Keine Diffamierung, nur Mäkelei

Eigentlich ist es ein Tag zum freuen. Da wird der JMStV im Landtag von Nordrhein-Westfalen abgelehnt und ist damit erledigt. Doch irgendwie kommt bei mir keine Freude auf. Warum? Es ist wiedermal die innerparteiliche Debatte :-(.

Im Plenum sitzend las ich dieses Interview des ehemaligen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine. Da hat die LINKE gerade festgestellt, dass sie verschiedene Kernthemen hat und dazu zählt u.a. die Demokratie. Unumstritten dachte ich bisher. Doch was soll mir diese Aussage sagen? „In diesem Jahr standen die Themen nicht so sehr im Vordergrund. Darüber wird im Ausland bereits gespottet. In fast allen europäischen Hauptstädten wird gegen Sozialabbau demonstriert. In Deutschland wird gegen Stuttgart 21 und die Castortransporte auf die Straße gegangen. Im Zuge der Banken- und der Euro-Krise wird die soziale Frage wieder in den Vordergrund rücken“ Die Deutschen demonstrieren also falsch? Aber holla. Der Protest gegen Stuttgart 21 und Castortransporte ist nicht wirklich relevant? Irgendwann wird auch wieder für „das richtige“ demonstriert? Nein, das sehe ich anders. Diese Art von Diskreditierung demokratischen Protestes ist nicht angemessen.

Doch damit nicht genug. Ich lese weiter: Die von den Medien mal als Reformer, mal als Pragmatiker bezeichnete Gruppe hat bisher keinen einzelnen erwähnenswerten Reformvorschlag gemacht. Diese Gruppe macht bedauerlicherweise nur durch Mäkelei an der Partei und ihrer Führung von sich reden.“

Lieber Oskar, diese Behauptung wird auch durch Wiederholung nicht richtiger. Ich empfehle an dieser Stelle lesen. Ich fange mal mit einer Reihe von Reformvorschlägen erarbeitet von Reformern und Pragmatikern an, dabei beginne ich natürlich mit meinen eigenen ;-): Vorschlag zum Wahlrecht (mehrfach hier verlinkt), kostenloses W-Lan in öffentlichen Einrichtungen, nachdenken über steuerfinanzierte Solidarsysteme, öffentliche Debatte nach erster Lesung von Gesetzentwürfen z.b. im Internet und Berücksichtigung der Vorschläge im weiteren Gesetzesverfahren, Parteispenden von juristischen Personen verbieten, ÖBS, Partizipations- und Integrationsgesetz, Staatsleistungen der Kirchen in Frage stellen, Informationsfreiheitsgesetze ändern, gleiche Versorgungsleistungen für gleichgeschlechtlich lebende Beamte…

Selbstverständlich ist die wiederholte Aussage von Oskar über mangelnde Reformvorschläge keine Diffamierung, denn „Es sollte doch selbstverständlich sein, dass man nicht Mitglieder der eigenen Partei oder die ganze Partei diffamiert.“ Von daher muss auch niemand Angst davor haben – denn bei den Äußerungen handelt es sich garantiert nicht um eine Diffamierung sondern lediglich um eine Mäkelei.

8 Replies to “Keine Diffamierung, nur Mäkelei”

  1. Pingback: Zwei, drei Probleme | Lafontaines Linke

  2. Wieso kostenloses W-Lan nur in öffentlichen Einrichtungen. Was ist mit kostenlosem Nahverkehr z.B.?

  3. Ohne Dir Deine Reformvorschlägchen madig zu machen aber dieses Statement zeigt eher, dass Lafontaine offensichtlich in einer ganz anderen Liga spielt.
    Wird so langsam peinlich,

  4. Die entscheidenden Fragen sind nun einmal die ökonomischen und sozialen.

    Was nützen einem demokratische Rechte, wenn man ansonsten weder am erarbeiteten Reichtum teilhaben, ja, nicht einmal die Möglichkeit zur Erwerbsarbeit hat, wie es in diesem Lande so vielen geht.

    Davon abgesehen sind die Einflussmöglichketen des Bürgers äußerst beschränkt – im ökonomischen Bereich tendieren sie sogar gegen Null. Beispiel: Selbst die ach so demokratisch gewählte Landesregierung von NRW konnte nicht verhindern, dass die Eigentümer von Nokia mal eben einen Produktionsstandort so einfach schließen und die dortigen Beschäftigten auf die Straße setzen konnten. Auch besteht die Meinungsfreiheit nur auf dem Papier, wenn es im Land einige gibt, deren Meinung ich jeden Tag in deren Presse lesen (Springer und Co.) und von den Meinungen anderer, sollten sie kund getan werden, überhaupt nicht Notiz nehmen kann.

    Mit Lafontaine und der von ihn maßgeblich beeinflussten Themensetzung haben die Linken bei der letzten Bundestagswahl knapp zwölf Prozent erreicht. Wie sehr er der Bundespartei fehlt, erkennt man daran, dass sie trotz verschärfter sozialer Lage, Finanzkrise, weiter bestehender Massenarbeitslosigkeit, Bildungsnotstand, Krieg in Afgahnistan nicht in der Lage ist, weiter zuzulegen. Die im Beitrag genannten Themen (W-Lan für alle, Stuttgart 21, …) mögen für manche interessant sein, sind jedoch ungeeignet, um für die Linke interessante Wählerschichten zu erreichen.

