Der Wahltag rückt näher und so manche/r fragt sich, was mit seiner/ihrer Stimme bei der Bundestagswahl passiert.
Die formulierte Frage ist allerdings schon nicht richtig gestellt. Korrekt müsste sie nämlich lauten: Was passiert mit meinen Stimmen bei der Bundestagswahl? Der/Die Wähler/in hat nämlich zwei Stimmen. Die Erststimme, mit der ein/e Direktkandidat/in gewählt wird und die ich jetzt einfach mal Personenstimme nenne. Dazu kommt noch die Zweitstimme, mit der ich die Landesliste einer Partei wähle, die nenne ich jetzt einfach mal Parteistimme.
Mit der Personenstimme wähle ich eine Person :-). Die Person, die die meisten Stimmen hat zieht in den Bundestag ein.
Mit der Parteienstimme ist es nicht ganz so einfach und um deren Wirkung zu beschreiben muss ein wenig ausgeholt werden. Eigentlich (auf dieses eigentlich kommt es an!) besteht der Bundestag aus 598 Abgeordneten. Die Parteistimmen legen fest, wieviel Bundestagsmandate eine Partei von diesen 598 Abgeordneten bekommt. Unser Wahlgesetz sieht in § 1 Abs. 2 nun aber vor, dass 299 Abgeordnete mit der Personenstimme zu wählen sind und nur die verbleibenden Mandate über die Landeslisten einer Partei besetzt werden. Es stellt sich also das Problem, dass trotz der 299 Abgeordneten die einen Direktwahlkreis gewonnen haben, am Ende die 598 Abgeordneten dem entsprechen müssen, was die Parteien an Parteistimmen erworben haben. Hierbei ist -leider- noch zu berücksichtigen, dass Parteien die nicht 5% der Parteienstimmen erreicht haben bei der Vergabe der 598 Sitze unberücksichtigt bleiben. DIE LINKE hat in ihren Gesetzentwürfen immer die Abschaffung dieser 5%-Hürde gefordert, ist damit aber gescheitert.
Um nun die 598 Abgeordneten entsprechend der Parteienstimmen an die Parteien zu verteilen, die mehr als 5% der Parteienstimmen erreicht haben sieht das Wahlgesetz (siehe § 6) folgendes Verfahren vor.
1. Schritt (Achtung, dieser Schritt wird auch als theoretischer Schritt bezeichnet!):
Es wird anhand der Bevölkerungszahl ermittelt, wieviel Mandate auf ein Bundesland entfallen. Nehmen wir mal an auf ein Bundesland entfallen insgesamt 24 Mandate. Im Regelfall wird es dann so sein, dass davon 12 Mandate an Direktkandidaten/innen fallen. Siehe oben, werden diese 12 Personen, die ihren Wahlkreis direkt gewonnen haben in jedem Fall im Bundestag sitzen. Diese 24 Mandate werden entsprechend der Parteistimmen (Zweitstimmen) auf die Parteien verteilt, wobei nur Parteien berücksichtigt werden, die mehr als 5% der Parteistimmen bundesweit erzielt haben. Irgendwie müssen nun aber die errungenen Direktmandate einer Partei berücksichtigt werden. Dies geschieht dadurch, dass von den entsprechend der Parteistimmen auf eine Partei entfallenen Mandate in einem Bundesland die von einer Partei erzielten Direktmandate abgezogen werden. Nun gibt es drei Optionen. Option 1: Eine Partei hat weniger Direktmandate gewonnen als ihr nach Parteistimmen an Sitzen zusteht. In diesem Fall kommt ein/e Bewerber/in einer Partei auf der Landesliste (theoretisch) in den Bundestag (Theoretisch deshalb, weil die endgültie Verteilung der Mandate erst nach Schritt 3 feststeht). Option 2: Die Partei gewinnt genauso viel Direktmandate, wie ihr an Mandaten auf Grund der Parteienstimme zustehen. In diesem Fall bleibt die Landesliste einer Partei unberücksichtigt. Option 3: Eine Partei gewinnt mehr Direktmandate, als ihr nach Parteistimmen an Mandaten zusteht. Die Landesliste bleibt unberücksichtigt aber es gibt ein Problem. Dieses Problem wird durch Schritt 2 und 3 gelöst. Gewinnt eine/e Direktkandidatin das Mandat, die/der für keine Partei antritt (also unabhängige Direktkandidaten/innen) oder die/der einer Partei angehört, die keine Landesliste eingereicht hat, geht er/sie natürlich auch in den Bundestag. In diesem Fall allerdings würden nicht mehr 24 Sitze zu verteilen sein, sondern nur noch 23 Sitze oder -hochgerechnet- nicht mehr 598 Sitze entsprechend des Parteistimmenergebnisses (Zweitstimmenergebnisses) sondern nur noch 597 Sitze (vgl. 6 Abs. 1 s. 3). In diesem Fall gilt aber auch die Regelung des § 6 Abs. 1 S. 2, über den ich hier geschrieben habe. Gewinnt also ein/e Direktkandidat/in der/die keine/r Partei angehört oder dessen/deren Partei keine Landesliste aufgestellt hat, dann verfallen alle Zweistimmen für alle Parteien für die Berechnung der auf die Parteien entfallenden Sitze.
