Muss sich der Blick

… auf die Bewegung der 68er ändern? – Das fragt der SPIEGEL in seiner heutigen Ausgabe.

Fundgrube

Meine Antwort ist so klar wie eindeutig: Nein, es gibt dazu überhaupt keinen Grund.  Und ich bin dabei einer Meinung mit Otto Schily, der meint: „Wer jetzt meint, man müsse die gesamte Geschichte der 68er Bewegung neu schreiben, der liegt falsch.“

Der Stasi war noch alles zuzutrauen, so auch dass sie Leute wie Kurras als Agenten einsetzt. Ein Schießbefehl Kurras auf Ohnesorg ist nicht nachweisbar. Es herrschte kalter Krieg und beide Seiten waren nicht gerade zimperlich in den Auseinandersetzungen. Das die DDR kein Rechtsstaat war, habe ich mehrfach öffentlich gesagt.

Warum die Enthüllung, dass Kurras IM der Stasi war zu einer Neubewertung von 68 führen soll, verschließt sich mir völlig.  Absurd finde ich wenn die vier (männlichen) Autoren meinen, dass mit der Enthüllung über Kurras ein wichtiger Baustein für die Begründung der Rebellion verloren gegangen sei (S. 45). Hier wird versucht Geschichtsklitterung zu betreiben und die Bundesrepublik der 60er Jahre besser zu machen, als sie tatsächlich war.

Es wird verdrängt, dass die 68er tatsächlich eher kritisch zur DDR eingestellt waren, denn dass sie sich positiv auf sie bezogen – zu Recht. Es wird verdrängt, dass unabhängig von den Todesschüssen brutal mit Demonstranten umgegangen wurde, die gegen den Schah-Besuch protestierten. Es wird verdrängt, dass es eine Selbstverständlichkeit war, dass Beteiligte an Verbrechen im 2. Weltkrieg wieder in Amt und Würden waren und auch „Einsatzverantwortung“ trugen.

Die Autoren weisen selbst auf S. 48 darauf hin, dass der Kommandeur des damaligen Einsatzes Polizeiführer im 2. Weltkrieg war und seinen Beitrag zum Holocaust geleistet hat. Allein die Tatsache, dass eine solche Person weiter Polizeieinsätze befehligen konnte rechtfertige jede Rebellion.

Unabhängig von den Schüssen auf  Ohnesorg und die nachfolgenden Ereignisse (Verschwinden von Beweismaterial, der Todesschütze kann nach mehreren Jahren wieder seinen Dienst in der Kriminalpolizei antreten) war das Fass ja wohl zum Überlaufen gekommen. Der Spiegel selbst verweist auf Notstandsgesetze, das Attentat auf Rudi Dutschke und den Vietnam-Krieg.

Nein der Blick auf die 68er Bewegung muss sich nicht ändern. Ihr Protest, ihre Rebellion war mehr als berechtigt – und hat dem Land gut getan.

Und für alle die jetzt anfangen zu Interpretieren: Wenn ich hier von 68er Bewegung spreche, spreche ich nicht von RAF, Bewegung 2. Juni usw.

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