Alles eine Frage des Inhalts

Es ist langweilig. Es war vorhersehbar. Und gerade deshalb ist es traurig.

Da erklärt der Sigmar Gabriel, es bedarf eines Bündnisses progressiver  Kräfte gegen Rechts. Konkret heißt es in dem Gastbeitrag im Spiegel unter anderem: „Im­mer schon hat die Rech­te ver­sucht, die Wut über so­zia­le Un­ge­rech­tig­keit in Hass auf Min­der­hei­ten um­zu­mün­zen. Um die­ser In­fa­mie ent­ge­gen­zu­tre­ten, braucht es über­all weit mehr Kampf­be­reit­schaft der de­mo­kra­ti­schen Lin­ken. (…) Es gibt kei­ne Hu­ma­ni­tät ohne So­li­da­ri­tät. (…) Jetzt sind die In­tel­lek­tu­el­len his­to­risch ge­for­dert, ihre ge­zier­te und selbst­ver­lieb­te Dis­tan­zie­rung von der rup­pi­gen Welt der Par­tei­en­de­mo­kra­tie ab­zu­le­gen. Es ist of­fen­bar nicht sexy, sich mit ak­ten­le­sen­den Par­la­men­ta­ri­ern ge­mein­zu­ma­chen, die um Kom­pro­mis­se rin­gen. Doch bei al­ler Fehl­bar­keit der Par­tei­en­de­mo­kra­tie: Von den Mit­glie­dern de­mo­kra­ti­scher Par­tei­en wird je­den Tag die li­be­ra­le De­mo­kra­tie ver­tei­digt und le­ben­dig ge­hal­ten. Aber auch die Mit­te-links-Par­tei­en müs­sen sich be­sin­nen, um ih­ren no­to­ri­schen Miss­mut, ihre Ei­tel­kei­ten und Spal­tun­gen zu über­win­den. Nicht klein­mü­tig, son­dern über­zeugt und cou­ra­giert ge­win­nen wir. (…) In Eu­ro­pa müs­sen pro­gres­si­ve Par­tei­en und Be­we­gun­gen für­ein­an­der bünd­nis­be­reit und mit­ein­an­der re­gie­rungs­fä­hig sein. Das gilt auch für Deutsch­land. Das ver­langt ei­ni­ges von der So­zi­al­de­mo­kra­tie und ih­ren denk­ba­ren Part­nern. Doch der Geg­ner der De­mo­kra­tie steht rechts. Deutsch­land braucht jetzt ein Bünd­nis al­ler pro­gres­si­ven Kräf­te. Denn es geht um ver­dammt viel.“

Es wird nun wenig überraschen, dass ich genau das teile. Immerhin habe ich hier auf ähnliches verwiesen. Dort schrieb ich: „…ist aus meiner Sicht ein ganz, ganz breites Bündnis der Demokraten*innen notwendig. Und dieses reicht nun mal in Bezug auf das in Parlamenten vertretene Parteienspektrum von Teilen der CDU bis zur LINKEN. Es muss aber mehr umfassen als die in Parlamenten vertretenen Parteien. Es muss bis weit in das außerparlamentarische Spektrum reichen. Es muss jene einbeziehen, die sich tagtäglich im Ehrenamt engagieren ebenso wie diejenigen, die sich einer Entwicklung hin zu einer autoritären Gesellschaft entgegenstellen.

Ein breites Bündnis der Demokraten*innen oder ein Bündnis progressiver Kräfte ist nun aber etwas anderes als ein Regierungsbündnis. Es ist mehr als r2g (rot-rot-grün). Doch der Gastbeitrg ist nun als ein Vorschlag für r2g wahrgenommen worden. Was meine Vorstellungen und Ideen im Hinblick auf r2g angeht, habe ich hier aufgeschrieben. Ein wichtiger Punkt für mich ist dabei nach wie vor: eine andere Art des Regierens und damit eine andere Art von Koalitionsverträgen.  10 bis 15 gemeinsame Projekte und  in den anderen Fällen wechselnde Mehrheiten.

