Unlogisch

Die Ereignisse von Köln führen zu immer neuen Umdrehungen. Der Generalsekretär der CSU Scheuer glänzt durch einen bescheuerten Vorschlag. Er will ohne Prozess straffällig gewordene Asylsuchende abschieben. Straftäter/in ist aber nur jemand, der/die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens schuldig gesprochen wird. Bis dahin gilt jemand auf Grund der Unschuldsvermutung als unschuldig. Scheuer stellt sich mit seinem Vorschlag außerhalb der Rechtsordnung. Scheuer missachtet Artikel 11 der Allgmeinen Erklärung der Menschenrechte:Jeder, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Doch die Frage, wie mit verurteilen Straftäter/innen nichtdeutscher Staatsbürgerschaft umgegangen werden soll, beherrscht nun die Debatte. Bundesinnenminister und Bundesjustizminister haben einen Vorschlag unterbreitet. Danach soll die Ausweisung „krimineller Ausländer“ weiter erleichtert werden und die „Strafrahmen für den Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung und für die Ausweisung (…) bei bestimmten Delikte“ sollen weiter abgesenkt werden. Ich finde das alles grundfalsch. Wer eine Straftat begeht und wegen einer solchen verurteilt wird, der muss die im Urteil vorgesehenen Konsequenzen tragen. Unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Eine weitere faktische Bestrafung der einen Gruppe in Formen der Ausweisung im Unterschied zu den anderen Gruppe finde ich falsch. Ich weiß, die Rechtslage ist eine andere, aber mit meiner ethischen Überzeugung ist das nicht vereinbar. Meine ethische Überzeugung ist, dass gleiches Recht für alle gelten soll.

Insbesondere in den sog. sozialen Netzwerken begegnet mir in der Debatte um die Frage des Umgangs mit straffällige gewordenen Menschen nichtdeutscher Staatsbürgerschaft das Argument, wer hierher kommt sei ein Gast und wenn sich derjenige/diejenige nicht wie ein Gast benehme, müsse er auch wieder gehen. Geflüchtete sind aber keine Gäste! Gäste lade ich ein, es ist von vornherein klar, die Einladung gilt nur für eine begrenzte Zeit. Geflüchtete kommen, weil sie vor Verfolgung, vor Krieg oder einfach vor dem Hintergrund zerstörter Lebensgrundlagen und -perspektiven fliehen. Es ist nicht klar, wie lange sie bleiben werden. Sie nehmen ein Recht wahr. Das ist ein zentraler Unterschied.

Richtig ist, die Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt schon jetzt die Ausweisung. Zunächst wird in Artikel 2 eine Allgemeine Verpflichtung formuliert: „Jeder Flüchtling hat gegenüber dem Land, in dem er sich befindet, Pflichten, zu denen insbesondere der Verpflichtung gehört, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten.“ Eine Rechtsfolge enthält diese Allgemeine Verpflichtung zunächst nicht. In Artikel 32 Abs. 1 heißt es: „Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.“ Präzisiert wird das dann in Artikel 33: „1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde. 2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwer wiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.“ In Deutschland gilt das Aufenthaltsgesetz. Dieses soll die „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“ (§ 1 Abs. 1) regeln. In § 53 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz, gedeckt durch die zitierten Artikel der Flüchtlingskonvention heißt es: „Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.“ Es ist also eine Abwägung zu treffen. Wie diese im Fall eines/einer verurteilten Straftäters/Straftäterin nichtdeutscher Staatsbürgerschaft auszusehen hat steht in § 54 Abs. 1 Nr. 1. Das Ausweisungsinteresse soll  unter anderem überwiegen,  wenn der Ausländer „wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist„. Und nach Abs. 2 wiegt ein Ausweisungsinteresse unter anderem schwer, wenn der Ausländer „wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist„.

