Das steht nicht im Gesetz

Die Chefin der rechtspopulistischen und antidemokratischen AfD findet also, auf Geflüchtete muss notfalls auch geschossen werden. Im Original liest sich das wie folgt:

„Noch mal: Wie soll ein Grenzpolizist in diesem Fall reagieren?

Petry: Er muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.

Es gibt in Deutschland ein Gesetz, das einen Schießbefehl an den Grenzen enthält?

Petry: Ich habe das Wort Schießbefehl nicht benutzt. Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt. (…)“

Getoppt wird Sie nur noch von ihrer Parteikollegin von Storch. Die findet, es müsse auch auf Frauen und Kinder geschossen werden.

Um es klar und deutlich zu sagen: Allein aus humanistischen Gründen verbietet es sich auf Menschen zu schießen, die in ein Land herein oder aus einem Land heraus wollen. Selbst wenn eine solche Erlaubnis im Gesetz stehen würde, verbietet es sich von selbst zu schießen. 

Aber unabhängig davon, die Chefin der AfD liegt auch falsch. Es steht gerade nicht im Gesetz, dass auf Menschen, die nach Deutschland wollen, zur Grenzsicherung geschossen werden darf. Anhänger/innen der AfD argumentieren mit § 11 UZwG – und liegen damit falsch. Aus mehreren Gründen.

1. Der § 11 UZwG stellt auf den Schusswaffengebrauch gegenüber Personen ab, die sich „der wiederholten Weisung, zu halten (…) , durch die Flucht zu entziehen versuchen„. Das ist schon nach dem Wortlaut bei Geflüchteten, die in das Land hinein wollen, nicht der Fall. Sie wollen sich nichts entziehen, sie wollen in das Land hinein.

2. In der juristischen Kommentarliteratur werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Norm geltend gemacht. Dazu wird im Hinblick auf den Wortlaut der Norm argumentiert, der § 11 UZwG „knüpft alleine an den Versuch an, einer behördlichen Anordnung zu entkommen, die ihrerseits nicht einmal vom Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder vom Verdacht einer Straftat abhängen muss und deshalb als solche einen Eingriff in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht zu rechtfertigen vermag„. (M.Wehr, UZwG, § 11, Rdn.2)

3. Der BGH hat in zwei Entscheidungen sehr enge Grenzen für den Einsatz von Schusswaffen nach § 11 UZwG gesetzt. Im Urteil vom 26.10.1988 (3 StR 198/88, NStZ 1989, 230) heißt es: „Auch wenn die in den §§ 11 ff. UZwG umschriebenen Voraussetzungen für den Schußwaffengebrauch im Grenzdienst erfüllt sind, darf nicht ohne weiteres auf sich der Kontrolle entziehende Personen geschossen werden. Der Beamte muß vor dem Einsatz der Schußwaffe die in der jeweiligen Situation auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und der körperlichen Unversehrheit der Fliehenden unter sorgfältiger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abwägen„.  Der BGH spricht davon, dass nur gegenüber „besonders gefährlichen Tätern“ über die Voraussetzungen des § 10 UZwG hinaus von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden darf. Darüber hinaus hat der BGH (im Übrigen in einer Entscheidung zu Mauerschützen) in einem Urteil vom 03.11.1992 (5 StR 370/92, NJW 1993, 141) im Hinblick auf den § 11 UZwG konkretisiert, dass dieser „auch im Grenzgebiet (…) auf die Verteidigung von Menschen beschränkt werden sollte (…), also auf Fälle, in denen von demjenigen, auf den geschossen wird, eine Gefährdung von Leib oder Leben anderer zu befürchten ist“ .

4. Es reicht nicht, einfach nur den § 11 UZwG zu lesen. Wie sich bereits aus der zitierten Entscheidung des BGH ergibt, ist es notwendig, ein wenig weiter nach vorn und ein wenig weiter hinten in einem Gesetz zu lesen. Nicht weiter überraschend findet sich dort der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in § 4 UZwG. Dieser ist immer zu berücksichtigen. Allein der Absatz 2 dürfte den Schusswaffengebrauch im Falle eines Grenzübertritts ausschließen. Der Schaden -im Zweifelsfall Tote und Verletzte- würde nämlich völlig außer Verhältnis zur Verhinderung des Grenzübertritts stehen.

5. Ein Blick einen Paragrafen weiter hätte auch nicht geschadet. § 12 UZwG geht nämlich (vgl. Wehr, UZwG, § 12, Rdn. 1) den §§ 10 und 11 UZwG vor. Und dieser konkretisiert zusätzlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und verbietet -Hinweis für Frau von Storch- nach Abs. 3 den Schusswaffengebrauch gegenüber Kindern.

6. Der BGH hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1988 darauf hingewiesen, dass der Schusswaffengebrauch über die Voraussetzungen des § 10 UZwG hinaus nur bei „besonders gefährlichen Straftätern“ erlaubt ist. Ein Blick in den § 10 Abs. 1 Nr. 1 a) UZwG wiederum macht deutlich, dass von der Schusswaffe gegenüber Personen nur Gebrauch gemacht werden darf, wenn es um die Verhinderung der unmittelbar bevorstehenden Ausführung oder Fortsetzung eines Verbrechens geht. Die sog. illegale Einreise nach § 14 Aufenthaltsgesetz ist aber kein Verbrechen, wie sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz ergibt. Damit ist aber auch klar, wegen eines illegalen Grenzübertritts kann nach § 10 UZwG nicht von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden.

Kurz und gut. Es ist einfach zu behaupten, es stehe etwas im Gesetz. Bei einem Faktencheck stellt sich heraus, es steht mitnichten im Gesetz, der theoretisch nach § 11 UZwG mögliche Schußwaffengebrauch im Grenzdienst könne gegenüber Geflüchteten angewendet werden.

