zustimmung der ursprünglichen Antragstellenden verlangt. Im Hinblick auf dieses Zustimmungserfordernis sagt das BVerfG (Rdn. 23):
„Das Zustimmungserfordernis findet seine verfassungsrechtliche Begründung im freien Mandat des Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieses gewährleistet dem Abgeordneten, dass er eigenverantwortlich über die Wahrnehmung seines Mandats entscheiden kann (…). Umfasst ist damit auch, dass er frei darüber entscheiden kann, ob und mit welchen weiteren Abgeordneten er zusammenzuarbeiten bereit ist.“
Der letzte Satz ist aus meiner Sicht der entscheidende Satz, denn er hat meines Erachtens grundsätzliche Bedeutung auch für das parlamentarische Verfahren an sich. Wird nämlich der Begriff „zusammenarbeiten“ weit gefasst und darunter auch das leiten von Sitzungen verstanden, ergibt sich bereits daraus, dass kein:e Abgeordnete:r gezwungen werden kann Ausschussvorsitzende oder Vizepräsidenten:innen zu wählen.
Ob weiter oder enger Begriff, in jedem Fall kann Niemand gezwungen werden, gemeinsam mit der AfD Anträge zu stellen und ist dieser auch unmöglich, sich einem Antrag anzuschließen. Wenn ich das richtig sehe, enthält die Geschäftsordnung des Bundestages auch keine Regelungen über Beitritt oder Anschluss zu einem Antrag/Gesetzentwurf. Das ist auch richtig so. Denn nach meiner Ansicht gilt auch hier, was das BVerfG zur Normenkontrolle sagt: Beitritt und Anschluss nur mit Zustimmung der ursprünglichen Antragstellenden.
Mithin bedeutet dies, es gibt keine Gründe für gemeinsame Anträge/Gesetzentwürfe mit der AfD und diese kann die demokratischen Parteien auch nicht zu solchen gemeinsamen Anträgen/Gesetzentwürfen zwingen.