Zum Teil wird ergänzend auf das Grundgesetz verwiesen. Bis 1993 lautetet Artikel 16 Grundgesetz: „Politisch Verfolgte genießen Asyl“. Seit 1993 findet sich dieser Satz in Absatz 1 des Artikel 16a Grundgesetz. Der Kampf gegen die Einschränkung des Asylrechts durch Festlegung sicherer Dritt- und Herkunftsstaaten, wie jetzt in Artikel 16a Grundgesetz aufgeschrieben, zählte zu meinen ersten politischen Aktivitäten. Deshalb bin ich aus sehr froh, dass im Parteiprogramm steht: „Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, dürfen nicht abgewiesen oder abgeschoben werden. Wir fordern die Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl… .“

Was ist jetzt unlogisch? Erst in dieser Wahlperiode wurde das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom Bundestag beschlossen. Dort heißt es: „Mit dem neuen § 89b des Strafgesetzbuchs werden die Aufnahme und das Unterhalten von Beziehungen zu einer terroristischen Vereinigung – auch im Ausland – unter Strafe gestellt, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich beispielsweise in einem so genannten Terrorcamp in der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ausbilden zu lassen.“ Nach der Regelung wird derjenige, der eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Mir geht es nicht um die Regelung an sich.  Mir geht es angesichts der derzeit geführten Debatten darum, wie unlogisch die getroffene Regelung im Hinblick auf die Forderung nach Ausweisung von Straftäter/innen nichtdeutscher Staatsbürgerschaft ist. Nehmen wir einen nichtdeutschen Staatsbürger, welcher sich in einem Terrorcamp ausbilden lassen will. Dazu müsste er das Land verlassen, er will das auch. Nun kommt aber die Polizei und Staatsanwaltschaft wegen dem § 89a StGB, er wird angeklagt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In meinem Beispielsfall zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und vier Monaten. Dem weit verbreiteten Ruf nach Ausweisung bei Begehung von Straftaten durch nichtdeutsche Staatsbürger folgend, müsste nun die Ausländerbehörde kommen und entsprechend § 54 Aufenthaltsgesetz eine Ausweisung veranlassen. Es liegt ja eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren vor. Das Ausweisungsinteresse wiegt nach diesem Paragrafen schwer. Und nun? Wird der verurteilte Straftäter ausgewiesen, ist er entweder dort wo er die ganze Zeit hin wollte oder aber ihm wird der Weg dorthin erleichtert. Wird er nicht ausgewiesen dann wird der § 54 Aufenthaltsgesetz verletzt. Sinn macht das Ganze nun aber keinen.

11 Replies to “Unlogisch”

  1. Ich finde, das hier: „Jeder Flüchtling hat gegenüber dem Land, in dem er sich befindet, Pflichten, zu denen insbesondere der Verpflichtung gehört, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten.“, kann man umgangssprachlich, nichts anderes als Umgangssprache verwenden Politiker meist, als Gastrecht bezeichnen.

    Ansonsten verstehe ich Frau Wagenknecht in diesem Fall auch nicht so recht. Da folgt sie wohl argumentativ ihrem Göttergatten. Schade

  2. Die Kritik an Sahra Wagenknecht wirkt unehrlich.
    Sahra beschreibt ja leiglich den Ist-Zustand, nachdem ein Asylbewerber, der während des Verfahrens rechtskräftig verurteilt wird (bisher md. drei Jahre Haft), abgeschoben werden kann, sofern im Herkunftsland keine Gefahr für Leib und Leben droht.
    Das Unredliche ist, dass ausschließlich Sahra und Oskar Lafontaine vom Regierungsflügel gebasht werden, obwohl auch Dietmar Bartsch der gleichen Ansicht ist (Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/997835.keine-linke-haltung.html ).
    Und Linken-MP Bodo Ramelow hat einen erneuten Winter-Abschiebestopp für Thüringen abgelehnt (Quelle: http://www.mdr.de/nachrichten/thueringen-kippt-winterabschiebestopp100.html ).