  • Bei Geflüchteten handelt es sich nicht um Menschen, die sich der Weisung zu halten, durch Flucht entziehen wollen.
  • Ob die Norm verfassungsgemäß ist, ist fraglich.
  • Die Rechtsprechung des BGH schließt den Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete aus. Sie sind nämlich nicht als „besonders gefährliche Täter“ anzusehen bzw. ist von ihnen keine Gefährdung von Leib und Leben anderer zu befürchten. Das wäre aber -unterstellt der § 11 UZwG ist verfassungsgemäß-  Voraussetzung für einen Schusswaffengebrauch.
  • Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 4 UZwG schließt einen Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete aus.

Die AfD hat nicht nur ihren autoritären, antidemokratischen und antihumanistischen Ansatz gezeigt. Sie hat auch gezeigt: Sie kann mit Recht und Gesetz nicht umgehen.

93 Replies to “Das steht nicht im Gesetz”

  1. „„der wiederholten Weisung, zu halten (…) , durch die Flucht zu entziehen versuchen„ – offensichtlich können Sie zwar lesen, aber das Verstehen des Gelesenen fällt Ihnen sehr schwer bzw. unmöglich. Anders lässt sich das nicht kommentieren.

  2. Der Gesetzes Text ist eindeutig, ich möchte mal sehen was passiert wenn ich mich einer Kontrolle entziehe und einfach weiter fahre,?

  3. Ich brauche keine Schusswaffe; ich hab das Meer. Ich lasse die Familien im eiskalten Wasser treiben. Keine Seenotrettung. Die toten Kinder am Strand interessieren nicht. Ich führe schon jetzt Krieg gegen Zivilisten. Nicht mit dem G36. Ich hab das Meer. Ich bin der Gute. Ich bin die EU. Ich bin Deutschland.

  4. der gesetzestext wird nur rund, wenn die auslegung des bgh dazu kommt, wenn sinn und zweck des gesetzes beachtet wird und wenn ein paragraf nicht isoliert gelesen wird

  5. Huppert Mangold:
    ha-ha… geil… mir fällt „das Verstehen des Gelesenen auch sehr unmöglich“
    nur liegt das in diesem fall eindeutig am „skillset“ des authors *lol*

  6. Sie sagen, Flüchtlinge wollen sich „nichts entziehen“. Der gesetzlich erlaubte Weg, ein Land zu betreten ist, sich einer Grenzkontrolle mit gültigen Papieren zu unterziehen. Genau dem entziehen sich viele Migranten. Fordert sie nun ein Grenzschützer mehrfach auf, das zu tun und hält sie bei dem Vorhaben ohne Kontrolle ins Land einzudringen mit zunächst körperlicher Gewalt auf, dann gut. Wird der Beamte aber etwa niedergekämpft und die Migranten entziehen sich dem mit Androhung von körperlicher oder Waffengewalt, DANN soll der Beamte auch schiessen dürfen. Es wurden genügend Deutsche von Polizisten totgeschossen, die dem Polizisten nur in drohender Haltung mit einem Messer gegenüber traten!!

  7. Dem Namen nach sind Sie „Biodeutscher“. Selbstverständlich erhalten Sie eine Kugel, was für eine Frage!

  8. Danke für die Zusammenfassung. Ich würde mir wünschen, dass auch anderstwo so mit Fakten argumentiert würde, anstatt nur Phrasen zu dreschen.

    Wie vermessen muss man eigentlich sein, die komplette Praxis der Rechtsprechung einfach mal so zu ignorieren? Einfach einzelne Paragraphen aus dem Zusammenhang gerissen, komplett ohne den zugehörigen Kontext… so funktioniert das halt nicht. Jedenfalls nicht in der echten Welt. Aber laut diesen „Rechtsexperten“, die die Gesetzt besser kennen als studierte Juristen, leben wir ja auch in einer, in der Deutschland am „Abgrund“ steht. Man muss sich da ja nicht wundern, dass für die so etwas wie Rechtsgüterabwägung ein Fremdwort ist…

    Die schwarz-weiße Sichtweise immer schön auf alles übertragen. Ist denkschonend und man kriegt kein Kopfweh, nicht wahr?

  9. Hallo, danke für die gute Zusammenfassung. Eine klitzekleine Kritik hab ich, es ist durchaus möglich, dass sich jemand, der die Grenze überschreitet der bevorstehenden Kontrolle durch Flucht entziehen will. Daher ist Punkt 2 natürlich korrekt, Punkt 1 aber widersprüchlich, finde ich.

  10. Dann fährt Ihnen die Streife hinterher, vielleicht mit Sonder- und Wegerechten, wird sie stoppen und / oder weitere Kräfte hinzu ziehen. Bzw die Fahndung einleiten. Schießen auf Fahrzeuge hat nur in Hollywood Erfolg.

  11. Wenn mit Knüppeln bewaffnete Flüchtlinge, wie auf der Balkanroute schon geschehen, die Grenze gewaltsam stürmen, dürfen die deutschen Bundespolizisten sehr wohl schießen, um eine Gefahr für ihren Leib und ihr Leben abzuwenden. Auch in eine Menschenmenge hinein. Einfach dazu in das zitierte BGH-Urteil von 1988 schauen. Randziffern 15 und 18d. Zur Wahrheit gehört auch die Vollständigkeit.

  12. sie relativieren die petry aussage, ebenso wie die storch aussage. es ging beiden um geflüchtete, die nichts haben und einfach nur in das land wollen. und genau bei einem solchen sachverhalt greift der § 11 uzwg nicht. was die voraussetzungen für die anwendung des § 11 uzwg sind steht im blobgbeitrag.

  13. punkt 1 ist der schwächste in der argumentation, das stimmt. aber wenn sinn und zweck berücksichtigt werden, macht es doch sinn. der sinn und zweck ist ja, dass verhindert werden soll, dass sich jemand dem staatlichen zugriff entzieht. genau das machen geflüchtete nicht…

  14. unter welchen voraussetzungen der § 11 uzwg anwendbar ist, steht im blog und hat der bgh entschieden. der konkrete sachverhalt des 1988er urteils steht in randnummer 21. ihr kommentar veruscht die aussagen von storch und petry zu relativieren. bei den beiden damen ging es um geflüchtete allgemein, nicht darum das irgendjemand bedroht wird.

