Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Entscheidung getroffen, die weit über den Einzelfall hinaus geht. Vordergründig ging es um die Frage, ob einem Normenkontrollantrag beigetreten oder sich diesem angeschlossen werden kann. Auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts ist schön nachzulesen, worum es bei der abstrakten Normenkontrolle geht:

„Die abstrakte Normenkontrolle steht einem begrenzten Kreis von Antragstellern offen. Unabhängig von einem konkreten Rechtsstreit und von eigener Betroffenheit des Antragstellers wird die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten überprüft.“

Es gab nun 216 Mitglieder der demokratischen Oppositionsfraktionen, die eine solche Normenkontrolle eingereicht haben. Die AfD wollte auch mitspielen. Das BVerfG hat dem aber einen Riegel vorgeschoben. Weder ein „Beitritt“, noch ein „Anschluss“ sei möglich (Rdn. 11).

Zur Begründung führte das BVerfG aus, dass die Frage ob einzelne Mitglieder des Deutschen Bundestages einem bereits gestellten abstrakten Normenkontrollantrag beitreten können nicht geklärt, aber in anderen Verfahren ausdrücklich zugelassen sei (Rdn. 13). Eine analoge Anwendung komme auch nicht in Betracht…

Mitten in meinem Urlaub (voll ökologisch mit Fahrrad und Zug) stolperte ich über diesen Artikel von Jasper von Altenbockum, indem es um die nur begrenzte Zulassung der AfD zur Landtagswahl in Sachsen ging. Und tatsächlich verschlug es mir die Sprache.

Es fängt schon im ersten Absatz an, der einen Formfehler zwar anerkennt aber bagatellisiert und so tut, als sei mit Basisdemokratie notwendigerweise ein solcher Formfehler verbunden. Das stimmt nun bei weitem nicht, wie andere geschichtliche Beispiele (wie das der Piratenpartei) zeigen. Der Hammer ist aber der letzte Absatz:

„Im Umgang mit der AfD hat sich, wie sich jetzt auch wieder in Chemnitz zeigte, eine plumpe Ausgrenzung durchgesetzt, die ohne Pardon die Brücken nach >Rechts< abbrechen will. Die treibenden Kräfte dahinter, Linkspartei, Grüne und SPD, müssten aber gerade in Sachsen erkennen, dass sie bisher herzlich wenig dazu beigetragen haben, die AfD zu verkleinern. Gehen sie ihren Weg auch in diesem Fall kompromisslos…

Klare Ansage – so kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrechtsausschluss eingeordnet werden.

Worum geht es? Im deutschen Wahlrecht gibt es ganze Gruppen, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Diese Wahlrechtsausschlüsse sind in § 13 BWahlG aufgeführt, finden sich aber auch im Grundgesetz. Vom Wahlrecht komplett ausgeschlossen sind Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besitzen, Menschen, die unter 18 Jahre alt sind, und Menschen, die unter § 13 BWahlG fallen. Das wiederum sind Menschen, die unter § 45 StGB fallen. Und das sind Menschen, die unter sog. Vollbetreuung stehen sowie Menschen, die sich aufgrund einer Anordnung nach dem StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden. Ein Wort zur Vollbetreuung um Missverständnissen vorzubeugen. Es geht nicht um eine physische, d.h. körperliche Vollbetreuung. Es geht um Betreuung im Sinne der §§ 1896 ff. BGB, beim Wahlrechtsausschluss um Personen, für die in allen Angelegenheiten ein*e Betreuer*in bestellt worden ist.

Es gibt also eine Rechtslage, nach der Personen von…

Seit ca. 2008 (ich weiß es nicht mehr genau) bin ich Mitglied von ver.di. Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist also wesentlich kürzer als die Mitgliedschaft in einer Partei. Und jetzt hat mir das Bundesverfassungsgericht die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft vergällt.