2. Schritt:
Kommen wir nun zum „Problem“ zurück, dass entsteht, wenn in einem Bundesland eine Partei mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach Parteistimmen an Sitzen im Bundestag zusteht. Diese Partei hat ja nun -hochgerechnet auf die 598 Abgeordneten- mehr Sitze im Bundestag, als ihr nach Parteistimmen eigentlich zustehen. Deshalb wird in einem zweiten Schritt geschaut, wieviel Sitze bei wievielen Parteien das betrifft. Bei der letzten Bundestagswahl waren dies 24 Sitze. Um nunmehr wieder zu erreichen, dass die 598 + 24 Sitze so auf die Parteien aufgeteilt werden, dass das Verhältnis der auf sie entfallenden Parteistimmen wieder hergestellt ist, wird der Bundestag vergrößert bis das Verhältnis wieder stimmt. Der Bundestag würde dann nicht mehr aus 598 Abgeordneten bestehen, sondern aus 598 + 24 + x Abgeordneten. Soweit ein/e unabhäniger Direktkandidat/in ein Direktmandat gewinnt würde der Bundestag aus 597 + 24 + x Abgeordneten bestehen.
3. Schritt:
Die nun errechneten 598 + 24 + x Mandate werden jetzt zunächst auf die Parteien verteilt. Die Verteilung dieser Mandate muss dem Verhältnis der Parteistimmen bundesweit entsprechen. Die auf eine Partei bundesweit entfallenden Mandate werden nun wieder auf die Landeslisten der Parteien verteilt. Dabei bleibt es natürlich dabei, dass einer Partei die errungenen Direktmandate verbleiben. Für diese endgültige Verteilung der auf eine Partei in einem Bundesland entfallenden Sitze sind die Parteistimmen (Zweitstimmen) entscheidend.
Klingt kompliziert? Ist kompliziert. Deshalb plädiere ich ja auch für ein Einstimmenwahlrecht bei Verhältniswahl (also keine Direktkandidaten/innen mehr, wo eine Person gewählt ist wenn sie die Mehrheit der Stimmen hat) mit der Möglichkeit die Landeslisten einer Partei verändern zu können.
Wer nun verwirrt ist, für den gibt es eine einfache Lösung: Mit beiden Stimmen DIE LINKE wählen, damit wird garantiert nichts verkehrt gemacht 🙂
Interessanter ist ja die Frage:
Was passiert mit meiner Stimme n a c h der Bundestagswahl?
die frage ist ausgesprochen interessant, kann aber nicht beantwortet werden ohne dass dein wahlgeheimnis gelüftet wird. und selbst dann wählen ja menschen eine partei aus unterschiedlichen motiven. ich glaube es gibt niemanden, der 100% mit einer partei übereinstimmt.
insofern ist der vorschlag von gysi nicht ganz uninteressant, bei der wahl auch gleich über eine sachfrage mit abzustimmen.
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