  15. Und jetzt kommt es noch viel schlimmer für Storch, Petry, die AfD und ihre Apologeten: wenn die bösen Ausländer einreisen, egal ob mit oder ohne Papiere und dann um Asyl nachsuchen, dann handeln sie gar nicht illegal. Die dürfen tatsächlich über die Grenze, um Asyl zu beantragen. Wieso hat das OLG Bamberg sehr schön erklärt http://www.migrationsrecht.net/nachrichten-rechtsprechung/olg-bamberg-zur-strafbarkeit-eines-asylsuchenden-wegen-unerlaubter-einreise-und-begleitdelikten.html

    Das heißt also, die Diskussion ist nicht nur eine Diskussion, bei der die Rechtslage ziemlich eindeutig ist. Sie ist auch noch eine Scheindiskussion, weil es zu einer solchen Situation kaum je kommen kann.
    Abgesehen davon ist es widerlich, zu fordern, auf Menschen in Not zu schießen. Egal ob es Frauen, Kinder oder Männer sind.

  16. Der § 11 UzWG stellt letztlich ein Relikt des Kalten Krieges dar. Ziel und Sinn der Rechtsvorschrift war die Abwehr Nachrichtendienstlicher Aktivitäten bzw. der Übergriff durch Grenztruppen. Denkbar ist vielleicht noch die Überleitung bezüglich grenzüberschreitender Straftäter, wenn auch bei diesen andere Paragrafen aufgrund der bestehenden vorangegangenen Straftat anzuwenden wären. In der Realität wird es oftmals auch nicht der Einzelne sein, der versucht die Grenze zu überschreiten, sondern ganze Personengruppen. Ich habe noch die Bilder vor Augen, als in Berlin eine Menschenmenge an der innerdeutschen Grenze auflief. Welches Szenario hätten wir erlebt, wenn auch nur ein einziger Schuss gefallen wäre? Welches Szenario hätten wir erlebt, wenn an der Ungarischen Grenze geschossen worden wäre, anstatt das Tor geöffnet wurde. Die Forderung nach der Schussabgabe ist mit einem Bier in der Hand auf der Couch immer sehr einfach. In der Realität gibt es einen Menschen mit einer Schusswaffe in der Hand, der eine Entscheidung über Rechtsgüter und einen immer einzukalkulierenden tödlichen Schuss zu treffen hat. Diese Entscheidung ist bereits extrem schwer zu treffen im Falle einer Bedrohungslage, also im Bereich der Notwehr bzw. Nothilfe. Noch übler wird es beim UzWG Schuss … und dann fordert hier irgendjemand tatsächlich die Schussabgabe auf eine -auf Deutsch gesagt: Arme Sau … der letztlich nur seinen Arsch oder den seiner gesamten Familie retten will? Ich bitte Sie! Das schaue ich mir an, wenn die hier kommentierenden Helden mit einer 9 mm in der Hand diese Entscheidung zu treffen haben. Und jeder der sofort skandiert: Ich würde es tun! Sollte sich auf seine psychische Gesundheit untersuchen lassen und die Dienstwaffe erst einmal wieder wegschliessen lassen.

  17. Entschuldigung, aber Punkt 1 ihrer „Argumente“ ist wirklich äußerst absurd. Auch wenn es in der DDR, in welcher Sie sozialisiert wurden, genau andersherum war; aber im § 11 UZWG geht es im Gegensatz zur DDR nicht darum, auf eigene Staatsbürger, welche illegal das Land verlassen wollen (bei der Linken wahrscheinlich noch Republikflucht genannt), zu schiessen, sondern allg. um jeden Grenzverletzer (in der Praxis um illegale Einreise – somit NICHT Republikflucht). Das können sowohl illegale Migranten sein, welche Sie pauschal „Geflüchtete“ nennen, als auch eigene Landsleute, welche (bspw. Bargeld aus der Schweiz nach Deutschland) schmuggeln.
    Ähnlich absurd Punkt 6. Denn § 10 UzWG hebt (gem. ihrer „Argumentation“) nicht somit quasi § 11 auf, sondern § 11 ist mit der Formulierung „Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schußwaffen AUCH gegen Personen gebrauchen“ neben § 10 eine weitere rechtliche Grundlage.
    Und dadurch, dass AfD-Petry von „notfalls, letztes Mittel, ultima Ratio“ sprach, sind ihrer Argumentationspunkte 3 – 5 irrelavant, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Abwägung v. Rechtsgütern hierbei bereits erfolgte.
    Punkt 2 stammt wahrscheinlich von einem Linken-Juristen, oder?

  18. Pingback: An die Grenze: Die Stille vor dem Schuß | Luschenelf

  19. sie finden punkt 1 absurd? ich nicht. der sinn und zweck des gesetzes ist es nun mal, dass sich leute nicht der staatsgewalt entziehen. das meint nach wiederholter aufforderung zum halt zu flüchten. genau das wollen geflüchtete aber nicht, sie wollen in ein land und sich nicht der staatsgewalt entziehen…
    sie finden punkt 6 absurd? ich nicht. aber es liegt bei ihnen wohl ein subsumtionsfehler vor. natürlich ist § 10 eine weitere rechtliche grundlage, aber eben nur wenn ein verbrechen begangen wurde. und für § 11 ist eben ein besonders gefährlicher täter notwendig.
    sie finden 3-5 irrelevant, weil frau petry von ultima ratio sprach? sind sie nicht, denn ein hingeworfenes ultima ratio ist etwas anderes als die engen voraussetzungen, die der bgh normiert. was sie versuchen, ist die aussage von frau petry in ihrer menschenverachtung zu relativieren. lesen sie noch mal was frau petry gesagt hat und dann lesen sie, was der bgh für die anwendung des § 11 verlangt. sie werden merken, das ist nicht in übereinstimmung zu bringen.
    ob der kommentator des uzwg ein linker ist, das weiß ich nicht. habe ich auch nicht kontrolliert.