    Es ist ja schön, wenn Gesetzesentwürfe im Internet diskutiert werden können sollen. Das muss und wird aber nichts daran ändern, dass mit ihnen letztlich die Interessen derjenigen durchgesetzt werden, die in diesem Lande durch ihr Eigentum an den Produktionsmitteln die ökonomische Macht in ihren Händen halten.

    Ein kluger Mann hat einmal gesagt: Wahlen gewinnen heißt noch lange nicht, die Macht zu haben.

    In Berlin, die Autorin des Beitrages ist ja Berliner Bundestagsabgeordnete, könnte die Linke zur Zeit auch punkten, wenn sie schlicht in der Lage wäre, dort wo sie Verantwortung trägt, für eine bessere Verwaltung der Stadt zu sorgen. Zur Zeit scheitert die von der Linken gestellte Umweltsenatorin schon an der banalen Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Bürger nicht durch zugeschneite Straßen stapfen müssen. Unangeleinte Kampfhunde auf Spielplätzen und Straßen, in S-Bahnen und U-Bahnen, deren Sch. auf den Straßen, verschmutzte Straßen, schlecht ausgestattete öffentliche Schulen, ein mehr schlecht als recht funktionierender öffentlicher Nahverkehr in der Stadt, ein zum Erliegen gekommener öffentlicher Wohnungsbau mit der Folge nicht enden wollender Mietsteigerungen gerade für die unteren Einkommensbezieher, hohe Wasser- und Energiepreise – das alles sind keine Belege dafür, dass die seit nunmehr neun Jahren amtierende Senatskoalition unter Beteiligung der Linken in der Lage wäre, diese Stadt ordentlich zu verwalten. Auch insoweit wären die so genannten Pragmatiker, von denen ja viele aus Berlin kommen, gut beraten, sich bei einem wie Lafontaine, der ja aus seiner Zeit als langjähriger Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt und Ministerpräsident eines Bundeslandes auch kommunal- und landespolitische Erfahrungen mitbringt, Ratschläge zu holen, statt ihm mit billiger Polemik zu begegnen.

    Man kann diesen Pragmatikern nur zurufen: Bitte verspielt nicht das politische Kapital, welches in den letzten Jahren für die Linke aufgebaut worden ist. Vergesst nicht, wie euere Ergebnisse nach fünf Jahren Rot-Rot in Berlin aussahen: Beinahe Halbierung des Wähleranteils in Berlin, Unterschreitung der Fünf-Prozent-Hürde bei den Bundestagswahlen 2005.

  5. @call: die ökonomischen und sozialen fragen mögen ziemlich entscheidend sein, aber darum geht es in dem streit nicht. es ging darum, dass behauptet wurde, es liegen keine (!!!) vorschläge vor und das ist schlichtweg falsch. man mag sie unzureichend finden oder falsch, aber zu behaupten es liegen keine vor ist frech. ökonomie ist wichtig, aber wieso sehen dann alle vorschläge im programmentwurf so aus, dass sie vom fortbestand der industriegesellschaft ausgehen? was ist mit dem zunehmenden dienstleistungssektor und der produktion von erlebnissen? verändert das nicht vieles in unserer gesellschaft? dazu gibt der programmentwurf keine einzige antwort.
    ich kenne im übrigen viele, die keiner erwerbsarbeit nachgehen (können oder wollen), genügend arbeit haben und trotzdem von ihren demokratischen rechten gebrauch machen (wollen). warum beschränkst du meinungsfreiheit auf presseerzeugnisse. ich finde, dass gerade das internet viele neue chancen für information und kommunikation bietet. vielleicht ist es ja so, dass in 20 oder 30 jahren das das entscheidende informationsmedium ist.

    ich teile deine einschätzung nicht, dass mit dem thema netzpolitik und demokratisierung der gesellschaft keine wähler/innen gewonnen werden können. doch, das können sie. warum sollten diese themen nicht interessant sein für wähler/innen?

    ach und by the way: bei der bundestagswahl 2005 wurde die 5%-hürde erfolgreich gemeistert 🙂

  6. Ich meinte natürlich die BTW 2002.

    Der Hinweis auf die ökonomischen und sozialen Fragen bezog sich auf den Vergleich mit Stuttgart 21. Ich dachte,das wäre erkennbar gewesen. Schade, dass Du nicht auf die Grenzen der Demokratie in der Wirtschaft eingegangen bist; auch Dich nicht mit dem Umstand auseinandersetzt, warum die Linke in den Umfragen stagniert.

    Der von Dir hoch gelobte Dienstleistungssektor wird die Wertschöpfung der Industriegesellschaft (einschließlich Forschung und Entwicklung) nicht annähernd ersetzen. Ebensowenig die „Produktion von Erlebnissen“.

    Das Internet wird schon jetzt durch die Medienkonzerne beherrscht. Aber lebe ruhig in Deiner Traumwelt weiter.

    Achja, die Programmdebatte. Was nützen die besten Programme, wenn sie, kaum dass die Partei in Regierungsverantwortung ist, schon Makulatur sind. In Brandenburg realisiert die Linke genau das Gegenteil von dem, was sie früher gefordert hat.

    Frohe Weihnachten!

    Frohe Weihnachten!

  7. OK
    seit dem 11.01. liegt ein Paper vor, dass mein Post vom 20.12.2010 hinfällig werden lässt.

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