PanamaPapers und ein paar Fragen

Eigentlich hat Tom Strohschneider in seinem Kommentar vom Montag zur politischen Dimension der sog. PanamaPapers alles gesagt (die Passage zur Ministrafe für Hoeneß teile ich allerdings nicht). Solange Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt behandelt wird, wird sich nichts ändern. Steuerhinterziehung ist aber kein Kavaliersdelikt, Steuerhinterziehung ist kriminell. Aber die sogenannte “Weiße Kragen”-Kriminalität interessiert viel zu wenig.

Trotzdem sind ein paar für mich noch offene (und teils widersprüchliche) Fragen zum Leak der PanamaPapers angebracht, darunter auch Fragen zum politischen Umgang damit. Auch hierzu hat Tom Strohschneider gestern schon schlaue Sachen formuliert Und Stefan Winterbauer kritisiert hier, es wirke so, als „ob die Geschichte hinter den `Panama Papers` die eigentliche Geschichte ist“.

Bei Golem.de ist zu lesen, dass um „die Datenfülle überhaupt auswerten zu können, (…) die Dokumente zunächst systematisch mit dem Programm Nuix erfasst worden (sind). Mit diesem Programm arbeiteten auch internationale Ermittlungsbehörden. Auf hochleistungsfähigen Rechnern` hätten die Süddeutsche Zeitung und das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) die Dokumente per OCR in eine maschinenlesbare Form gebracht. Durch die digitale Aufbereitung sei es möglich gewesen, die Daten mit Hilfe von Listen zu durchsuchen – wichtige Politiker, internationale Verbrecher, bekannte Sportstars.“ Wenn dem aber so ist, wieso –wenn es um Aufklärung geht- werden diese systematisch erfassten Daten nicht öffentlich gemacht, so dass jede*r sich sein/ihr eigenes Bild machen kann? Weil die Quelle geschützt werden muss? Weil es schlicht zu viel Material ist? Bei Spiegel Online gibt es einen Erklärungsversuch, der in diese Richtungen argumentiert. Strohschneider bringt zurecht im oben erwähnten Kommentar auch die Verwertungslogik mit ins Spiel. Die auswertenden Medienhäuser müssen ihre Recherche eben bei allem Aufklärungsinteresse eben auch verkaufen. Und natürlich ist auch die Frage relevant, ob ungeprüft alle Dokumente zu veröffentlichen nicht auch zu einer Vorverurteilung führen kann.

Ich arbeite jedenfalls grundsätzlich lieber mit Originaldokumenten. Wenn sich die Öffentlichkeit ein Bild machen soll –und es nicht um den Skandal sondern um Schlussfolgerungen geht- dann wäre Transparenz eigentlich das Gebot der Stunde. Und das müsste mindestens die Veröffentlichung der Originaldokumente umfassen, die sich auf die medial angeklagten Personen beziehen.

Andererseits: Inwiefern kann eigentlich bei einem Leak in diesem Umfang tatsächlich noch Aufklärung in der Sache betrieben werden? Also eine Aufklärung durch die interessierte Öffentlichkeit, die nach Hintergründen, Strukturen und Verhinderungsmöglichkeiten für zukünftige Steuerhinterziehungen fragt. Und das geht ja wohl weit über Panama und die dortigen Briefkastenfirmen hinaus. Mit der Strukturfrage meine ich die Frage, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche juristischen Konstruktionen, welche fehlenden Kontrollmechanismen und welches gesellschaftliche Bewusstsein erleichtern und ermöglichen Steuerhinterziehung.  Doch allein die Datenfülle scheint eher dazu geeignet, stichprobenartig über Einzelfälle, also Personen, zu debattieren, statt das Grundsatzproblem anzugehen. Aber auch der Vermarktung des Ganzen dient der allüberall sichtbare Fokus auf Personen, so lässt sich das Thema doch schön boulevardisieren. Derzeit ist die Öffentlichkeit jedenfalls davon abhängig, wann welche Medien ihren Datenschatz zu welchen Teilen öffnen. Um das ganze Ausmaß zu verstehen, wäre aber eher Strukturanalyse statt Promi-Anprangern erforderlich.

Im Mittelpunkt der derzeitigen Debatte stehen also Personen, nicht Strukturen oder gar grundlegende Ideen, was erforderlich wäre um Steuerhinterziehung unmöglich zu machen. Der Personenhype bringt es mit sich, dass Putins Name im Zusammenhang mit den PanamaPapers geläufiger ist, als der des isländischen Ministerpräsidenten oder der von Poroschenko, obwohl letztere nach den bisherigen Erkenntnissen im Gegensatz zum russischen Präsidenten tatsächlich in den geleakten Daten auftauchen. Besonders clever ist so ein faktenarmes Mitverdächtigen nicht, wenn es um Vertrauen in mediale Berichterstattung geht. Der Skandal scheint derzeit weniger der Fakt des systematischen und massiven Geldverschiebens am Fiskus vorbei an sich zu sein, als die berühmten Personen, die beteiligt sind. Am Ende ist das Populismus und nicht radikale Gesellschaftskritik. Und nein, es gibt keinen generellen Grund, Putin oder seine Politik per se in Schutz zu nehmen. Solange er aber in den Daten nicht auftaucht, ist es unredlich, ihn bei dieser konkreten Sache mithineinzuziehen.