  20. Das Schießen überlässt Deutschland derzeit noch den Grenzschützern an den EU-Außengrenzen. Es ist beispielsweise nur sieben Tage her, da forderte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière die griechische Regierung auf, den „Flüchtlingsstrom“ mit militärischen Mitteln zu stoppen. Andernfalls drohe der Schengen-Rauswurf.

    Tatsächlich starben in den letzten Jahren an den Grenzen in Griechenland, Italien, Rumänien, der libyschen See und den spanischen Exklaven auf dem nordafrikanischen Festland immer wieder unbewaffnete Flüchtlinge durch die tödlichen Schüsse von Grenztruppen. Dutzende, vielleicht sogar Hunderte verbluteten unter den Blicken der Soldaten im Stacheldraht oder wurden von Minen zerfetzt. Die deutsche Presse berichtete auch darüber, aber sowohl in den Leitartikeln als auch aus den Parteizentralen war kein kritisches Wort zu vernehmen.

    Aber auch im Inland braucht es keine AfD, um Forderungen nach Waffengewalt zu hören: Als der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig vor knapp zwei Wochen sagte, er wolle „nie wieder einen Zaun oder eine Mauer an deutschen Grenzen, die im Zweifel mit Waffengewalt geschützt werden müssten“, wurde er dafür aus den Reihen der CDU und FDP scharf angegriffen: Das Land vertrage keine weiteren Flüchtlinge mehr und ginge „in die Knie“.

  21. sie haben recht. im prinzip. zumindest auf der seite der linksfraktion im bundestag dürften sich einige presseerklärungen und artikel finden, die das von ihnen angesprochene problem thematisieren.

  22. Als letztes Jahr ein Grünen-Politiker so ziemlich das Gleiche gesagt hat, ist der dafür nicht zerrissen worden. Komisch eigentlich.
    Ich wollte diese akribische Gesetzes-Haarspalterei und Interpretation in diese und jene Richtung würde auch bei den Inlandseinsätzen der „Gesetzeshüter“ praktiziert werden, wenn durch deren Kugeln Menschen zu Tode kommen.

  23. Wer der Aufforderung den illegalen Grenzübertritt zu unterlassen und sich einer Personenkontrolle zu unterziehen nicht nachkommt und einfach weiter rennt, der „entzieht sich durch Flucht“. Alles andere ist Nonsens! Ihre Argumentation, dass sog. „Flüchtlinge“ sich grenzpolizeilichen Maßnahmen garnicht entziehen, da sie ja nicht aus dem Land, sondern in das Land „fliehen“ (Wovor fliehen die eigentlich aus Österreich? Vor dem Kaiserschmarrn?), ist schlicht falsch. Ihre Ansicht rührt vielleicht daher, dass es in ihrer Partei immer noch Genossen gibt, die das illegale Übertreten einer Grenze zum Zweck das Land zu verlassen als „Republikflucht“ bezeichnen und in der Vergangenheit nie ein Problem damit hatten, diese „Republikflüchtlinge“ mittels Maschinenpistole niederzustrecken bzw. niederstrecken zu lassen.

  24. der sinn und zweck des gesetzes ist ja, dass der staat in form der beamten zugriff auf eine person erhält. das kann er nicht, wenn die person weg will. wenn sie aber gar nicht weg, sondern rein will, dann ist der staatliche zugriff gesichert.

  25. Da bereits in der Einleitung die AfD als antidemokratisch bezeichnet wird, was sie ja definitiv nicht ist, verliert der Verfasser seine Reputation. In der weiteren Folge wird auch der Gesetzestext einseitig interpretiert. Das UZwG hat sicherlich einen geschichtlichen Kontext, schließlich ist es bereits seit 1.4.1961 in Kraft, nichtsdestotrotz muss es aber auch nicht zwanghaft in Abrede gestellt werden. Die Aussagen von Frau Dr. Petry sind in einem Interview getätigt worden und nicht in einer juristischen Konferenz. Wenn man allerdings jemanden unbedingt zum Popanz machen will, dann spielt das keine Rolle, nicht wahr?! Auch in der Art der Auseinandersetzung sollte die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden und nicht unzulässig verallgemeinert werden. Schließlich ist der politische Gegner ebenfalls ein Mensch, mit dem man niveauvoll umzugehen hat, selbst wenn es von Zeit zu Zeit schwer fällt.

  26. Paragr. 11 UZwG ist eine eigene ZUSÄTZLICHE Ermächtigung zum Schusswaffengebrauch. Die in Paragr. 10 UZwG gemachten Einschränkungen sind somit nicht relevant und bedürfen daher keiner Prüfung und Berücksichtigung.
    Voraussetzung des Schusswaffengebrauchs gem.Paragr 11 UZwG ergeben sich allein aus ihm selbst u. den Paragr. 4, 12, 13 UZwG.
    Betroffener gem. Paragr. 11 UZwG kann jederman sein, der Grenzübertritt vornimmt, mithin ein- oder ausreist und der wiederholten a) Halteweisung o. b) Überprüfungsduldung seiner Person o. c) Überprüfung von Beförderungsmitteln und mitgeführten Gegenständen durch Flucht sich zu entziehen versucht.
    Personen werden im Gesetz nicht definiert ( bis auf Kinder in Paragr. 12), somit ist eine Übertragung auf Flüchtlinge o.wen auch immer rechtlich unbedeutend. Punkt. Auch der Verweis auf Einschränkungen per Gericht ist sekundär, denn alle Gerichtsurteile kann der handelnde Beamte nicht ad hoc abrufen, er muss zunächst das Gesetz richtig anwenden können.Auch Punkt.
    Wovon ich rede, weiss ich, musste u.a. mit dem UZwG Jahrzehnte umgehen.

