Die Programmdebatte wird intensiver und damit auch heftiger. Ich bin schon gespannt, was wir in Hannover beim Programmkonvent erleben werden.
Ich bin ein großer Anhänger von intensiven, durchaus auch kontroversen Debatten. Es macht Spaß intelligente Gegenargumente zu hören, diese aufzunehmen zu durchdenken und dann zu widerlegen – oder auch nicht. Es fällt kein Zacken aus der Krone, wenn man mal erkennt, dass der/die andere Person bessere Argumente hat. Widersprüche und Kontroversen treiben die Partei voran. Sie sind notwendig und deshalb nichts schlimmes.
Insofern bin ich immer ganz dankbar, wenn andere Positionen öffentlich ausgesprochen werden und der Dissens fass- und damit diskutierbar wird.
Wie Programmdebatten allerdings nicht laufen sollten kann hier nachgelesen werden. Ich empfehle zunächst das Editorial. Dort heißt es: „Von einigen Funktionären der LINKEN folgte postwendend eine plumpe Kritik an seinem Grundcharakter: die Analyse des Kapitalismus sei zu pessimistisch, die Forderungen nach einer anderen Eigentumsordnung zu weitgehend, die Ablehnung jeglicher Militäreinsätze zu undifferenziert und die vorgeschlagenen Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligungen schlicht `unterkomplex`. Diese Kritik findet sich in dieser oder ähnlicher Form auch in den Artikeln der bürgerlichen Medien, in Äußerungen des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir, dem Bundesinnenminister de Maizière und nicht zuletzt in den Forderungen des Verfassungsschutzes, wie wir unser Programm zu gestalten hätten. Während die selbst ernannten ‚Reformer‘ unserer Partei durch diese Strategie vermeintliche Macht durch eine schnelle Regierungsbeteiligung der LINKEN anstreben, […]“ Es geht nicht um Argumente, sondern um Motive. Diejenigen die an verschiedenen Stellen Kritik äußern sind -okay so steht es noch nicht da- Agenten des Klassenfeindes und betreiben sein Geschäft. Und eigentlich wollen sie nur an die Macht. Und deshalb gibt es die einen, die eine schwache Linke wollen und die anderen, die eine starke Linke wollen. Oder habe ich diese Passage falsch verstanden? „Wir kämpfen dagegen (sic! – H.W.) für eine starke LINKE. Deshalb vertreten wir den Programmentwurf in seinen Grundzügen offensiv und halten es für politischen Selbstmord, die Programmdebatte nutzen zu wollen, um – ohne überzeugende Argumente – bewährte Grundsätze einer erfolgreichen linken Strategie über Bord zu werfen.“
Ich zähle mich ja auch zu den Reformern und mich würde nun interessieren, inwiefern meine beiden Debattenbeiträge all diese Anschuldigungen erfüllen. Ob die Zeitungsautoren/innen sich dazu äußern?
Ich hätte mir gewünscht, dass die Programdebatte und auch diese Zeitung nicht durch ein derartiges Editorial -welches ja wohl die Haltung der Redaktion ausdrücken soll- diskreditiert wird. Einladend für offene und kontroverse Debatte ist das jedenfalls nicht.
Hab gerade die 13 Thesen des FDS überflogen. Muss ich nochmal genauer lesen. Liest sich aber schon so, als wolle man den Spuren der gescheiterten Sozialdemokraten folgen und so lange reformieren, bis vom sozialistischen Anspruch nix mehr übrig ist. Gewisse Formulierungen wie z.B. „Ausgehend von der potentiellen Friedensfähigkeit des Kapitalismus (…)“ wirken auf mich dann doch ziemlich naiv oder bei negativer Auslegung berechnend. Denn man weiß ja, welche Hürde übersprungen werden muss, will die Linke aus Sicht von Sozialdemokraten und Grünen, wohlgemerkt, regierungfähig werden.
Und gewisse Erkenntnisse aus dem 19. Jahrhundert haben sich nicht zwingend damit erledigt, bloß weil sie nicht neu sind. Naja und was die Forderungen nach verschiedenen Konkretisierungen angeht gebe ich zu bedenken, dass Parteiprogramme auch für Nichtpolitiker konsumierbar bleiben sollten ohne einzuschläfern. Für die innerparteiliche Debatte tät mich dann aber schon mal interessieren was denn all die verschidenen Kapitalismen sein sollen, wenn es nicht „den Kapitalismus“ gibt.
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