Was ist passiert? Das Bundesverfassungsgericht hat über die sog. tarifvertragliche Differenzierungsklausel entschieden. Juristisch korrekt, hat es natürlich nicht entschieden, denn die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Den Sachverhalt beschreibt das Bundesverfassungsgericht wie folgt:

„Der Beschwerdeführer ist, da er keiner Gewerkschaft angehörte, allein arbeitsvertraglich und durch einen Sozialplan begünstigt worden. Er hat damit nicht erhalten, was tarifvertragsgemäß nur Beschäftigten zukam, die an einem ebenfalls tarifvertraglich vereinbarten Stichtag tatsächlich gewerkschaftlich organisiert waren. Der Beschwerdeführer klagte auf die Leistungen, die nach dem Tarifvertrag nur am Stichtag organisierte Mitglieder der Gewerkschaft erhielten. Das Arbeitsgericht gab dieser Klage statt; das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.“

Der Kläger beruft sich…

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einen neuen Bundesverfassungsrichter. Wieder einen aktiven Politiker – Stephan Harbarth. Schon mit Bundesverfassungsrichter Peter Müller wechselte ein Politiker unmittelbar an das höchste Gericht.

Dass nun erneut ein aktiver Politiker unmittelbar als Richter zum Bundesverfassungsgericht wechselt, wäre eigentlich ein guter Anlass mal darüber nachzudenken, was bei der Wahl von Bundesverfassungsrichter*innen möglich sein soll/darf – eine rechtspolitische Debatte also.

Doch tatsächlich findet zumindest in meiner Filterbubble eine andere Debatte statt. Angestoßen durch queer.de wird dort eine Debatte über Homophobie beim neuen Bundesverfassungsrichter Harbarth geführt. So gibt es einen Artikel, der über die schrecklich nette Homophobie des Bundesrates berichtet. Als Begründung für den Vorwurf der Homophobie heißt es dort:

„Im Bundestag stimmte der CDU-Politiker nicht nur gegen die Ehe für alle, weil er sie für verfassungswidrig hält, auch die Aufnahme des Merkmals >sexuelle Identität< in Artikel 3 des Grundgesetzes lehnte er ab, weil das Grundgesetz kein >Versandhauskatalog…

Viele Menschen wollen -völlig zu Recht- ihren Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg kreativ und friedlich ausüben. Glücklicherweise gibt es in Deutschland Versammlungsfreiheit. Doch mit den jüngsten Gerichtsentscheidungen könnte die Versammlungsfreiheit entkernt werden, am Ende bliebe dann eine leere Hülle übrig.

Am Anfang steht das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Da ist zunächst die Entscheidung vom 28. Juni 2017, mit der die Versammlungsbehörde verpflichtet wurde,

über die Duldung der Veranstaltung mit dem Tenor >Antikapitalistisches Camp – Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen< als Versammlungsbehörde nach Maßgabe der Entscheidungsgründe (II 2 b cc) versammlungsrechtlich zu entscheiden.

Was sich zunächst gut liest, ist am Ende nicht gut. Zwar soll die Versammlungsbehörde über das Camp versammlungsrechtlich entscheiden, womit das BVerfG das Camp zunächst dem Schutz des Artikel 8 GG unterwirft, doch das dicke Ende kommt. Denn leider hat sich das BVerfG um die von ihm selbst gesehene zentrale Frage des Versammlungsrechtes herum gemogelt. Es…

Die G10-Kommission ist indirekt in Artikel 10 Abs. 2 GG erwähnt. Der Artikel 10 Abs. 2 GG erlaubt zunächst Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnises. Beschränkung meint hier Eingriff. Unter bestimmten Bedingungen, die ebenfalls in Abs. 2 erwähnt werden, müssen solche Eingriffe den Betroffenen nicht mitgeteilt werden. Dann kommt der entscheidende Halbsatz. Dann kann das Gesetz vorsehen, dass:

an die Stelle des Rechtsweges (…) die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane„.