Doch die Debatte um den Gastbeitrag von Gabriel ist eine andere, alte, abgedroschene, langweilige und vorhersehbare. Die einen sind dafür, die anderen dagegen. Wieder andere sind im Prinzip dafür, aber im konkreten sind dann Zeit und Wetter nicht angemessen dafür. Das alles bleibt an der Oberfläche. Es wäre doch mal spannend zu schauen, was das progressive Lager inhaltlich ausmacht oder ausmachen könnte. Erst dann lässt sich doch ein gesellschaftlicher Mehrwert von r2g erkennen oder eben nicht. Mein Arbeitskreis in der Bundestagsfraktion hat sich im Frühjahr mal angeschaut, was es an Schnittmengen zwischen SPD, Grünen und uns auf unseren Politikgebieten gibt und welche Differenzen. Mit durchaus interessanten Ergebnissen. An Gemeinsamkeiten wurde unter anderem herausgearbeitet:

  • Ausweitung und dauerhafte Förderung der Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus
  • doppelte Staatsangehörigkeit
  • Einbürgerungserleichterungen
  • kommunales „Ausländerwahlrecht“
  • offene Gesellschaft
  • erleichterter Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende/Geduldete
  • Abschaffung automatischer Asylwiderrufsprüfungen
  • Gesundheitskarte für Geflüchtete
  • Gleichstellung aller Lebensweisen/Ehe für Alle
  • direkte Demokratie auf Bundesebene
  • verpflichtendes Lobbyregister und Informationsfreiheitsgesetz
  • Abschaffung der Störerhaftung (diesmal aber wirklich)
  • Netzneutralität sichern
  • Leistungsschutzrecht für Presseverleger aufheben
  • Integration durch Sport
  • Erweiterung der Öffentlichkeit von Sitzungen (des Petitionsausschusses)
  • Stärkung des Petitionsausschusses im Parlamentsgefüge

Sicherlich, auch die Unterschiede sind nicht von der Hand zu weisen, ich nenne da jetzt mal nur den Punkt Geheimdienste und die Tendenz mit Strafgesetzverschärfungen gesellschaftliche Lösungen anzubieten. Aber deshalb gibt es ja meinen Vorschlag, wie ein Koalitionsvertrag auszusehen hat ;-).

Es wäre ja nun spannend, eine solche Auflistung von Gemeinsamkeiten und die Benennung von Unterschieden auch für andere Bereiche mal zu erfassen. Dann kann jede*r immer noch sagen, ob dies reicht um einen gesellschaftlichen Mehrwert mit r2g zu generieren oder nicht. Dann kann jede*r immer noch sagen, diese Gemeinsamkeiten reichen für einen Versuch oder sie reichen nicht. Das wäre dann aber eine Debatte anhand konkreter Punkte und keine Nebeldiskussion.

Und ja, die aktuelle Politik der SPD ist derzeit häufig eine andere, als die aufgeschriebenen Positionen. Das ist aber auch nicht verwunderlich. Sie regiert mit der Union, muss also in diese Richtung Kompromisse machen. Weil Koalitionsverträge derzeit so sind wie sie sind. Was wäre da an Kompromissen möglich, wenn es in die andere Richtung geben müsste…

11 Replies to “Alles eine Frage des Inhalts”

  1. Zitat: „Und ja, die aktuelle Politik der SPD ist derzeit häufig eine andere, als die aufgeschriebenen Positionen. Das ist aber auch nicht verwunderlich. Sie regiert mit der Union, muss also in diese Richtung Kompromisse machen.“

    Ach, und wie war das noch einmal als die Sozen mit den Grünen regierten?

    Sie lernen es einfach nicht Frau Wawzyniak!

    Es gibt bei den bürgerlichen nichts linkes. Das ist nur Quark

  2. ein sehr berechtigter einwand. der mit dem hinweis auf die grünen. genau deshalb bedarf es nämlich einer dritten kraft. der linken.

