Über autoritäre Selbstgerechte

Immer wieder glauben Menschen, wenn ihrer Meinung widersprochen wird, ist dies das Ende der Meinungsfreiheit. Offensichtlich ist es auch ein gutes Geschäftsmodell das zu behaupten. Schnell die Behauptung aufgestellt dieses und jenes dürfe nicht mehr gesagt werden und es gäbe eine veröffentlichte Meinung die Abweichungen nicht zulässt und ganz schnell gibt es dann in den so gescholtenen Medien (ob nun Fernsehen oder Zeitungen) ganz, ganz viel Platz diese These auszuwalzen. Das damit die eigene These ad absurdum geführt wird, wird nicht einmal gemerkt.

Mir scheint hinter einem solchen autoritären Denken und einer solchen autoritären Einstellung ein bewusstes oder unbewusstes Missverstehen von Demokratie und Meinungsfreiheit zu stehen. Logisch, wenn ich mich selbst als DIE Autorität verstehe, dann will ich auch keinen Widerspruch haben. Der Sinn und Zweck von Demokratie und Meinungsfreiheit ist nun aber gerade, dass die Meinung X und die Meinung Y auch auf Widerspruch stößt, dass es einen Streit um die besten Meinungen gibt und das am Ende die Wählenden entscheiden, welcher Meinung sie so vertrauen, dass sie den Vertreter*innen dieser Meinung die politische Verantwortung für das Gemeinwohl übertragen. Anders formuliert: Demokratie lebt vom Widerspruch. Wer Widerspruch nicht aushalten kann und darin eine Unterdrückung von Meinungen sieht, verkennt den Wert von Demokratie und entblößt damit seine eigene Gesinnung: autoritär selbstgerecht. Solche Menschen machen genau das, was sie anderen vorwerfen: Sie setzen ihre Meinung absolut und lassen keinen Widerspruch zu.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Meinungsfreiheit und Demokratie bedeuten, dass wegen einer Meinung oder Position keine Repression vom Staat droht. Das Menschen nicht wegen einer Meinung und Position in den Knast kommen oder gefoltert oder ermordet werden. Demokratie und Meinungsfreiheit heißt aber nicht, dass jede Position und Meinung Beifall bekommt oder unwidersprochen bleibt. Demokratie und Meinungsfreiheit bedeutet eben auch, dass Menschen sagen: Deinen Schrott will ich nicht hören und sehen. (Im Übrigen ist das ja gerade auch der Sinn Gegendemonstrationen wie z.B. gegen öffentliche Gelöbnisse oder Naziaufmärsche).

Aber zurück zu den autoritären Selbstgerechten: Deren Muster, nachdem ihre Meinung die einzig richtige Meinung ist, absolut gesetzt wird und damit keinen Widerspruch duldet, führt am Ende dazu, dass Fehler oder Irrtümer ausgeschlossen sind. Ohne Widerspruch keine Weiterentwicklung von Positionen. Es gibt ja dann immer nur Bestätigung. Wo soll da neues Denken herkommen? Am Ende steht Stillstand.

Schuld an fehlender Meinungsfreiheit ist nach Ansicht der autoritären Selbstgerechten das linksliberale Milieu, früher bekannt als Woke- oder Lifestyle-Linke und davor als Gutmenschen. Das ist, wäre es nicht so traurig, eigentlich lustig. Während die so bezeichneten Menschen sich häufig tagtäglich bemühen mit konkreten Hilfsangeboten und konkreten politischen Konzepten vor allem denjenigen zu helfen, die durch die multiplen Krisen besonders hart getroffen sind, erzählen gutverdienende und materiell abgesicherte Personen was angeblich getan werden müsste. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Menschen mit geringem oder keinem Einkommen sowie Transferleistungsempfangende für den eigenen Ego-Tripp und den Kampf zum Erhalt der eigenen Privilegien benutzt werden. Im Kern nämlich wissen die autoritären Selbstgerechten meist nichts von deren Leben und wollen es auch nicht wissen. Sie müssten dann nämlich zum Beispiel früh aufstehen und sich in den ÖPNV quetschen, um an einen Arbeitsplatz zu kommen bei dem selbst jede Pinkelpause genau notiert wird. Sie müssten zum Beispiel mit Leuten reden und nicht nur für Fotos posieren, die nicht wissen, ob sie Morgen noch ihre Miete oder ihren Strom bezahlen können und die keine Rücklagen haben. Sie müssen zum Beispiel in Kneipen und nicht in Edelrestaurants gehen, möglicherweise sogar ziemlich verrauchte Kneipen mit Alkohol. Sie müssten auf einem Campingplatz Urlaub machen und nicht im 5-Sterne-Hotel.

Vermutlich findet das alles nicht statt. Im Gegenteil: auf die betroffenen Menschen wird herabgeschaut, sie werden verachtet. Schließlich haben sie es ja nicht geschafft, wie die autoritären Selbstgerechten ein Leben ohne materielle Sorgen zu führen. Selbst schuld! Es verwundert dann auch nicht, dass Klischees und Vorurteile über diejenigen transportiert werden, für deren Interessen sich doch vorgeblich eingesetzt wird. Würde sich vom hohen Ross herabbegeben, würde auffallen, dass die Menschen mit geringem und keinem Einkommen sowie Transferleistungsbeziehende ein gutes Gespür für Ungerechtigkeiten und Diskriminierung haben. Es würde auffallen, dass diese Menschen viel mehr von Politik verstehen als ihnen immer unterstellt wird. Es könnte sogar sein, dass die Erkenntnis wächst, dass diese Mensch aus rein materiellem Druck bereits jetzt viel ökologischer leben als diejenigen, die angeblich ihre Interessen vertreten. Und möglicherweise würde bei einer solchen Zugewandtheit klar, dass Widerspruch und sachlicher Streit eine Selbstverständlichkeit ist. Das bemerkt mensch allerdings nicht, wenn mensch sich allein in seiner/ihrer elitären Blase bewegt.

Vielleicht ist es ja doch so, dass der Autoritarismus der Selbstgerechten eine Gefahr für die Demokratie und die Meinungsfreiheit darstellt, weil die autoritären Selbstgerechten am Ende Antidemokraten*innen sind. Der Weg zu den Antidemokraten ganz rechts außen ist dann nicht mehr sehr weit.

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