  27. Junge, Junge. Wenig Ahnung haben Sie aber wirklich viel.

    Die Argumentation, nur dann sei davon auszugehen, dass sich jemand einer Kontrolle entziehen wolle, ist natürlich völliger Blödsinn.

    Der Kontrolle entzieht sich, wer fortläuft, egal wohin.

    Natürlich ist damit nicht automatisch der Schusswaffengebrauch zulässig. Er muss auch verhältnismäßig sein. Ultima Ratio eben. Hat die Frau Petry sowas in der Art nicht gesagt?

    Ich verstehe nicht, wieso die großen Parteien, sich darüber empören. Gesetz ändern und fertig. Am besten gleich die Vollzugsorgane entwaffnen. Dann ist Ruhe.

    Übrigens: Antidemokratisch sind in diesem Land andere Parteien. Die linksradikalen Linken z.B. oder die linkspopulistischen Grünen.

    Mann, Mann, Mann…..

  28. wenn sie am anfang auf das hellblaue (antidemokratisch + rechtspopulistisch) klicken, dann ist auch erläutert, warum ich zu dieser auffassung komme.
    im weiteren zitiere ich ja im wesentlichen (bis auf punkt1). und frau petry hat nun mal in einem interview gesagt, es stehe im gesetz. das habe ich widerlegt. wenn sie ein gegenargument haben, lassen sie es mich wissen.

  29. Oh, weia … Frau Kollegin, es ist gut, dass Sie in die Politik gegangen sind. Von Rechtswissenschaft haben Sie wenig Ahnung und unterstellen einen Sachverhalt, der gar nicht vorliegt.

  30. die entscheidungen des bgh können nicht ignoriert werden. da es nur zwei sind ist es nicht so schwierig und wird hoffentlich in der ausbildung mit vermittelt. andernfalls könnte das für den/die schießende zu problemen führen.

  31. korrekt müsste es mädel, mädel, mädel heißen. bedauerlicherweise argumentieren sie aber im folgenden lediglich zu punkt 1. argumente gegen 2 ff. fallen ihnen nicht ein. und was frau petry im interview sagte, das habe ich verlinkt. da ist nichts schön zu reden, sie meinte in keinem fall die voraussetzungen für § 11 uzwg nach bgh.

  32. Verwaltungs- und Eingriffsrechts ist offenbar nicht Ihres. Deshalb kann man Ihnen nachsehen, dass Sie einiges nicht recht verstehen.
    Aber dann sollten Sie zumindest Argumenten zugänglich sein und versuchen dies zu verstehen!

    Petry hat doch sogar das Wort „ultima ratio“ benutzt. Das allerletzte Mittel wenn alles andere nicht wirkt.
    So kann man den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verkürzt darstellen. Bevor geballert wird, müssen sämtliche andere Mittel ausgeschöpft sein.

    In juristischer Kommentarliteratur steht so manches. Sie werden sicherlich auch Juristen finden, die die gegenteilige Auffassung vertreten.
    Ein Beispiel dafür geben Sie selbst einen Absatz später unter drei. Der BGH vermag keinen Hinweis auf Verfassungswidrigkeit ausmachen, verlangt lediglich eine verfassungskonforme Anwendung.

    Ihr Punkt 4: Stimmt, reicht nicht, man muß auch eine gewisse Grundkenntnis bei der Gesetzesanwendung haben. Natürlich bedeutet die Norm nicht, dass der Grenzer jeden vom (nicht vorhandenen) Zaun schießen darf.

    Ihr Punkt 5 offenbart wieder ihre Unkenntnis juristischer Methodik. Hier wird keinesfalls der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert.
    Das ist eine für diese spezielle Art der Zwangsanwendung, nämlich den Schußwaffengebrauch, zwingende Formvorschrift.

    Ihre Anmerkungen zu Punkt 6 sind auch falsch. § 11 steht neben § 10, es sind zwei unabhängige Befugnisnormen.
    Es ist aber keineswegs so, dass der Grenzbeamte nach § 11 nur schießen dürfte, wenn auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 vorlägen. Nebenbei bemerkt hätte das auch gar keinen Sinn.

    Ich verstehe Frau Petrys Äußerungen eher so, daß sie eine kompromisslose Grenzsicherung verlangt. Das ist doch eine legitime politische Forderung.
    Natürlich kann man auch anderer Auffassung sein, aber dann sollte man argumentativ dagegenhalten, nicht hetzen, wie es im Augenblick öffentlich gemacht wird.

    Sie sind doch Politikerin. Deshalb nochmals: Wenn ein Gesetz nicht in Ordnung ist, dann sollte man es vielleicht ändern. Dafür haben wir in Deutschland doch Parlamente.

  33. 1. sicherlich hat frau petry ultima ratio genannt. auf nachfrage und in bezug auf illegalen grenzübertritt an sich. sie hat eben gerade keine weiteren bedingungen genannt. soviel professionalität sollten sie ihr schon zutrauen.

    2. ich habe am wochenende nur einen kommentar zum uzwg gefunden, vielleicht kennen sie ja auch noch einen.

    3. der kommentar war von 2012, die urteile des bgh sind aus dem letzten jahrhundert. bemerkenswerter weise sagen sie nichts zu den anforderungen des bgh zur anwendung von § 11 uzwg

    4. bei diesem punkt gehen mit keinem wort auf den zitierten abs. 2 ein. aber wir sind uns ja einig im ergbnis. nur -siehe weiter oben- frau petry sieht das anders.

    5. sehen sie, ich sehe das wie der kommentar und damit anders als sie.

    6. der bgh sagt, unter welchen voraussetzungen über § 10 hinaus die schusswaffe angewendet werden darf. sie sagen, die §§ stehen nicht nebeneinander, das würde auch keinen sinn machen. macht es aber in meinen augen. wenn der bgh einen besonders gefährlichen straftäter, der leib und leben gefährdet verlangt, dann reicht eben gerade ein vergehen dafür nicht aus. und da korrespondiert dann der 11er mit dem 10er.

    im übrigen sollten auch sie wissen, vorschläge die von mir als mitglied der fraktion die linke kommen, werden eh abgelehnt.