  3. „genau deshalb bedarf es nämlich einer dritten kraft. der linken.“

    Ach, und dann läuft das so wie seinerzeit in Berlin, wo „linke“ sich durch Privatisierungen, Sozialabbau, Wohnungsverkauf, und sonstige Frevel hervortat und, nach der überfälligen Abwahl, nicht ein mal personelle Konsequenzen zog?

    Nee, danke! Nicht überzeugend.

  4. nein, so würde es nicht laufen. im übrigen auch, weil die rahmenbedingungen andere sind. wie wollen sie eigentlich die gesellschaft verändern?

  5. Wie diese Gesellschaft die sich Kapitalismus nennt verändert wird, fragt eine „linke“?

    Durch Revolution! logisch

    Und nun kommen Sie nicht damit das sich dies nicht schon abzeichnet. Wenn Ihr aber so weiter macht und Euch bei den bürgerlichen weiter anbiedert,fegt diese über Euch hinweg oder, wahrscheinlicher, kommt von rechts.

  6. ah revolution. mit waffen und erschießen? nicht mein weg. ich werbe für gesellschaftliche mehrheiten. die sollten dann auch in parlamentarischen sich wiederfinden.

  7. oh man. Sie sollten, wenn Sie sich schon Politikerin nennen, mal die Definition von Revolution zu gemüte führen! Zu viel verlangt?! Scheinbar ja!

    Nicht zu fassen.

  8. Ausweitung und dauerhafte Förderung der Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus
    doppelte Staatsangehörigkeit
    Einbürgerungserleichterungen
    kommunales „Ausländerwahlrecht“
    offene Gesellschaft
    erleichterter Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende/Geduldete
    Abschaffung automatischer Asylwiderrufsprüfungen
    Gesundheitskarte für Geflüchtete
    Gleichstellung aller Lebensweisen/Ehe für Alle
    direkte Demokratie auf Bundesebene
    verpflichtendes Lobbyregister und Informationsfreiheitsgesetz
    Abschaffung der Störerhaftung (diesmal aber wirklich)
    Netzneutralität sichern
    Leistungsschutzrecht für Presseverleger aufheben
    Integration durch Sport
    Erweiterung der Öffentlichkeit von Sitzungen (des Petitionsausschusses)
    Stärkung des Petitionsausschusses im Parlamentsgefüge

    Was genau hat die Arbeiterklasse von diesen Gemeinsamkeiten der progressiven Kräfte ?
    Die soziale Spaltung nimmt in Deutschland nimmt immer mehr zu – und das ist nicht am Einkommen oder am Vermögen festzustellen, sondern an den Lebensumständen.

    Die meisten Vertreter der Arbeiterklasse sind pflichtversichert in einer der gesetzlichen Krankenkassen und zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
    Leistungen dieser Sozialversicherungssystem werden gestrichen, während die Beiträge steigen.
    Gleichzeitig gibt es immer mehr Privilegierte die privat Krankenversichert sind und später staatliche Pensionen erhalten.

    An staatlichen Schulen findet eine Abwanderung der Kinder aus privilegierten Kreisen statt. Besserverdienende schicken ihre Kinder auf religöse oder anthroposophische Schulen die zwar nicht unbedingt besser sind, aber bei dem die Mitschüler meist ebenso aus privilegierten Elternhaus stammen.

    Dank der neoliberalen Energiewende werden die Kosten der erneuerbaren Energien von unten nach oben um verteilt. Kommunale und staatliche Energieversorger gehen pleite, währen die Besserverdienenden einen garantierten Profit für jede kWh erhalten den ihr Solardach oder Windrad einspeist, egal ob diese kWh gerade benötigt wird oder nicht.

  9. und auch bei den von ihnen aufgemachten themen werden sich viele gemeinsamkeiten finden. aber der arbeitskreis konnte das auf seiner klausur nur für seine themen untersuchen.

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