Da dies nun aber offensichtlich betrieben wird gibt es schon wieder allerhand Spekulationen darüber, welche finsteren Mächte eigentlich hinter den PanamaPapers stecken. Auch diese Verschwörungstheorien sind billiger Populismus und ihre Verbreitung vergibt die Möglichkeit,  die Strukturfrage aufzumachen und damit politisch auf die Papers zu reagieren. Mal abgesehen davon, ist es doch ein recht einfaches Weltbild zu glauben, wenn 400 Journalisten*innen Zugang zu den Daten haben, würden alle –wem auch immer- blind folgen und eine bestimmte –welche?- politische Agenda vertreten. Wie bitte soll das passieren, wenn zuletzt Medien aus 80 Staaten an der Auswertung der Daten gearbeitet haben, so jedenfalls wird es hier erwähnt.

Oben habe ich mir Transparenz der geleakten Daten gewünscht. Aber: Soweit die Berichte stimmen, befinden sich Daten seit 1977 in den Papieren. Zu einem Rechtsstaat gehört aber eben auch, dass Straftaten ab einem bestimmten Zeitpunkt verjähren. Was passiert eigentlich, wenn –aus welchen Gründen auch immer- verjährte Steuerhinterziehung an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Weil es die richtigen trifft, interessiert uns das dann nicht mehr?

Dann aber wieder folgender Blick auf das System “Offshore-Banking”: Die Süddeutsche Zeitung lässt durchblicken, was es mit den Deutschen und der Steuerhinterziehung auf sich hat. Bei ihr heißt es: „Ein Gutteil der Deutschen kam zudem über Schweizer und Luxemburger Filialen von deutschen Banken zu Mossack Fonseca. Auch die Namen fast aller Landesbanken finden sich in den Dokumenten (…) – mithin staatliche Institute, die eigentlich den Auftrag haben, dem jeweiligen Bundesland zu dienen und die alljährlich einen Teil ihrer Gewinne an die jeweilige Landesregierung ausschütten; (…).“ Doch greift die Schlussfolgerung nicht zu kurz, wenn es heißt: „Die deutsche Politik muss sich also nicht wundern, wenn auch viele Bundesbürger ihr Geld ins Ausland schaffen. Oder es in Briefkastenfirmen packen.“ Alles Schuld der Banken? Keine individuelle Verantwortlichkeit und keine Frage, ob es nicht ein gesellschaftliches Klima gibt, in dem Steuerhinterziehung eben irgendwie doch „normal“ ist?

Es gibt noch keine breite öffentliche Debatte zu Konsequenzen aus den Papieren. Das mag noch an der kurzen Zeit seit der Bekanntmachung der Papers liegen. Oder eben daran, dass die Strukturfrage nicht gestellt wird. Dabei könnten die Panama Papers gerade der Auslöser für eine Strukturdebatte sein. Es kommen ja auch Politiker*innen mit auf den ersten Blick sinnvollen Vorschlägen. Ein Transparenzregister wie von Justizminister Maas vorgeschlagen ist sicher eine gute Idee. Wenn das aber das Geldwäschegesetz betrifft und auch nur in Deutschland gilt, ist der Vorschlag eher ein Placebo. Gehört nicht zu einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung mit den Leaks, dass es vor allem internationaler Anstrengungen bedarf, um Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen? Und was ist mit Sanktionen für Steuerhinterzieher? Mein Kollege Richard Pitterle hat dazu einiges wichtiges aufgeschrieben und im Februar 2014 habe ich mir -bezogen auf Deutschland- eine weiterführende Strafrechtsdiskussion gewünscht.

Worum es also eigentlich in dieser Debatte viel mehr und zuallererst gehen müsste, steht auch im Kommentar von Tom Strohschneider: „… es geht um eine Unkultur des breit akzeptierten Asozialen, es geht um eine einflussreiche Minderheit, die sich dem Grundgedanken des demokratischen Gemeinwesens mit krimineller Energie entzieht – dass nämlich Lasten je nach Stärke der Einzelnen geteilt werden.“ Es geht am Ende darum, eine Strategie zu entwickeln, wie der Unkultur der Steuerhinterziehung auf der einen und den Strukturen, die Steuerhinterziehung ermöglichen, auf der anderen Seite der Boden entzogen werden kann. Davon ist die Debatte noch ein ganzes Stück entfernt. Und auch diese Debatte müsste sich mit der Frage beschäftigen, ob nationalstaatliche Handlungsrahmen heute noch ausreichend sind, um das Übel Steuerhinterziehung an der Wurzel zu packen.

Anlass für eine weiterführende Strafrechtsdiskussion

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