  34. Frau Petry scheint mit der Art und Weise des gegenwärtigen Grenzschutzes nicht einverstanden zu sein. Okay, mag sein. Eine Menge Grenzschützer sind das auch nicht. Warum aber betont sie den bewaffneten Grenzschutz? Das Der SWG rechtlichen Regeln unterliegt ist ja unstreitig. Suggeriert wird, dass die Anwendung der Schusswaffen zu einem effizienterem Grenzschutz führen würde. In anderen Kommentaren stand was von Wasserwerfern und Tränengas…
    Die Frau von Storch setzt noch einen oben drauf und gebracht Formulierungen aus dem militärischem Sprachgebrauch (Angreifer).
    Ger Grenzschutz mag momentan nicht gut sein. Die Kontrollen nicht umfangreich genug, Zurückweisungen an der Grenze zu wenig. Aber die Betonung des SWG hilft keinesfalls weiter.

    Noch einmal zum § 11 UZwG. Es ist von Halina ganz deutlich dargestellt wurden, dess der BGH sich hiezzu geäußert hat. Daher stammt die Formulierung „§ 11 im Licht des § 10 UZwG“. Recht besteht nicht nur aus Gesetzen, Gerichte schöpfen Recht aus der Rechtssprechung selbst. Wenn sich bisher leider keiner zu einer Änderung des UZwG entschlossen hat ist dies schade, aber zum Glück müssen ja nichtpolizeiliche Kommentatoren nicht mit der Schusswaffe an die Grenze. Dies machen die Bundespolizisten und die Bundeszollbeamten, und die verstehen den Unterschied schon. Zum Glück.

  35. Allerdings würde ich an ihrer Stelle, Halina, den Text unter 1. einer Prüfung unterziehen. Es geht da tatsächlich nur um das „Entziehen von der Kontrolle“ auf wiederholte Weisung, was mit Flüchtlingen unmittelbar nichts zu tun hat.

    *******
    @Henry sagte am 1. Februar 2016 um 20:19:
    Ach, sie sind Jahrzehnte mit dem UZwG umgegangen? Dann sollten Sie wissen, wie das mit dem Gebrauch der Schusswaffe ist. Das lernt man ja nun wirklich im 1. Dienstjahr, da werden die Urteile nämlich unterrichtlich angewandt. Das nun wiederum muss ich wissen.

    Experten gibt es…

  36. Also wenn die Vorschläge, die Sie einbringen genauso fundierte sind, wie das, was sie hier schreiben, dann muss die Ablehnung nicht unbedingt etwas mit ihrer Fraktionszugehörigkeit zu tun haben.

    Ich habe eben mit Erschrecken festgestellt, dass Sie sogar Jura studiert haben.

    Aber immerhin schalten Sie auch kritische Kommentare frei. Das ist bei Menschen der Linken meiner Erfahrung nach nicht selbstverständlich.

  37. ist vielleicht unglücklich ausgedrückt, eigentlich ging es mir darum, dass geflüchtete nicht unter den wortlaut fallen. im übrigen ist es auch möglich, die ziffer 1 anders zu sehen als ich. dshalb folgen ja noch weitere ziffern 😉

  38. Niemand hat davon gesprochen, dass die Deutsche Grenze unter flächenmäßiges Dauerfeuer gelegt wird. Es ist die Ultima Ratio im Sinne der schlimmsten Zustände, die möglicherweise passieren könnten. An der spanischen Grenze werden Flüchtlinge auch mit Gummigeschossen vom Grenzübertritt abgehalten, Wo war denn da ihre Empörung – im Gegensatz zum hier theoretischen Fall, ist es da in „echt“ passiert.

  39. auch in meinem beitrag geht es nicht um dauerfeuer. es geht um die konkreten voraussetzungen ds § 11 uzwg, der im übrigen in spanien nicht gilt. der fettgedruckte satz mit der aussage, schon aus humanistischen gründen verbietet sich auf menschen zu schießen, gilt im übrigen aber auch für da.

  40. Zumindest BGH, 26.10.1988 – 3 StR 198/88 ist bei näherer Betrachtung denkbar ungeeignet, eine Rechtswidrigkeit des Schusswaffengebrauchs an der Grenze als ultima ratio zu begründen.

    Sachverhalt: Ein Zollanwärter im Grenzvollzugsdienst schoss in der Nacht gezielt auf Motorradfahrer, die sich einer Kontrolle entzogen hatten, bereits mindestens 100 m entfernt waren und sich weiterhin schnell entfernten. Der 3. Strafsenat des BGH sprach den Angeklagten frei.

    Vorbemerkung: § 11 UZwG ist gemäß BGH lex specialis: „… so kommt eine Befugnis zum Schußwaffengebrauch allein nach der für den Grenzdienst geltenden Sondervorschrift des § 11 UZwG in Betracht“ (zitierte Entscheidung, Rn. 10).
    § 10 UZwG wird in den vom Senat angegebenen Rechtsgrundlagen nicht genannt. Lex specialis derogat legi generali.

    Der Senat führte in Rn.18 aus:
    „Der Beamte muß vor dem Einsatz der Schußwaffe die in der jeweiligen Situation auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und der körperlichen Unversehrtheit des Fliehenden unter sorgfältiger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abwägen.

    Ein Ermessensfehlgebrauch und damit rechtswidrig wäre es, wenn der Beamte eine solche den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtende Abwägung fehlerhaft oder gar nicht vornimmt, etwa auf einen seiner Anhalteverfügung nicht nachkommenden Grenzgänger schießt, ohne geprüft zu haben, ob die ihm bekannten Gesamtumstände auf eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hindeuten, wenn der Grenzgänger unkontrolliert entkommt.

