Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat heute mit den Stimmen der Koalition deren Gesetzentwurf zum Wahlrecht, leicht verändert, angenommen. Vermutlich wird er damit in der nächsten Woche im Plenum auch eine Mehrheit finden. Statt -wie von den Sachverständigen gefordert- aus vier eins zu machen, d.h. noch einmal sich zusammenzusetzen und ein Wahlrecht in breitem Konsens zu verabschieden, wurde durchgezogen.
Das Ergebnis wird sein, dass man sich in Karlsruhe wiedersehen wird. Denn der Gesetzentwurf der Koalition dürfte wohl nicht verfassungsgemäß sein. Erheblich Bedenken gegen ihn wurden in der Anhörung des Innenausschußes am 5. September vorgetragen. Und diese Einwände bezogen sich nicht allein auf den Passus, der nunmehr heute geändert wurde. Die Eile der Koalition beruhte -so die Auskunft im Innenausschuss- auf der Tatsache, dass die SPD mit einer aktuellen Stunde gedroht hatte und von der Koalition verlangte die Verabschiedung des Wahlrechts in der nächsten Sitzungswoche vorzunehmen. Deshalb wurde schnell die Tagesordnung von Rechts- und Innenausschuß geändert und das Thema Wahlrecht auf die Tagesordnung gesetzt. Und immerhin schon um 20.20 Uhr gestern, ging der Änderungsantrag der Koalition ein. Das ist ziemlich absurd, weil nicht viel Zeit, bleibt, sich mit dem Änderungsantrag inhaltlich zu beschäftigen. Der Änderungsantrag bezieht sich u.a. auf § 6 Abs. 2a, der heftig in der Kritik stand. Dieser soll nunmehr wie folgt lauten: „Den Landeslisten einer Partei werden in der Rangfolge der höchsten Reststimmenzahlem so viele weitere Sitze zugeteilt, wie nach Absatz 2 Sätze 3 und 4 zweiter Halbsatz ganze Zahlen anfallen, wenn die Summe der positiven Abweichungen der auf die Landesliste entfallenen Zweitstimmen von den im jeweiligen Land für die errungenen Sitze erforderlichen Zweitstimmen (Reststimmenanzahl) durch die im Wahlgebiet für einen der zu vergebenden Sitze erforderlichen Zweitstimmenzahl geteilt wird. Dabei werden Landeslisten, bei denen die Zahl in den Wahlkreisen errungenen Sitze die Zahl der nach den Absätzen 2 und 3 zu verteilende Sitze übersteigt, in der Reihenfolge der höchsten Zahlen und bis zu der Gesamtzahl der ihnen nach Absatz 5 verbleibenden Sitze vorrangig berücksichtigt. Die Gesamtzahl der Sitze (§ 1 Absatz 1) erhöht sich um die Unterschiedszahl.“
Ach so ganz nebenbei legte der Abg. Krings heute eine Berechnung aus dem BMI vor, nach der beim neuen Entwurf der Regierungskoalitionen eine durchschnittliche Zahl von negativem Stimmgewicht von 0,02 bis 0,06 auftreten würde. Ich habe das nicht nachgerechnet, aber im BMI um eine Berechnung der durchschnittlichen Zahl des negativen Stimmgewichts beim Gesetzentwurf der LINKEN gebeten. Antwort des BMI: können wir nicht berechnen, denn es gibt ja kein negatives Stimmgewicht im Gesetzentwurf der LINKEN.
Bei der Gelegenheit will ich dann schon noch anmerken, dass ich ein wenig enttäuscht darüber bin, dass die Grünen zwar anerkennen, dass unser Gesetzentwurf im Hinblick auf das negative Stimmgewicht besser sei als ihrer, sie aber unserem nicht zustimmen können wegen der „Überfrachtung„. Was eigentlich hindert die Grünen daran, für eine Wahlaltersenkung oder ein Wahlrecht für hier seit 5 Jahren lebende Menschen ohne Deutsche Staatsbürgerschaft zu stimmen? Zumal die Sachverständigen in der Anhörung durchgängig die Vorschläge der LINKEN als „diskussionswürdig“ bezeichneten? Und warum konnte die Regierungskoalition sich nicht wenigstens dazu durchringen einen Rechtsschutz bei Nichtzulassung von Parteien durch den Bundeswahlausschuß zu normieren?
Diese Fragen werden wohl nicht beantwortet, dafür wird nächste Woche ein Wahlrecht mit erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken verabschiedet werden und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird Arbeit bekommen.
Die Regierung lässt es wohl auf einen Konflikt mit den Verfassungsgericht ankommen. Selten dumm.
Dabei gäbe es eine Lösung für die Unionsprobleme (kein negatives Stimmgewicht, aber Erhalt von einem Teil der unausgeglichenen Überhangmandate) – nicht, dass ich die gut fände (ich will die Überhangmandate weghaben), aber es ist unterhaltsam zu sehen, dass in der rießigen Unionsfraktion sich kein Mensch findet, der ein wenig Mathematik beherrscht. Wegen Dummheit von Karlsruhe gerüffelt werden – das wird witzig.