    Interessante, weiterführende Gedanken für eine linke, europäische Haltung zur Zuwanderung vom Philosophen Slavoj Zizek:
    http://www.neues-deutschland.de/artikel/997777.den-kommunismus-neu-erfinden.html

  3. wissen sie was ihr problem ist? sie sehen schwarz-weiß. in dem gesamten beitrag geht es überhaupt nicht um sahra wagenknecht, wenn es um sie ginge, hätte ich sie auch angesprochen. im übrigen kläre ich konflikte direkt.

  4. Mein Beitrag bezog sich mehr auf den von k.
    Und ich habe einen Farbfernseher. 😉

  5. Sie klären Konflikte direkt? Das habe ich aber anders in Erinnerung!

    Und mit dem „Gastrecht“ war nicht Frau Wagenknecht gemeint? Na wers glaubt. 🙂

  6. Wer als Gast in einem Land ein Verbrechen begeht, muss sofort gehen. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben, zur Not auf dem kurzen Dienstweg!

  7. herr mosch mit dem gefühlten 15. account… wir kommen nicht zueinander in der frage, weil schon der begriff gast nicht zutreffend ist. aber sie haben ja jetzt ihre meinung hier kund getan, damit soll es dann auch gut sein.

  8. Was sind es denn sonst, wenn nicht Gäste?

    Im Übrigen ist es vollkommen unerheblich, welche Bezeichnung Sie auch immer vergeben wollen.

    Fakt ist: Wer sich nicht an unsere Regeln hält, der muss dieses Land verlassen. Deswegen muss man auch sehr gut acht geben, wen man ins Land lässt und erst recht, wem man die deutsche Staatsbürgerschaft gibt. Es ist klar, dass man solche nicht mehr einfach so abschieben kann, wie man es im Falle ersterem Personenkreis können sollte.

    PS: Ob wir zueinander kommen, ist mir ehrlich gesagt herzlich gleichgültig. Ich würde es eher so sagen: Sollten wir jemals zueinander kommen, dann würde ich mir Gedanken um meinen Geisteszustand machen.

  9. herr mosch, zu dem begriff gäste steht hier im dritten absatz was https://blog.wawzyniak.de/unlogisch/

    aber darum geht es aber in diesem blogbeitrag auch gar nicht. zu diesem haben sie nun aber gar nichts mehr beizutragen. dann beenden wir die debatte hier auch. müssen ja keine brieffreundschaft anfangen.

  10. Sie sollten folgendes zur Kenntnis nehmen, da es den gegenwärtigen Stand des Rechts zu entnehmen ist:

    1. Kriegsflüchtlinge und sonstige Verfolgte haben ein Recht auf Schutz nach GFK.
    2. Kein Flüchtling hat das Recht, sich das Land seiner Zuflucht aussuchen zu dürfen.
    3. Deutschland hat das Recht jeden einzelnen der hier ankommenden und sich auf Asyl berufenden Menschen in das jeweilige Land zurück zu schicken, in dem dieser Mensch das erste mal Fuß gesetzt hat. (Dublinankommen)

    Das bedeutet: Es ist vollkommen im gegenwärtigen juristischen Rahmen, wenn Deutschland nationale Grenzkontrollen einführt und hierher kommende an der Grenze abweist.

    An dieser Sachlage gibt es absolut nichts, was Ihnen irgendwie unlogisch erscheinen müsste. Dass dies dennoch so ist, erkläre ich mit Ihrer parteipolitischen Bedrängnis, dringend neue Wählerstimmen generieren zu müssen, da Ihnen sonst sicher bald (und hoffentlich) die bundespolitische Luft ausgehen wird. Sie ganz persönlich und Ihre Partei sind eine Schande für dieses Haus!

  11. Pingback: Haltung heißt Nein | Blog von Halina Wawzyniak

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