    Je gefährlicher der Schuß ist, desto höher muß die Gefahr sein, deren Abwehr er begegnen soll.“

    Der Schuss auf das sich schnell entfernende Motorrad war für Fahrer und Beifahrer potentiell lebensgefährlich, da sich das Motorrad bereits in mindestens 100 m Entfernung befand und die Sichtverhältnisse wegen der Dunkelheit (2.15 Uhr) sehr schlecht waren. Der Beamte konnte „die Position in etwa dem noch erkennbaren Rücklicht entnehmen“ (…). Er wollte eine der beiden auf ihm fahrenden Personen treffen, um auf diese Weise deren Anhaltepflicht durchzusetzen. Das Geschoß traf den Nebenkläger in den Rücken.“

    Trotz der äußerst hohen Gefahr nicht nur für die körperliche Unversehrtheit, sondern auch für das Leben der Motorradfahrer bejahte der Senat die Verhältnismäßigkeit des Schusses, obwohl der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, von an sich gesetzlich zugelassenen Zwangsmaßnahmen abzusehen, wenn ein zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht“ (Rn. 18).

    Der BGH führte dazu in Rn. 21 weiter aus: „Dabei nahmen die Fahrer in Kauf, daß auf sie geschossen würde. Denn die zwei vom Angeklagten abgegebenen Warnschüsse waren unüberhörbar gewesen.
    (…) das auffällige, das eigene Leben aufs Spiel setzende Verhalten der vier jungen Männer rechtfertigte schon objektiv den Verdacht, (…) daß sie einen besonders schwerwiegenden gesetzwidrigen Grund zur Flucht hatten. Der Angeklagte stand vor der Wahl, die Motorradfahrer unerkannt entkommen zu lassen und dadurch auch anderen Tätern einen Anreiz zu gleichartigem Verhalten zu geben oder aber zu versuchen, durch einen weiteren Schuß das Anhalten zu erzwingen, um die aus den Gesamtumständen gefolgerte erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwenden.“

    Fazit: Der BGH bejahte die Verhältnismäßigkeit eines potentiell lebensgefährlichen, gezielten Schusses eines Zollanwärters im Grenzvollzugsdienst in der Dunkelheit auf Motorradfahrer, die bereits mindestens 100 m entfernt waren, sich weiter schnell entfernten und deren Position lediglich „in etwa dem noch erkennbaren Rücklicht“ zu entnehmen war.

    Demgegenüber konnte der BGH für das Bestehen einer „erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ nicht einmal einen konkreten Verdacht, geschweige denn einen Beweis für eine begangene Straftat eines oder mehrerer der Motorradfahrer anführen.
    Außer einem zwei Stunden später ermittelten, unerheblichen Blutalkoholgehalt von 0,11 %o und für den Nebenkläger von 0,05 %o konnte nichts ermittelt werden.

    Dennoch bejahte der BGH die Verhältnismäßigkeit des Schusses wegen des „auffällige(n), das eigene Leben aufs Spiel setzende(n) Verhalten(s) der vier jungen Männer“, das „schon objektiv den Verdacht, (…) daß sie einen besonders schwerwiegenden gesetzwidrigen Grund zur Flucht hatten“, (rechtfertigte).

    Der BGH schloss „aus den Gesamtumständen“ auf eine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, deren Abwendung den gezielten Schuss auf die Motorradfahrer erlaubte.

    Anwendung der Rechtsprechung des BGH auf die Situation an der Grenze bei Zurückweisung nichteinreiseberechtigter Drittstaatsangehöriger

    Szenario:
    Nichteinreiseberechtigte Migranten (Art. 16a Abs. 2 GG, § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG,
    § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 15 Abs. 1 AufenthG; Art. 29 Abs. 2 SDÜ, Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO) betreten trotz der wiederholten Weisung der Bundespolizei, vor der Grenze zu halten, das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und versuchen, sich durch Flucht in das Land zu entziehen. Alle anderen Mittel (Wasserwerfer, Tränengas, Schlagstöcke, Hunde, Gummigeschosse usw.) konnten die Migranten nicht aufhalten. Da anzunehmen ist, dass „die mündliche Weisung nicht verstanden wird“, wird diese, wie in § 11 Abs. 1 S. 2 UZwG beschrieben, durch einen Warnschuss ersetzt. Es erfolgt ein zweiter Warnschuss. Die Migranten versuchen weiterhin, sich „durch Flucht zu entziehen“.

    Laut zitierter Rechtsprechung des BGH würde nun „das auffällige, das eigene Leben aufs Spiel setzende Verhalten“ der Migranten (sie nehmen „in Kauf, daß auf sie geschossen würde“) „schon objektiv den Verdacht (rechtfertigen), (…) daß sie einen besonders schwerwiegenden gesetzwidrigen Grund zur Flucht hatten“, woraus laut BGH eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ zu folgern ist, die es abzuwenden gilt. Ferner würde ein Nichteinschreiten anderen Migranten laut BGH „einen Anreiz zu gleichartigem Verhalten geben“ (Rn. 21).

    Nun zur (im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung) Gefährlichkeit eines auf die oben genannten Maßnahmen folgenden gezielten Schusses auf die Beine: Geht man von guten Sichtverhältnissen und einer geringen Entfernung von 15 m bis 50 m aus, ist die Gefährlichkeit eines solchen Schusses als gering einzustufen, jedenfalls als sehr viel geringer als die potentiell lebensbedrohliche Gefahr, die von dem Schuss auf die Motorradfahrer in der zitierten BGH – Entscheidung ausging. Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit wäre gemäß der Argumentation des BGH im dargestellten Szenario (mindestens) gleich groß.

    Ergebnis: Da der BGH den „gezielten“ Schuss des Zollanwärters im Grenzvollzugsdienst als gerechtfertigt angesehen hat, wäre ein gezielter Schuss eines Beamten der Bundespolizei auf die Beine (nachdem alle anderen Mittel sich als wirkungslos erwiesen hätten, s.o., Kinder gemäß § 12 Abs. 3 UZwG ausgenommen) an der Grenze auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland als ultima ratio von Gesetzeslage und Rechtsprechung gedeckt.