tritt. Ein spezielles G10-Gesetz regelt dann die weiteren Details der Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnises. Die G1o-Kommission genehmigt oder genehmigt nicht die von den Nachrichtendiensten des Bundes beantragten Beschränkungen. Das alles steht in § 15 G10-Gesetz. In den Bundesländern machen dies die G10-Kommissionen der Länder. Die G10-Kommission entscheidet auch, ob Betroffenen im Nachgang zu einer Beschränkung diese Beschränkung auch mitgeteilt wird. Die Kontrollbefugnis erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G 10…

Über die Abstimmung zu CETA im Bundestag habe ich hier bereits geschrieben. Nun hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gefällt. Bislang liegt allerdings nur die Presseerklärung vor. Diese bietet aber ausreichend Stoff, um das Urteil einer ersten Bewertung zu unterziehen.

Um es vorweg zu nehmen. Ich halte das Urteil für ausgesprochen klug und sehen keinen Anlass für Gerichtsschelte. Mal abgesehen davon, dass es aus meiner Sicht auch generell nicht klug ist, ein Gericht für ein Urteil zu kritisieren, wenn es mal nicht der eigenen Überzeugung entspricht. Das Urteil kommt, so wie es jetzt vorliegt, auch nicht wirklich überraschend. Bereits am 11. Oktober 2016 gab es eine Prognose auf verfassungsblog.de zum Ausgang des Verfahrens. Dort wurde explizit darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht

unter Umständen Vorgaben für die Stimmabgabe im Rat der EU machen“

könnte. Und weiter heißt es:

Meine Prognose lautet daher, dass das Bundesverfassungsgericht…

Im Jahr 2012 hatte ich mich in der Kritischen  Vierteljahresschriff für Gesetzgebung und Rechtsprechung (KritV) mit der Frage beschäftigt, ob die Verweigerung eines Internetzugangs im Strafvollzug rechtmäßig ist. Im Ergebnis stellte ich damals fest: „Eine generelle Verweigerung des Zugangs zum Internet für Strafgefangene ist rechtswidrig. Eine gesetzliche Einschränkung, d.h. eine rechtliche Grundlage für die Verweigerung eines solchen Anspruches, existierte im StVollzG (Bund) und in den bereits verabschiedeten Ländergesetzen nicht. Lediglich der Musterentwurf hat sich des Problems angenommen. Die vollständige Verweigerung eines Internetzugangs kann auch nicht aus der Sorge um die Sicherheit und Ordnung der Anstalt hergeleitet werden. Darüber hinaus sind alle vermeintlichen Gefahren ebenfalls in anderen Kommunikations- und Informationsmitteln vorhanden, ohne dass der Zugang zu diesen völlig ausgeschlossen ist. Schließlich wirkt eine generelle Verweigerung eines Internetzugangs kontraproduktiv hinsichtlich des Ziels der Resozialisierung.“

Wie komme ich auf sowas? Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen zu Recht darauf abgestellt, dass der Strafvollzug vom grundsätzlichen…

Bevor es ein paar wenige Tage in den Urlaub geht, ein kleiner Rückblick auf das Jahr 2015. Es war -wie die Jahre zuvor- ein Pendeln zwischen Digitaler Politik und Rechtspolitik. Manchmal überschneidet sich das ja auch. Natürlich gab es auch jede Menge innerparteilicher Debatten, es gab Griechenland, die widerlichen Fratzen von Pegida und AfD und viel Solidarität mit Geflüchteten.

Januar

Es ging um Pegida (einmal hier und einmal hier) um Blasphemie und denunziatorische Kommunikation.

Februar

Die Debatten um Karenzzeiten und Griechenland standen auf der Tagesordnung (hier und hier). Griechland wird mich noch bis in den August hinein beschäftigen.

März

Der März war ein digitaler Monat. Erst die Digitalisierung der Landwirtschaft, denn die Störerhaftung und schließlich ein Buch zu digitalen Dimension der Grundrechte. Die Störerhaftung ist noch nicht abgeschlossen. Im Jahr 2016 wird das Thema also wieder aufgerufen.

April

Eigentlich…