  41. in der zweiten bgh entscheidung wird der bezug zu § 10 uzwg hergestellt. in der von ihnen zitierten bgh-entscheidung geht es im übrigen -das schreiben sie ja selbst- darum, dass sich jemand entfernt und gerade nicht darum, dass jemand sich der grenze nähert oder sie gar übertritt.

    ich sehe in der von ihnen zitierten bgh entscheidung keinen widerspruch zu meinen ausführungen, dass ein gebrauch der schusswaffe in bezug auf menschen, die nur die grenze übertreten wollen, nicht zulässig ist.

    nun beschreiben sie ein szenario im hinblick auf „die Situation an der Grenze bei Zurückweisung nichteinreiseberechtigter Drittstaatsangehöriger“ und gehen davon aus, hier wolle sich jemand durch flucht entziehen. da würde ich mal entgegenhalten, dass sie gerade nicht durch flucht sich entziehen wollen, sondern explizit sich in das hoheitsgebiet des staates begeben wollen, zu dem der grenzbeamte gehört. aber unabhängig davon, das zitat von frau petry ist ja ein anderes. frau petry sagt auf die frage, wie ein grenzpolizist reagieren soll: „Er muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz“. sie stellt eben nicht auf ein von ihnen dargestelltes szenario ab, sondern sie sagt klipp und klar: um einen illegalen grenzübertritt zu verhindern muss notfalls auch von der schusswaffe gebrauch gemacht werden.

    darüberhinaus will ich daraufhinweisen, dass in rdn. 18 explizit erwähnt wird, dass der „Zweck des § 11 UZwG“ darin besteht, „im Interesse einer wirksamen Grenzsicherung vor besonders gefährlichen Tätern den Schußwaffengebrauch über die sonst zu beachtenden einschränkenden Voraussetzungen des § 10 UZwG hinaus zu erleichtern“. das heißt nichts anderes, als das über die einschränkenden voraussetzungen des § 10 uzwg nach dem sinn und zweck des gesetzes ein schusswaffengebrauch nur erlaubt ist, um gegen „besonders gefährlichen Täter(n)“ vorzugehen.

  42. Ich dachte über den Punkt wären wir hinaus. Durch Flucht entziehen sich diese Menschen der Grenzkontrolle, nur darum geht es doch.

    Übrigens sollen solche Vorschriften auch immer als Drohkulisse dienen. Der Grenzverletzer muß fürchten, auch gestoppt zu werden.

    Aber machen Sie sich mal keine Gedanken, die AfD kommt auf maximal 20 Prozent, das reicht nicht um irgendetwas zu ändern.

    Das heißt, an den deutschen Grenzen ändert sich erstmal wenig. Geschätzte zehn Millionen sind schon auf dem Weg nach Eropa (also Deutschland). Dürfte doch in Ihrem Sinne sein?

    Und wenn Sie mich fragen, darum ging es Petry doch: Ein Signal auszusenden, dass es so nicht weitergeht. Dass die Grenze geschlossen werden muss.
    Was machen die Herrschenden daraus?
    Es wird zwischen den Zeilen suggeriert, die AfD wolle an der deutschen Grenze alle 100 Meter ein MG42 aufstellen und immer schön in die anstürmenden Menschenmassen halten, wie dereinst die Wehrmacht an den Stränden der Normandie. DAS ist Populismus.

  43. wollen wir jetzt mal eine runde differenzieren. im punkt 1 haben wir eine differenz. sie gehen davon aus, der § 10 uzwg regelt, dass sich menschen durch flucht einer grenzkontrolle entziehen wollen. ich sehe den sinn und zweck der norm anders. wir werden diesen dissens nicht aufklären können.

    ich empfinde, aber das mögen sie anders sehen, schon die drohung jemand müsse damit rechnen das auf ihn geschossen wird, als inhuman. um es noch mal klar und deutlich zu sagen, selbst wenn ein schießen auf geflüchtete gesetzlich erlaubt werden würde, würde ich es als falsch finden.
    ich weiß nicht, woher sie ihre zahlen haben. das unhcr geht von weltweit 60 millionen geflüchteten aus, davon sind 30 millionen sog. binnenflüchtlinge. wenn sie meine meinung zu dem thema lesen wollen, dann klicken sie einfach auf diesen link: https://blog.wawzyniak.de/was-heisst-hier-wirtschaftsfluechtling/

    aber im hier in rede stehenden blogbeitrag ging es um eine juristische auseinandersetzung mit dem uzwg. sie mögen finden, frau petry wollte ein signal aussenden. selbst dieses signal auszusenden halte ich für falsch, vor allem ist es aber an der gesetzlichen realität vorbei. ich habe gar nichts suggeriert, sondern den wortlaut des interviews von frau petry zur grundlage der debatte gemacht. und der ist eindeutig. ich zitiere noch einmal:
    „Was passiert, wenn ein Flüchtling über den Zaun klettert?
    Petry: Dann muss die Polizei den Flüchtling daran hindern, dass er deutschen Boden betritt.
    Und wenn er es trotzdem tut?
    Petry: Sie wollen mich schon wieder in eine bestimmte Richtung treiben.
    Noch mal: Wie soll ein Grenzpolizist in diesem Fall reagieren?
    Petry: Er muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.“
    mit anderen worten: wenn jemand über einen zaun klettert, dann muss um den illegalen grenzübertritt zu verhindern notfalls von der schusswaffe gebrauch gemacht werden. so stehe es im gesetz. da ist nichts falsch zu verstehen. der satz mit dem gesetz ist aber falsch. das habe ich belegt.

  44. Ich finde es toll, dass Sie auf alle mühsam zusammenkopierten Trollposts eingehen und deren „Argumente“ (Meinungen) inhaltlich und systematisch entkräften!
    Danke, genau diese Differenzierung hat die Debatte nämlich dringend nötig!
    An den nicht erfolgenden Reaktionen seitens der Ursprungsposter lässt sich auch deren argumentative Schwäche sehr gut erkennen.

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